Kronberger Geschichtssplitter
Aktuell
Kronberg (war) – Vor 150 Jahren wurde Kronberg am 1. November an die weite Welt angeschlossen, denn an diesem Tag – es war ein Sonntag – fuhr erstmals ein Zug von hier nach Rödelheim. Erste Bestrebungen, eine Eisenbahnverbindung von Kronberg nach Frankfurt einzurichten, sollen bis in das Jahr 1854 zurückgehen, doch unter der nassauischen Regierung tat sich letztlich nichts. Ein wichtiger Hinderungsgrund war sicherlich die zu dieser Zeit noch herrschende Kleinstaaterei mit ihren vielen Grenzen. Zudem war eine zu große Mobilität der eigenen Bevölkerung von den Regierungen oft gar nicht erwünscht.
„Gamechanger“ Preußen
Erst nachdem das gesamte Rhein-Main-Gebiet inklusive der Burgstadt im Jahr 1866 von Preußen annektiert worden war und sich eine Reihe wohlhabender Frankfurter mit dem nötigen Kapital und einflussreichem Netzwerk im Hintergrund zusammengetan hatte, war dem Projekt endlich Erfolg beschieden. Die „Frankfurter“ hatten großes Interesse daran, künftig zügig nach Kronberg zu gelangen, da sie hier zunehmend Landhäuser und Sommervillen unterhielten. Laut der Festschrift „100 Jahre Kronberger Eisenbahn 1874-1974“ bildete sich 1869 „ein Komittee zum Bau und Betrieb einer Lokalbahn von Cronberg nach Rödelheim“ auf privater Basis. Eine staatliche Förderung oder gar Beteiligung lehnte die preußische Regierung währenddessen jedoch auf Anfrage im selben Jahr ab. In Berlin war man wohl der Meinung, dass die reichen Frankfurter die Bahn ohne staatliche Hilfe im wahrsten Sinne des Wortes alleine zu Wege bringen konnten.
Gründung einer Aktiengesellschaft
Durch den deutsch-französischen Krieg 1870/71 kam die weitere Planung ohnehin erst einmal zum Erliegen. Im April 1872 gründete sich sodann eine Aktiengesellschaft zur Eigenfinanzierung des Bahnprojektes, das laut Festschrift seitens der Stadt Kronberg immerhin „durch die Zusicherung eines namhaften Betrags“ unterstützt wurde. Der Gemeinderat hatte zuvor im Februar 1872 die Zusicherung abgegeben „als der Zeitpunkt der Aktenzeichnung gekommen war“ für „50.000 fl. [fl. = Abkürzung für Gulden] als Actien für die Cronberger Eisenbahn zu zeichnen, mit der Bedingung, daß die Eisenbahn das ganze Jahr in Betrieb bleibt, namentlich daß im Winter mindestens zwei Züge hin- und hergehen und daß die Gemeinde nicht weiter zur Actienzeichnung herangezogen werde“. Dem Komitee, das zu guter Letzt ein Aktienkapital von rund 171.000 Gulden aufbringen konnte, gehörten unter anderem neben dem damaligen Ortsbürgermeister Georg Jamin der Geheime Kommerzienrat Jacques Reiss aus Frankfurt mit Villa in Kronberg, der Geheime Sanitätsrat Dr. Gustav Passavant aus Frankfurt ebenfalls mit Haus in Kronberg, Siegmund Kohnspeyer, Bankier aus Frankfurt mit Villa in Königstein seit 1867, Bankier Baruch Bonn mit Anwesen in Kronberg, Heinrich Burnitz, Architekt der Villa Reiss in Kronberg sowie der spätere Hofapotheker Wilhelm Neubronner aus Kronberg an. Jacques Reiss, seit 1864 Ehrenbürger der Stadt Kronberg, war mit 50.000 Gulden Aktienkapital der größte Aktionär neben der Stadt. Er war es auch, der den Bau der Bahn bis dato maßgeblich vorangebracht hatte. Eine Portion Eigennutz war da selbstverständlich dabei, hatte er sich als in Frankfurt sehr erfolgreicher Bankier und Geschäftsmann die von einem großen Park umgebene Villa Schönbusch in den Jahren 1864 bis 1866 im Renaissancestil vor den Toren Kronbergs erbauen lassen.
Am 14. August 1872 kam es in Frankfurt am Main im roten Zimmer des im zweiten Weltkrieg zerstörten Saalbaus in der Junghofsraße schließlich zur Gründung der „Cronberger Eisenbahn Gesellschaft“. Im nächsten Schritt erwarb die Aktiengesellschaft den notwendigen Grund zum Verlegen der Gleise und im Februar 1873 begannen laut Festschrift die Vermessungsarbeiten zwischen Kronberg und Rödelheim. Im Spätherbst 1873 startete die Installation der Schienen sowie der Bau der Bahnhöfe in Kronberg, Niederhöchstadt und Eschborn. In Kronberg wurde zusätzlich eine Dienstwohnung im Bahnhof eingerichtet. Das Verwaltungsgebäude der Gesellschaft befand sich in der Hainstraße. Schon gut ein Jahr später konnte am 5. Oktober 1874 dem Landrat schriftlich die Fertigstellung gemeldet werden. Von solchen Planungs- und Bauzeiten lässt sich heute nur träumen!
Von Beginn an rege Nachfrage
Anfangs war die ab Rödelheim genau 9,626 Kilometer lange Strecke mit einer Höhendifferenz von gut 100 Metern zwischen den beiden Endpunkten mit 10 Bahnübergängen bestückt. Wer weiter nach Frankfurt wollte, musste in Rödelheim in die Homburger Bahn umsteigen, die seit 1860 zwischen dem Main-Weser-Bahnhof in Frankfurt und der Kurstadt verkehrte. Vier Morseapparate dienten anfangs der Kommunikation zwischen Rödelheim und Kronberg. Zur Wasserversorgung der Lokomotiven wurde in Kronberg eigens der Schillerweiher angelegt. Zunächst hielten gemäß Festschrift zwei dreiachsige, 240 PS starke Lokomotiven, welche die Namen „Feldberg“ und „Altkönig“ trugen, die Verbindung aufrecht. Wenig später kam noch die „Cronberg“ hinzu.
Anfangs bot der Zeitplan auf der eingleisigen Strecke 4 Züge pro Tag in jede Richtung an. Ab 1875 erhöhte sich der tägliche Zugverkehr auf sieben in jede Richtung. Es standen Wagons mit der 1. bis 3. Klasse zur Auswahl. 1875 nahmen offiziell 371.000 Personen den Zug in Anspruch. Das waren mehr als 1000 Zuggäste pro Tag und zeigt, dass die Bahn von Beginn an gut angenommen wurde, denn nicht nur die „reichen“ Frankfurter nutzten die Bahn gerne, sondern bald auch die Kronberger. War es doch ab jetzt möglich, täglich zur Arbeit nach Frankfurt zu pendeln. Bis dahin waren zahlreiche Arbeiter und Handwerker zu Fuß am Sonntagnachmittag nach Rödelheim oder Frankfurt gelaufen, um in der Mainmetropole die Woche über für die Arbeit zu verbleiben und erst am Samstagnachmittag wieder in die Burgstadt für einen Tag zurückzukehren.