Wie viel Nachverdichtung verträgt eine Stadt wie Kronberg?

Talstraße, Ecke Grundweg: Linker Hand sind Doppelhäuser geplant. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. So liegen auch die Geschmäcker im Hausbau weit auseinander und regten schon vor Jahren in Neubaugebieten in Kronberg wiederholt zum Kopfschütteln an, wenn dadurch plötzlich nebeneinander Fertighaus, Haus in typisch bayrischem Landhausstil, moderner Betonquader und weißes Märchenschlösschen entstehen. Gerade haben sich die Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt unter Vorsitz von Max-Werner Kahl (CDU) mehrheitlich entschieden, dass sie über die Magistratsentscheidungen bei solchen Bauvorhaben, die nicht durch das Stadtparlament gehen, weil sie zu den ganz normalen Aufgaben einer städtischen Kommune gehören, im nicht-öffentlichen Sitzungsteil ebenfalls informiert werden wollen. „Es geht darum, dass wir die Informationen erhalten. Wir wollen, dass die Stimmungslage des Magistrats an den ASU weitergegeben wird“, so Kahl. Erster Stadtrat Jürgen Odszuck (parteilos) kommt diesem Wunsch gerne nach, erklärt aber auch, dass „90 Prozent der Entscheidungen des Magistrats ans Recht gebundene Entscheidungen sind.“ In den meisten Fällen gehe es nur darum, das bestehende Baurecht zu vollziehen, die Entscheidungen hätten also „wenig Konzeptionelles“ an sich. „Der Magistrat hat hier wenig Spielraum.“

Baut sich Kronberg zu?

Insgesamt ist in Kronberg eine Entwicklung zur Nachverdichtung in allen drei Stadtteilen längst deutlich sichtbar. Gerade in den letzten 15 Jahren sind viele Wohnhäuser entstanden, sei es entlang der Frankfurter Straße, in Schönberg in der Höhenstraße oder auch im Tal, die zur Diskussion anregen könnten. Ist Kronberg noch auf einem guten städtebaulichen Weg? Oder baut Kronberg sich zu? Befürchten die Anwohner im Tal zurecht eine Veränderung zuungunsten des Charmes der Talstraße mit seinem Blick auf die Altstadt und Burg, eingebunden in die Streuobstwiesen? „Gerade die Talstraße ist ein Beispiel für ein Sammelsurium von Bauten, die teilweise in Höhe und Klotzigkeit kaum zu überbieten sind“, findet die Talstraßen-Bewohnerin Samantha Wynn, die mit ihrer Meinung nicht allein dasteht. Als Beispiel nennt sie unter anderem das Mehrfamilienhaus neben dem Fritz-Best-Museum. „Wie kann dem entgegengewirkt werden, dass jede Baumaßnahme die vorangegangene in Größe, Masse noch übertrifft?“, fragen sich die Bürger dort, die wissen, dass in der Talstraße bald die letzten Lücken (Ecke Grundweg, gegenüber dem Thalerfeldfriedhof) durch große Doppelhäuser geschlossen werden. „Dass dort in den 60er-Jahren ein großer Klotz genehmigt wurde, begründet noch lange nicht, dass in Zukunft etwas in dieser Dimension entstehen wird“, erläutert der Erste Stadtrat hierzu. Denn bei dem Paragrafen 34 des Baugesetzbuches, der überall dort, wo der Bebauungsplan aufgehoben ist, Anwendung findet, sei jedes Wort mit Bedacht gewählt. Punkt 1 lautet: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“ Diese Formulierung fordere weit mehr als, wie von manchen Bürgern übersetzt, eine Anpassung an das Nachbargebäude oder womöglich an den höchsten und hässlichsten Koloss in der Straße. „Zu orientieren ist sich also nicht einfach an dem, was schon vorhanden ist, sondern an dem, was sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“, betont Odszuck. Natürlich sei es speziell auf den Talblick bezogen, um jede Wiese schade, und natürlich mache es für die Anwohner persönlich einen Unterschied, ob sie gegenüber auf Streuobstwiesen oder Häuser schauten, „auch wenn die keinen Deut größer sind“ als die bestehenden. Blicke man aber auf über Jahrzehnte gewachsene Häuserstruktur entlang der Talstraße, sei dort ganz klar eine eng geschlossene Häuserreihe auf beiden Seiten der Straße zu erkennen.

Paragraf 34

Was nicht jeder Kronberger weiß ist, dass vor vielen Jahren schon (vor 2005), die städtischen Bebauungspläne aufgelöst wurden, da sie zu diesem Zeitpunkt als „rechtsfehlerhaft“ eingeordnet werden mussten. Auf die Stadt hätte Klagen zukommen können, also hob man sie kurzerhand auf, was bedeutet, dass seitdem für diese Ortsflächen der Paragraf 34 als geltendes Recht greift.

Dass dadurch in Kronberg baurechtlich viel mehr möglich sei, vor allem an Masse, will der Erste Stadtrat Jürgen Odszuck dennoch nicht unterschreiben. „Das lässt sich pauschal nicht sagen, dazu muss man sich jeden Bauplan im Einzelnen betrachten. Der Paragraf 34, wendet man ihn sehr streng an, was ich tue, kann im Einzelfall auch sehr einschränkend sein.“ Es gebe B-Pläne, die außerordentlich große Baufenster zuließen und gerade mal die Geschosshöhe regelten, genauso natürlich B-Pläne, die sehr detaillierte Vorgaben machen würden. Die Entwicklung in der Höhenstraße, wo längst nicht nur Max-Werner Kahl, von Haus aus Architekt, das Verhältnis von Baumasse zum Grünland ins „absolute Missverhältnis“ gerückt sieht, ist auch dem Ersten Stadtrat nicht entgangen. Hier gibt es jedoch einen neueren Bebauungsplan, informiert er, den die Politik vor noch nicht allzu langer Zeit (jedoch vor Amtsantritt des Ersten Stadtrats Odszucks) zugelassen hat. „Er macht genau diese bauliche Entwicklung möglich“, weiß der Erste Stadtrat. Hier nachjustieren zu wollen, könne sich die Stadt kaum leisten, da dann aufgrund fallender Grundstückswerte jede Menge Entschädigungszahlungen auf die Stadt zukommen würden.

„Solange ich hier bin, habe ich auf jeden Fall noch keine 34er-Klage verloren und das waren nicht wenige“, betont er. Natürlich müsse man sich die Mühe einer guten Argumentation machen. Auch mit dem Kreis habe er dabei um den einen oder anderen Bauplan gerungen. Allerdings sei die Angst der Bürger nachvollziehbar, denn das Phänomen einer „schleichenden Verdichtung“ gebe es tatsächlich, wenn eben an dieser Stelle keine strenge Umsetzung erfolge. Wenn der eine seinen Wintergarten genehmigt erhalte, sei der nächste zumindest mit dem Versuch, auf seinem Baugrundstück eine höhere Bautiefe zu erlangen, schnell bei der Hand. In jedem Fall hält der erste Stadtrat es für sinnvoll, im Rahmen des Stadtentwicklungskonzeptes an anderer Stelle, wo in Kronberg städtebaulich vielleicht noch Entwicklungspotenzial liegt, endlich politische Entscheidungen zu treffen und sie in einzelnen Bebauungsplänen festzugießen, um gerade im Zuge der gewerblichen Weiterentwicklung schnell handlungsfähig zu sein. Ob ein politisches „Ja“ oder ein „Nein“ zu weiteren baulichen Flächenausweisungen oder zur Nachverdichtung, wichtig sei ein klares Statement. (siehe Fläche „am Auernberg“ oder im Oberhöchstädter Gewerbegebiet).

Stadtentwicklungskonzept

Zur Zeit bemüht sich die Stadt Kronberg um einen möglichen Partner, um den Bürgerbeteiligungsprozess für die weitere Ausarbeitung des Stadtentwicklungskonzepts, dessen strategischen Ziele bereits stehen (wir berichteten) einzuläuten. „Zwei Angebote von namhaften Büros haben wir schon vorliegen, die wir zur Zeit noch prüfen.“ An dieser Stelle ein externes Fachbüro einzuschalten, sei notwendig, da den städtischen Verantwortlichen bei diesem sensiblen Thema oftmals die Neutralität aberkannt werde. „Eine Auftaktveranstaltung hierzu streben wir nach den Weihnachtsferien an“, so Odszuck.

Altstadtsatzung

Um Kronberg in seiner Einzigartigkeit gerade gerade innerhalb der Altstadt zu erhalten, will der Stadtrat für noch mehr Öffentlichkeitsarbeit sorgen. „Der Magistrat hat sich ganz klar dafür ausgesprochen, darauf zu achten, dass die Altstadtsatzung auch umgesetzt wird.“ Trotzdem gebe es einige Konflikte, weil die einige Hauseigentümer einfach nicht an die Satzung halten würden. „Es ist immer schwierig, eine Lösung zu finden, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, so Odszuck.

Deshalb appelliert er an die Altstadtbewohner, sich vorher zu informieren, was dort zulässig ist und was nicht. Wenn beispielsweise Fenster schon weithin sichtbar dass altehrwürdige Fachwerkhaus verunstalteten, sei er jedenfalls nicht gewillt, geschaffenen Fakten einfach zu akzeptieren.

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