Kronberg (mw) – Per Infopost haben sich die Eltern des CDU-Bürgermeisterkandidaten Andreas Becker, Christa und Robert Becker, an die Bewohnerinnen und Bewohner des Altkönig-Stifts gewendet. Viele ihrer Nachbarn hätten sie im Vorfeld schon angesprochen, heißt es in dem Brief, der über den offiziellen Postweg im Altkönig-Stift schließlich in den Briefkästen der Bewohnerinnen und Bewohner gelandet ist, zu ermöglichen, „unseren Sohn Andreas Becker als CDU-Bürgermeisterkandidaten für Kronberg persönlich näher kennenzulernen“. Dies sei aber wegen der Corona-Pandemie nicht möglich. „Deshalb hatte ich diese Idee, dass sich mein Sohn in einem Brief vorstellt“, erklärt Robert Becker. „Mit dem Altkönig-Stift war abgesprochen, dass ich keine Wahlwerbung in den Briefkasten werfen darf“, bestätigt er. „Das habe ich ja auch nicht gemacht“, sagt Robert Becker, der nicht versteht, was daran falsch sein soll, den Bewohnerinnen und Bewohnern per Brief seinen Sohn vorzustellen. Seinem Schreiben ist ein zweiseitiger Brief seines Sohnes beigefügt, in dem er sich vorstellt und „spezielle“ fünf Punkte „für die geschätzten Seniorinnen und Senioren“ verspricht, die er für sie umsetzen will. Dazu zählen für ihn die Verbesserung der Anbindung der Seniorenwohnanlagen sowie eine nachhaltige Pflege der Wald- und Spazierwege und das Angebot regelmäßiger Sprechstunden des Bürgermeisters im Altkönig-Stift.
Neutralität wahren
Thekla Thiede-Werner vom Vorstand des Altkönigs-Stifts erklärt im Gespräch mit dem Kronberger Boten, sie habe Robert Becker auf dessen Nachfrage mitgeteilt, dass sie keine Wahlwerbung im Haus wünsche. Thiede-Werner bestätigt weiter, dass die Wahlwerbungsbriefe über die öffentliche Post zugestellt wurden. Das interne Telefonverzeichnis stehe jedem Bewohner des Altkönig-Stifts zur Verfügung. Adressen nach außen an die Kandidaten habe man nicht vergeben, da man „neutral bleiben wolle“.
Thekla Thiede-Werner macht klar: „Wir möchten nicht, dass in unserem Hause politische Wahlwerbung gemacht wird.“ Dies sei ein Beschluss, den es schon zu Zeiten der letzten Kommunalwahl 2016 gegeben habe. Zuvor hatte die Wahlwerbung im Haus so zugenommen, dass sich die Bewohner beschwerten und man sich auf diese Vorgehensweise einigte.
Man wolle aber keineswegs die Bewohnerinnen und Bewohner abschirmen. Sinn und Zweck sei nur, möglichst für alle Parteien oder jetzt die Bürgermeisterkandidaten gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen. Normalerweise bedeute dies eine politische Veranstaltung, zu der alle Parteien oder eben die Bürgermeister-Kandidaten eingeladen würden, um sich und ihre Ziele vorstellen zu können. „Dazu gab es aber von keiner Seite eine Anfrage“, betont Thiede-Werner, und in Zeiten von Covid und zusätzlich noch einer Großbaustelle im Haus, also ohne den Festsaal als Veranstaltungsraum nutzen zu können, sei das derzeit auch kaum umsetzbar gewesen. Thiede-Werner betonte außerdem, dass man keine Bewohner-Adressen herausgegeben habe und auch in Zukunft nicht herausgeben werde.
Unfairer Vorteil
Robert Becker und seine Frau hatten als Bewohner Zugang zu dem Telefonverzeichnis des Hauses und damit zu den Adressen ihrer Mitbewohner. „Und genau, indem Andreas Becker mit Hilfe seiner Eltern das interne Telefonverzeichnis des Altkönigstifts zum Adressieren von Wahlwerbebriefen verwendet“, so empfindet es der unabhängige Bürgermeisterkandidat Christoph König jedenfalls, „hat er sich einen unfairen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern verschafft – gerade weil er wusste, wie streng das Altkönigstift die Wahlwerbung reglementiert.“
„Ich finde an dieser Unterstützung nichts Ehrenrühriges“, erklärt Andreas Becker selbst in einer Stellungnahme zu seinem Vorgehen und dem seiner Eltern. „Im Gegenteil dazu bedeutet familiäre Unterstützung für mich eine Selbstverständlichkeit, und Familie sollte als Keimzelle unserer Gesellschaft füreinander eintreten und zusammenhalten, gleichermaßen im privaten Umfeld wie auch im Wahlkampf.“ Diese von seinen Eltern vorgelebten Werte habe er verinnerlicht und entsprechend lebten er und seine Frau sie auch ihrem Sohn vor. „Familie darf und sollte auch füreinander werben können“, findet Becker. „Jeder, der meinen Vater kennt, weiß, dass er sich mit einer klaren Haltung über viele Jahrzehnte politisch und sozial engagiert hat. Daher ist es meiner Auffassung nach völlig in Ordnung, wenn er für mich wirbt, zumal in seinem Schreiben weder Unehrenhaftes und Beleidigendes noch Abwertendes über meine Mitbewerber steht.“
„Ich halte dies für rechtlich völlig in Ordnung“
Becker weiter: „Kritisiert wird auch, dass mein Vater diesen Brief an Nachbarn geschrieben hat, die den Brief nicht haben wollten. Ich halte dies für rechtlich völlig in Ordnung. Sollten dies meine Mitbewerber anders sehen, können sie den Sachverhalt gerne rechtlich überprüfen lassen“, geht er auf Konfrontationskurs zu ihnen.
Andreas Beckers Vater Robert Becker räumt ein, ein Bewohner habe sich bei ihm über den Brief beschwert. „Es haben mich aber auch 35 Personen angesprochen und dafür bedankt“, sagt er. „35:1, das ist doch eine klare Entscheidung.“ Beckers Vater hatte in dem Schreiben auch Hilfe bei der Beantragung der Briefwahl-Unterlagen angeboten, nachdem klar wurde, dass die Stadt Kronberg aufgrund der Corona-Krise ein öffentliches Wahllokal nur im Haus Altkönig, nicht jedoch in den Seniorenwohnstiften selbst einrichten würde.
„Von meinem Angebot wird nach wie vor rege Gebrauch gemacht“, so Robert Becker. „Viele Bewohner freuen sich darüber, dass ich ihnen helfe, ihre Briefwahlunterlagen zu erhalten. „Ich halte im Übrigen nichts davon, dass wir hier politisch so abgeschirmt werden. Mir gefällt diese Regelung nicht. Wir wollen genauso wie alle anderen am politischen Leben teilhaben“, fügt er hinzu.
Das Angebot von Robert Becker, den Bewohnern des Altkönigstifts beim Beantragen der Briefwahl zu helfen, findet BM-Kandidat König „grenzwertig“. „Wer anderen hilfsbedürftigen Menschen beim Ausüben des Wahlrechts hilft, darf nach meiner Überzeugung kein eigenes Interesse am Ausgang der Wahl haben“, argumentiert König, der von der SPD, den Grünen und der UBG unterstützt wird. „Schon das Gefühl des Wählers, dem Helfer verpflichtet zu sein, beeinträchtigt seine freie Entscheidung. Deshalb halte ich solche Hilfsangebote aus den Reihen der Kandidaten oder ihrer direkten Unterstützer für deplatziert.“
Undemokratisch und enttäuschend
Die FDP-Bürgermeisterkandidatin Kristina Fröhlich kann das Vorgehen der Familie Becker kaum fassen: „Das macht man einfach nicht, ich dachte, wir haben einen fairen Wettbewerb, aber den haben wir nicht!“ Fröhlich hält das Wettbewerbsverhalten des CDU-Kandidaten für „undemokratisch und enttäuschend“. „Wenn jemand die ganze Zeit von Respekt, Toleranz und fairem Wahlkampf spricht und dann so handelt, passt das nicht zusammen. Ich bin enttäuscht von der Person Becker“, fügt sie hinzu und fragt: „Für wie naiv hält Becker eigentlich die Seniorinnen und Senioren?“
Thekla Thiede-Werner hat den beiden aus ihrer Sicht benachteiligten Bürgermeisterkandidaten Christoph König und Kristina Fröhlich das Angebot gemacht, am Empfang Flyer mit Informationen über sich und ihr Wahlprogramm auszulegen, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner über alle drei Kandidaten gleichermaßen informieren können.
Wie der stellvertretende Wahlleiter Michael Kauth mitteilte, wird es aller Voraussicht nach im Altkönig-Stift und auch im Rosenhof einen sogenannten beweglichen Wahlvorstand geben. Dadurch hätten die Seniorenstift-Bewohner die Möglichkeit, am Wahltag dort ihren Wahlschein abzugeben. „Aber auch dieser muss, genauso wie die Briefwahlunterlagen, zuvor beim Wahlamt betragt werden“, erklärt Kauth. Zur Vereinfachung für die Senioren sei das aber über eine „Sammelliste“, die die Seniorenwohnstifte erstellen können, möglich. Er sei nicht mit der Wahlbenachrichtigung zu verwechseln, mit der Wähler am Wahltag in ein festgelegtes öffentliches Wahllokal geht, um seine Stimme abzugeben.