Kronberg (kb) – „Vielen Dank für diese wunderbare Ausstellung, die hoffentlich von vielen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften besucht werden wird“, schrieb Schulleiter Martin Peppler nach seinem Besuch anlässlich der Eröffnung ins Gästebuch und formulierte damit, was sich die Klasse 10Ga der Kronberger Altkönigschule wünschte: Einen Kästner erfahren zu können, den man so bisher nicht kannte.
Fragt man Lehrkörper wie Schülerschaft nach Erich Kästner, so kommt allen – erfreulicherweise auch den ganzen jungen Pennälern – eins in den Sinn: seine Kinderbücher. Und zu Recht: Denn mit „Emil und die Detektive“ gelang ihm im Jahr 1929 im Alter von dreißig Jahren der literarische Durchbruch, zu dem die bekannte Verfilmung zwei Jahre später, an deren Drehbuch er selbst und der große Regisseur Billy Wilder mitschrieben, einen großen Beitrag leistete. Nicht wenige kennen auch das Filmdrama „Kästner und der kleine Dienstag“ von Wolfgang Murnberger (aus dem Jahr 2016), das die Freundschaft zwischen Kästner und seinem jungen Bewunderer Hans-Albrecht Löhr erzählt, der in der Erstverfilmung tatsächlich mitgespielt hat.
Inspiration in Dresden
Deutschlehrer Patrick Grahl kam die Idee, das Projekt der 10Ga anzustoßen, nachdem er die Ausstellung im „Erich Kästner Haus für Literatur“ in der Dresdener Neustadt während der Osterferien besucht hatte. Ihm war klar, dass solch eine Gelegenheit so schnell nicht wiederkommen sollte: der 125. Geburtstag und 50. Todestag des Dichters in ein und demselben Jahr. Also beschloss er, seine Idee der Lerngruppe vorzustellen. Seine Schülerschaft war unter anderem davon angetan, da die Jugendlichen während des Projekts in Zweier- und Dreierteams schöpferisch aktiv werden konnten, um eine Ausstellung nach eigenen Vorstellungen zu formen. Die Exposition sollte informativ und zugleich nicht zu textlastig sein, mit digitalen interaktiven Elementen. Fantasievoll nicht banal und „ganz nahe am Leben Erich Kästners orientiert. Ein Parcours zum Anfassen, Mitmachen und Staunen. Deutschlehrer Grahl war von der Arbeit der Schülergruppe sehr beeindruckt. Jede und jeder der 25 Schülerinnen und Schüler konnte tatsächlich spontan und fachkundig Auskunft über die eigene Station geben. Beispielsweise über Kästners bescheidene Kindheit in der Dresdner Neustadt, sein inniges, aber nicht ganz einfaches Verhältnis zu seinem „Muttchen“ Ida, zu vielen seiner Kinderbücher oder zu seiner Studien- und Promotionszeit in Leipzig. Diese inspirierte drei Schüler - das „internationale Trio der 10Ga“ - zu etwas Besonderem. Sie übersetzten die deutsche Version eines Kästner-Briefs an seine Mutter. Die amerikanische Gastschülerin Kiyora formulierte ins Englische, der ukrainische Mitschüler Bohdan sowohl ins Ukrainische als auch ins Russische. Andere Stationen mit Inhalten, die der Allgemeinheit womöglich nicht ganz so bekannt sind, kamen ebenso zur Sprache. Es ging um den jungen Rekruten Kästner, der im Ersten Weltkrieg nicht nur zum überzeugten Pazifisten, sondern auch auf einem Ohr taub wurde. Den Rekruten, der alles Militärisch-Autoritäre ablehnte, der im Herbst 1933 auf dem Opernplatz in Berlin miterleben musste, wie sein „Fabian“ (Roman aus dem Jahr 1931) von Studenten in vorauseilendem Gehorsam verbrannt wurde oder der während des Nationalsozialismus – der Not gehorchend – nur heitere Unterhaltungsromane veröffentlichen oder unter Pseudonym für die UFA Filmdrehbücher verfassen durfte. Auf die Frage, warum er im Unterschied zu fast allen seinen regimekritischen Kollegen nicht emigrierte, antwortete Kästner einst in einem Epigramm: „Ich bin wie ein Baum, der, in Deutschland gewachsen, wenn’s sein muß, in Deutschland verdorrt.“ Nach dem Krieg zog es ihn nach München, wo man ihm die Leitung des Feuilletons der „Neuen Zeitung“ antrug. Im Jahr 1949 erschien sein erster Roman der Nachkriegszeit. „Die Konferenz der Tiere“ war sein pazifistisches Vermächtnis. Der Geist der Zeit, die sogenannte Deutsche Restauration nach der Währungsreform im Jahr 1948, rief erneut den politischen Kästner aufs Parkett. Mit der Gründung der „Kleinen Freiheit“ wird er zum Kabarettisten, Satiriker und Kritiker der jungen Bundesrepublik. Literarisch gesehen muss die Zeit ab den späten 1950er Jahren dann jedoch als eher unproduktiv erachtet werden: Kästner verliert sich in zahllosen Affären, wird Vater des nicht ehelichen Sohns Thomas und erkrankt leider nicht nur an Leib, sondern auch am Alkohol. Manche Kolleginnen und Kollegen besuchen die Ausstellung sogar mit mehreren Gruppen: „Da ich wirklich begeistert bin, habe ich spontan beschlossen, noch mal hierher zu kommen.“, erklärte Lehrerin Bettina Winterling. Besonders erfreulich ist für die Zehntklässler auch das, was Lehrerin Violeta Hollmeier sie wissen ließ: „Die Kinder meiner Intensivklasse konnten vieles verstehen und interaktiv tätig werden“. Gymnasialzweigleiterin Alexandra Reiß bringt auf den Punkt, was mit der Ausstellung intendiert war: „Herzlichen Dank, ich habe einiges über die Person Erich Kästner dazugelernt.“ Und Klassenlehrerin Katharina Klotz schrieb als Letzte ins Gästebuch: „Das habt ihr ganz großartig gemacht! Sehr schön!“ – freudiges Quietschen der 10Ga. „Es gibt [eben] nichts Gutes, außer man tut es.“