„Verabredung mit Slava“ mit musikalischen Überraschungen und neuen Ehrenmitgliedern

Kronberg (pf) – „Mstislav Rostropovich hat Musikgeschichte geschrieben – er hat sich um die Musik seiner Zeit verdient gemacht.“ Mit diesen Worten ehrte der Komponist und Klarinettist Jörg Widmann am Montagabend in der Stadthalle den großen Cellisten, der vor acht Jahren starb. Widmann hielt in diesem Jahr die Ansprache bei der „Verabredung mit Slava“, zu der die Kronberg Academy jedes Jahr am 27. April, seinem Todestag, zu einem Festakt an der Rostropovich-Büste im Schulgarten einlädt. Wegen des Regens war er dieses Jahr in die Stadthalle verlegt worden. „Erst zum zweiten Mal in acht Jahren“, merkte Raimund Trenkler, Gründer und künstlerischer Leiter der Kronberg Academy, in seinen Begrüßungsworten an.

„Einer Künstlerpersönlichkeit wie Rostropovich begegnet man nicht oft“, sagte Trenkler. Was man aus diesen Begegnungen mitgenommen habe, müsse man beherzigen und weitertragen, vor allem seine Liebe zur Musik. Für sie müsse man alles tun, damit sie lebendig bleibt. Rostropovich sei nicht nur ein begnadeter Cellist gewesen, erinnerte Trenkler, sondern habe unermüdlich neue Werke angeregt, bei den größten Komponisten seiner Zeit wie Sergej Prokofjew, Dmitri Schostakowitsch, Benjamin Britten und vielen anderen. Rostropovich habe einmal gesagt, man müsse die Komponisten auf den Knien um ihre Werke bitten, denn die Musik sei es, die bleibt, erinnerte sich Trenkler. Diese Werke seien heute aus den Konzertsälen nicht mehr wegzudenken.

Wie sein großes Vorbild Pablo Casals habe er zudem seine Kunst immer in den Dienst der Menschheit gestellt und sich der Förderung der Jugend verschrieben, denn ihr gehört die Zukunft. Mit den beiden Solisten des anschließenden Benefizkonzertes zugunsten der Rostropovich Cello Foundation habe man in Kian Soltani, einem Vertreter der jungen Generation, den Weg in die Zukunft eingeschlagen und mit Lluís Claret, dem gebürtigen Katalanen, der bei Enric Casals, der Bruder von Pablo studierte, den Bogen zur Vergangenheit geschlagen. „Denn er hat uns Casals mitgebracht“, kündigte Trenkler an.

Wie es schon Tradition ist, eröffnete ein Jugendchor den Festakt. In diesem Jahr waren die Limburger Domsingknaben nach Kronberg gekommen. Ein Chor aus der Region, freute sich Trenkler. Mit klaren Stimmen, ausdrucksvoller Intonation und präziser Modulation sangen die Limburger Domsingknaben unter der Leitung ihres Dirigenten Klaus Knubben vier Chorsätze von Werner Gneist, Max Bruch und Ivan Eröd.

Jörg Widmann, Komponist und Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker war als Dozent nach Kronberg gekommen, um mit den Jungen Solisten der Kronberg Academy zu arbeiten. In seiner Ansprache schilderte er Mstislav Rostropovich als einen Jahrhundertmusiker, einen „Heroen der Musik“, voller Charme und Menschlichkeit, der Kronberg zur Welthauptstadt des Cellos ernannte. „Ein ungeheures Lob für die Stadt und die Macher der Kronberg Academy“, meinte er.

Widmann hob die Größe und den Ernst von Rostropovichs Cellospiel hervor, das – wenn man alte Aufnahmen anhöre – keine Patina angesetzt habe. „Sie bleiben zeitlos gültig, sind kraftvoll und leidenschaftlich.“ Rostropovich habe jede Note gestaltet, dabei aber nie die große Linie in Gefahr gebracht. Seine Interpretation von Bach sei groß und wuchtig, männlich und streng, mächtig und unerbittlich, ganz Fels, ganz Stein. Anstelle von Schönheit habe er die Wahrheit gesetzt. Er sei ein Typ, ein Charakter gewesen, den keine Marketingfirma so hätte erfinden können.

In Washington, wo er viele Jahre lang als Dirigent wirkte, sei sein Andenken unvergessen und nach wie vor lebendig, berichtete Widmann, der erst kürzlich dort als Solist aufgetreten war.

Die Verbindungen von Rostropovich zu den Komponisten seiner Zeit nannte er einen Glücksfall. Über 200 Werke habe er uraufgeführt, von Prokofjew, Schostakowitsch, Britten, Sofia Gubaidulina und vielen weiteren. Die Namen der Komponisten, die für ihn Werke schrieben, lese sich wie das Who’s Who der Komponisten des 20. Jahrhunderts. „Er hat sich um die Musik seiner Zeit verdient gemacht.“

Danach nahm Lluís Claret auf dem Podium Platz und hatte, wie Raimund Trenkler schon angekündigt hatte, Casals mitgebracht. Zunächst spielte er von Enric Casals „Elegie“. Von dessen Bruder Pablo Casals hatte er gemeinsam mit dem spanischen Pianisten Alex Ramírez fünf Stücke für Cello und Klavier einstudiert, die er später beim Benefizkonzert im Saal der Stadthalle aufführte.

Die Bühne dort gehörte aber erst dem jungen Cellisten und Solisten der Kronberg Academy Kian Soltani. Robert Schumanns Adagio und Allegro As-Dur op. 70 mit den Sätzen „Langsam, mit innigem Ausdruck“ und „Rasch und feurig“ ließ er genau so, wie es der Komponist gemeint hatte, zusammen mit seinem Klavierpartner Andriy Dragan erklingen. Dass man aus einem Steinway Flügel auch völlig andere Töne und Klänge hervorzaubern kann, das bewies der aus der Ukraine stammende Pianist im zweiten Werk, das er mit Kian Soltani aufführte.

„Habil-sajahy für Violoncello und präpariertes Klavier“ hat die 1947 geborene aserbaidschanische Komponistin Franghiz Ali-Zadeh das Werk genannt. Wie Rostropovich ist sie in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans geboren. Der Titel, übersetzte Kian Soltani, bedeutet „im Stil von Habil“. Gewidmet habe sie es dem in seiner Heimat Aserbaidschan und im mittleren Osten weithin berühmten und geschätzten Musiker Habil Aliyev, einem virtuosen Kamantsche-Spieler. Kamantsche, erläuterte er, ist ein Instrument der persischen Musik, eine Art Kniegeige, die ähnlich wie ein Cello gespielt wird, aber viel kleiner ist. Das Stück, bei dem der Pianist nicht nur die Tasten nutzte, sondern auch in die Saiten des Flügels griff, sie zupfte, streichelte, schlug und dem Instrumentenkörper sogar Trommelklänge entlockte, beeindruckte durch orientalisches Flair und Klangfarben, die an tausendundeine Nacht denken ließen. Anfangs hatten sie meditativen Charakter, später unvermittelt temperamentvolle, mitreißende Rhythmen. Die Interpretation der beiden jungen Musiker begeisterte das Konzertpublikum, das sich mit langanhaltendem Applaus bei ihnen bedankte.

Im Anschluss an das Benefiz-Konzert zugunsten der Rostropovich Foundation zur Förderung junger Cellisten hatten die Freunde und Förderer der Kronberg Academy zu einem Empfang eingeladen, der mit gleich zwei Überraschungen aufwartete. Zunächst setzten sich die beiden Cellisten Lluís Claret und Kian Soltani aufs Podium und spielten, quasi als Zugabe, mit sichtlichem Vergnügen, Temperament und hoher Meisterschaft zwei Sätze aus einer Sonate für zwei Celli von Jean Barriere, einem französischen Cello-Virtuosen des 18. Jahrhunderts.

Danach bat Dr. Rainer Stoll, der Vorsitzende des Fördervereins, Floria Landgräfin von Hessen aufs Podium, um ihr und ihrem Mann, Donatus Landgraf von Hessen, der wegen einer anderen Verpflichtung nicht hatte kommen können, die Ehrenmitgliedschaft zu verleihen. Das Haus Hessen, sagte Dr. Stoll, sei der Kronberg Academy seit ihrer Gründung eng verbunden. Der verstorbene Senior des Hauses, Moritz Landgraf von Hessen, gehörte seinerzeit zu den Mitbegründern und sei ein großer Befürworter und Unterstützer ihrer Arbeit gewesen. Nun führe seine Schwiegertochter diese Tradition fort und habe bei einem denkwürdigen Konzert am 3. November vergangenen Jahres im Schlosshotel, zu dem sie eingeladen hatte, mit zu Herzen gehenden bewegenden Worten gleich 90 neue Mitglieder auf einen Streich für die Freunde und Förderer der Kronberg Academy gewinnen können.

Mit der Ehrenmitgliedschaft überreichte Dr. Stoll der Landgräfin einen großen Blumenstrauß in ihren Lieblingsfarben. Sie freue sich und fühle sich geehrt, bedankte sie sich strahlend und versprach, sie werde weitermachen und hoffe, noch viele Menschen gewinnen zu können, denn: „Es lohnt sich!“

Einen zweiten Blumenstrauß hatte er Ulrike Crespo mitgebracht, die bereits Ehrenmitglied des Fördervereins ist und mit ihrer Crespo Foundation die Kammermusikprojekte „Chamber Music Connects the World“ und „Mit Musik – Miteinander“ ermöglicht.

Der Komponist und Klarinettist Jörg Widmann erinnerte in seiner Ansprache an den Jahrhundertmusiker Mstislav Rostropovich.

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