20.000 Euro für ukrainisches Jugendsymphonieorchester

Das Benefizkonzert der Kronberg Academy in der Stadthalle mit dem weltweit renommierten Cellisten Steven Isserlis (zweiter von links) war ausverkauft. Foto: Patricia Truchess

Kronberg (pf) – „Helft den jungen Musikern und ihren Familien!“ Mit dieser Bitte wandten sich die beiden aus der Ukraine stammenden Alumni der Kronberg Academy, der Geiger Valeriy Sokolov, der von 2009 bis 2011 bei Ana Chumachenko in Kronberg studierte, und der Cellist Aleksey Shadrin, der von 2016 bis 2020 in Kronberg von Frans Helmerson unterrichtet wurde, dieser Tage in einem Telefongespräch an Raimund Trenkler, den Gründer und Vorstandsvorsitzenden der Kronberg Academy Stiftung, der regelmäßig Kontakt zu den beiden in ihre Heimat zurückgekehrten Musikern hält.

Beide, berichtete er am Montagabend vor Beginn des Benefizkonzertes in der Stadthalle, sind inzwischen in den Westen des Landes geflüchtet. Beide mussten wie viele Menschen dort erleben, dass ihre Häuser beschossen und zerstört wurden. Am meisten aber habe ihn ihre Bitte um Hilfe für die Mitglieder des ukrainischen Jugendorchesters berührt: „Helft mit, dass sie nicht nur verpflegt werden, sondern auch Musik machen können.“

Zwischen zwölf und 22 Jahre alt sind die Mitglieder des 2017 von der ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv nach dem Vorbild und mit Unterstützung des deutschen Bundesjugendorchesters gegründeten Youth Symphony Orchestra of Ukraine, das im vergangenen Jahr mit dem sächsischen Mozartpreis ausgezeichnet wurde. Die musikalisch hochbegabten Kinder und Jugendlichen stammen aus allen Teilen des Landes.

In einem Interview mit mdr klassik am 1. März dieses Jahres erzählte die Dirigentin, die 2021 als erste Frau eine Premiere der Bayreuther Festspiele dirigierte und, wann immer sie kann, mit ihrem Jugendorchester arbeitet und auftritt, dass sie zwei Stunden lang mit Mitgliedern des Jugendorchesters gesprochen habe:

„Das sind über 70 Kinder, und die kommen aus zweiunddreißig Städten der Ukraine. Alle zehn Minuten musste einer schreiben: „Sorry, ich kann nicht mehr. Hier heulen die Sirenen. Wir werden aus der Luft angegriffen. Wir müssen in den Keller“. Und als dann die Frage kam, ob sie wenigstens ihre Instrumente mitnehmen könnten, sagten sie: nein. Ein Mädchen sagte, jedes Mal, wenn sie ihre Geige auspacke, habe sie Angst, sie könnte vielleicht nicht genug Zeit haben, sie wieder zurückzupacken. Diese Kinder haben Angst um ihr Leben. Bei einem anderen Mädchen ist ein Bruder geboren worden. Er ist vier Tage alt.“ 25 von diesen Kindern und Jugendlichen, berichtete Raimund Trenkler am Montagabend im bis auf den letzten Platz besetzten Saal der Stadthalle, befänden sich noch in ihrer Heimat, die anderen seien mit ihren Familien nach Slowenien geflohen. Dort seien sie in einem Musikcamp in Ljubljana untergekommen, wo sie auch gemeinsam musizieren könnten. Die Bitte um Hilfe und Unterstützung, sagte Trenkler, habe er an die derzeit bei der Kronberg Academy studierenden Musikerinnen und Musiker weitergegeben. Alle hätten sich sofort bereit erklärt, ohne Gage bei dem Benefizkonzert mitzuwirken. Das tat auch der weltbekannte britische Cellist und Freund der Kronberg Academy, Steven Isserlis, der der Ausbildungsstätte seit Jahren eng verbunden ist. Auf Gage verzichteten auch die weiteren Konzertbeteiligten wie Fotografen und Videofilmer. Bürgermeister Christoph König, der beim Konzert in der ersten Reihe Platz genommen hatte, stellte der Kronberg Academy für das Benefizkonzert den Saal der Stadthalle kostenlos zur Verfügung. „So kommt jeder Euro, den Sie für Ihre Eintrittskarte bezahlt haben, und jede weitere Spende ohne Abzüge den jungen Musikern und ihren Familien zugute“, wandte sich Trenkler an das Publikum.

„Es ist ein ernstes Programm“, sagte Professor Dr. Friedemann Eichhorn, Direktor der Studiengänge und künstlerischer Leiter, „alle Werke stehen in Moll.“ Aus den vielen Vorschlägen der Studierenden hätten sie eine Auswahl treffen müssen, um den Rahmen des Abends nicht zu sprengen. Zum Auftakt erklang das katalanische Volkslied „El cant dels ocells“ (Der Gesang der Vögel), mit dem der berühmte Cellist Pablo Casals seine Konzerte zu beenden pflegte, um seiner Trauer um die verlorene Heimat Ausdruck zu verleihen, bewegend interpretiert von den vier Cellisten Ivan Karizna, Anouchka Hack, LiLa und Minji Kim.

Es folgte der erste Satz, Allegro non troppo, der Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll op. 40 von Dmitri Shostakovich, der unter dem Stalin-Regime viele Jahre lang in Todesangst leben musste, gespielt von Minji Kim und der Pianistin Julia Hamos. Lara Boschkor, Violine, und Martina Consonni am Flügel folgten mit dem ersten Satz, Allegro, der Sonate für Violine und Klavier d-Moll op. 108 von Johannes Brahms, einem Werk voller Melancholie und Klage. Den zweiten Satz, Andante con moto tranquillo, aus dem Klaviertrio d-Moll op. 49 von Felix Mendelssohn Bartholdy, beginnend mit einem wehmütig-zarten Thema, gestalteten einfühlsam und temperamentvoll Stephen Kim, Violine, LiLa, Violoncello, und Julia Hamos, Klavier.

Unter die Haut ging das Werk „Lamentatio“ des italienischen Komponisten und Cellisten Giovanni Sollima, das dieser, wie Friedemann Eichhorn zu Konzertbeginn erläuterte, im Gedenken an den Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg komponierte, durchaus übertragbar auf die jetzige Situation, wie er meinte. Interpret Ivan Karizna begleitete sein Cellospiel dabei mit bewegenden, klagenden Tönen seiner Stimme.

Den ersten Satz aus Peter Tchaikovskys Klaviertrio a-Moll op. 50 gestalteten Stephen Waarts, Violine, LiLa, Violoncello, und Julia Hamos, Klavier, ehe Steven Isserlis als letztes Werk Ernest Blochs „Prayer“ aus der Suite „From Jewish Life“ vortrug. Darin vertraut der Komponist dem Cello die tief bewegende Melodie eines jüdischen Gebetsgesangs an.

Zum Ausklang des Benefizkonzerts erklang die ukrainische Nationalhymne „Schtsche ne wmerla Ukrajina“ von Mychajlo Werbyzkyj, zu der sich alle Mitwirkenden auf der Bühne versammelten, um sie gemeinsam zu spielen. Und zu der sich das Publikum von seinen Plätzen erhob und auch nach dem Verklingen des letzten Tones still stehenblieb. Ein überzeugendes Zeichen der Anteilnahme, aber auch des Protests gegen den völkerrechtswidrigen Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine. Das Benefizkonzert erbrachte aus dem Verkauf der Eintrittskarten und aus den am Ende des Konzerts gesammelten Spenden knapp 20.000 Euro. 10.000 Euro davon spendete die Crespo-Foundation. Alle Erlöse kommen direkt dem Youth Symphony Orchestra of Ukraine zugute. Aktuell gehen noch weitere Spenden ein. Wer sich diesen Spendern noch anschließen möchte, kann dies gerne tun unter folgender Nummer des eigens hierfür eingerichteten Spendenkontos: DE83 5125 0000 0055 0126 79.



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