„Das Beste aus allem machen“ – Mutige und zufriedene Senioren in der Tagespflege

Maria Wagner, Hildegard Nitsch und Peter Harr bei der „sportlichen Sache“, die erkennbar auch unterhaltsam ist. Fotos: Göllner

Kronberg (mg) – Eines vorab: Ziel der Tagespflege des Kreisverbands Hochtaunus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Walter-Schwagenscheidt-Haus in Kronberg – schräg gegenüber dem DRK-Altenwohn- und Pflegeheim-Komplex „Kaiserin-Friedrich-Haus “–ist es, den bereits älteren und hilfebedürftigen Menschen bei Krankheit, physischen Einschränkungen oder Pflegebedürftigkeit die Option anzubieten, so lange wie möglich in den „eigenen vier Wänden“ weiterleben zu können. Dort geschieht dies dann meistens mit verwandtschaftlicher oder externer Unterstützung. Für pflegende Angehörige stellt die Verweildauer der genannten Personengruppe in der Tagespflege eine zeitliche und auch private Entlastung dar, die sowohl für Alltägliches als auch Persönliches genutzt werden kann. Auch aus diesem Grund verlängert sich die Möglichkeit, dass Menschen in ihrem häuslichen Umfeld bleiben können, da die pflegenden Personen „einfach länger durchhalten“, denn jede und jeder hat seine Grenzen. Selbst dann, wenn man bereit ist, alles zu geben, was möglich ist. Und sogar darüber hinaus. Zugleich ist es für die Menschen, die die Tagespflege in Anspruch nehmen, eine abwechslungsreiche, unterhaltsame und produktive Alternative, den Tag zu nutzen. Das hat ebenfalls zur Folge, dass Menschen länger das körperliche und geistige Niveau erhalten oder meistens sogar verbessern.

Hemmschwelle

„Es kostet viele Menschen erst einmal Überwindung, bei uns vorbeizuschauen“, erklärt lächelnd, gleichzeitig verständnisvoll Jasmin Berghaus, Leiterin der Tagespflege und des Sozialen Dienstes vor Ort. Oft mischten sich Scham, Ängste und ein durch das viele Alleinsein entstandene Phlegma zu einer negativen Gemengelage beim Individuum, die es verhindert, solche Angebote anzunehmen. Wenn die Menschen jedoch erst mal da wären, fühlten sie sich meistens sehr schnell wohl und erlebten es als Bereicherung ihres Alltags. Erste Schritte können ein kostenloses Beratungsgespräch und auch eine „Schnupperstunde“ sein, bei der sich die Interessenten die Räumlichkeiten und Begebenheiten erst einmal in Ruhe anschauen und auf sich wirken lassen können.

Struktur der Tagespflege

Zwölf Frauen und Männer können in der Tagespflege vor Ort betreut werden, ein wichtiger Bestandteil der teilstationären Pflege in Kronberg. Es können gleichzeitig auch Menschen aus Nachbarkommunen dieses Angebot in Anspruch nehmen, beispielsweise aus Oberursel, Steinbach, Königstein, Bad Homburg oder auch angrenzenden Orten aus dem Main-Taunus-Kreis wie Bad Soden. Man kann sich für nur einen Tag oder für bis zu fünf Tage in der Woche entscheiden im täglichen Zeitfenster zwischen 8 und 16.30 Uhr. An diesem Freitag sind es zehn Menschen, die die Tagespflegeeinrichtung besuchen. Freitags ist immer Sport angesagt. In einem hellen, großzügig geschnittenen und mit Tageslicht durchfluteten Raum sitzen sechs Frauen und vier Männer gehobenen Alters um 11.30 Uhr in einer Runde und warten, dass es losgeht. Es sind bis auf eine Dame alles Menschen, die mal mehr, mal weniger auch mit dem Thema Demenz zu tun haben. Das Kurzzeitgedächtnis und die Merkfähigkeit sind beeinträchtigt, im weiteren Verlauf wird auch das Langzeitgedächtnis geschwächt. Folge ist das Verschwinden von erlernten Fähigkeiten, in unterschiedlichem individuellen Ausmaß. So ist auch die Zusammensetzung der zehn Besucher an diesem Vormittag diesbezüglich verschieden. Eine Dame, die körperlich noch einen sehr guten Eindruck macht, einmal sehr aktiv im Berufsleben stand und auch ansonsten recht lebensfroh und wach wirkt, ist bereits mit Pflegegrad vier eingestuft, auf einer Skala von eins bis fünf – und zwar wegen ihrer Erkrankung an Demenz. Eine andere Dame neben ihr im Sessel sieht sehr schläfrig aus, ab und zu fallen ihr schon die Augen zu. Ihre Mimik wirkt, als ob sie deutlich weniger am Geschehen Anteil nimmt. Das soll sich jedoch gleich ändern. Andere unterhalten sich lebhaft, eine Dame ist zum ersten Mal da und berichtet von ihrem Lebensweg. Gemeinsam haben alle, dass sie auf die Trainerin warten, die sie jeden Freitag mit Motivation, Musik, Zugewandtheit, Humor und Herz eine Stunde vor allem körperlich, aber auch in der Synergie geistig mit Übungen und Aufgaben beschäftigt und so gut wie immer auch erfreut, oft genug auch zum Lachen bringt. Tatkräftig und erfahren, gleichzeitig nicht aufdringlich wird das gesamte Geschehen von den beiden Pflegerinnen Birte Kavin Njamsi und Sylvia Barthe unterstützt.

„Sportlich die Sterne vom Himmel holen“

Barbara Gürsching ist zertifizierte Fitness-Trainerin, auch für Reha-Sport, und kommt von der Turngemeinde Schwalbach. Sie übt diese ehrenamtliche Tätigkeit schon lange aus, und zwar mit Menschen unterschiedlichen Alters, vermittelt der Redaktion jedoch, dass ihr die älteren und alten Menschen schon sehr früh „am meisten Freude bereiteten“. Der Umgang mit ihnen sei sehr sinnstiftend und auch bereichernd. Bereichernd in dem Sinne, dass der große Erfahrungsschatz dieser Menschen oft genug interessant und auch inspirierend sei. „Es ist für mich eine wirkliche Herzensangelegenheit“, ergänzt Gürsching. Zu Beginn wird stets gemeinsam ein Lied zur Begrüßung gesungen, das viele schon gut kennen: „Wie schön, dass heute Freitag ist…“. Die Liedtexte werden dennoch ausgeteilt und „Chorleiter Josef“ stimmt an, er ist selbst Besucher der Tagespflegeeinrichtung. Nach der Übung mit den Stimmbändern beginnt das Training an sich. Während musikalischer Stücke wie „Dancing Queen“ von Abba und „Raindrops keep falling on my head“ von B.J. Thomas finden Koordinations- und Muskelaufbauübungen statt, den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Gäste in der Tagespflege angemessen und entsprechend. „Jetzt holen wir uns die Sterne vom Himmel“, ruft eine ältere Dame und lacht dabei, während „Barbara“, wie sie hier alle nennen, Dehnübungen für die Arme und den oberen Rückenbereich anleitet. Hierbei werden beide Arme abwechselnd zur Raumdecke gestreckt. Man registriert in der Tat, dass alle Beteiligten gerne mitmachen, dass es ihnen gut tut und dass sie dieses Element der Tagespflege schätzen. Nach einer Stunde wird nach vielen Übungen, teilweise mit Bällen, und viel Kommunikation musikalisch mit dem Stück „Una Mattina“ von Ludovico Einaudi das Ende der Kurseinheit eingeleitet; das Stück ist bekannt aus dem Film „Ziemlich beste Freunde“. Sanfte Klavierklänge begleiten die Entspannung zum Finale des sportlichen Tagewerks. Jasmin Berghaus berichtet im Anschluss, dass sich die Kondition der Teilnehmer durchaus steigert: „Als wir mit dem Reha Sport in dieser Gruppe begannen, dauerte ,die Stunde‘ ungefähr 20 Minuten. Danach waren die Teilnehmenden bereits erschöpft. Mittlerweile halten alle eine volle Zeitstunde gut durch.“ Das habe gewiss auch positive Auswirkungen auf die Psyche, das Organ Gehirn und das damit verbundene Gedächtnis. Draußen, direkt vor dem offenen Wohn- und Küchenbereich der Tagespflegeeinrichtung, ist der Außenbereich samt Spielplatz der ebenfalls zum Komplex gehörenden Kindertagesstätte „Kita Victoria“ angelegt. Spielende Kinder laufen lächelnd umher. „Während der warmen Jahreszeiten und wenn die Terrassentür offen steht, kommen die Kinder auch mal – nach Absprache mit den Erzieherinnen – vorbei, unterhalten sich mit den Menschen in der Tagespflege und stellen neugierig viele Fragen“, erwähnt Berghaus. Sowohl Kinder als auch Senioren hätten daran viel Vergnügen. In diesen Momenten ähnelt das Geschehen sogar vermutlich einem Mehrgenerationenhaus. „Außerdem kommt auch einmal im Quartal ein mobiler Streichelzoo vorbei“, lacht die Leitung der Tagespflege und freut sich darüber. Es ist eine Menge los und es wird auch allerhand geboten.

Alzheimer Stiftung

Die Besuche des Zoos, der mit Kaninchen, Meerschweinchen, Mäusen, Zwerghühnern, aber auch Ziegen und Minischweinen anreist, werden von der Alzheimer Stiftung Kronberg e.V. finanziert, die auch den Start der Tagespflegeeinrichtung für die ersten drei Monate unterstützte, damit „das Ganze entspannter zum Laufen“ gebracht werden konnte. Die Vorsitzende der Stiftung, Brigitte Möller, freut sich selbst sehr über all die positiven Effekte, die die Stiftung ermöglicht: „Was den mobilen Zoo angeht, es sind oft die „einfachen Dinge, die den Menschen gut tun. Dazu gehört auch der Kontakt zu Tieren. Mit ihnen kann man auch kuscheln, sie sind etwas für‘s Herz. Dadurch werden auch positive Erinnerungen abgerufen, was beim Thema Demenz sicherlich förderlich für das Bewusstsein der Menschen ist. Und die Kinder aus der Kita im Haus kommen auch in den Genuss. Kurzum: Tiere sind Türöffner. Das Gleiche kann Musik bewirken – auch hier finanziert die Stiftung alle zwei Monate eine Musikgruppe, die Kaffeehausmusik spielt, was jedes Mal ein Erfolg ist.“

Teilnehmerinnen

Maria Wagner und Hildegard Nitsch sind zwei der Teilnehmerinnen des Tagepflegeprogramms des Kaiserin-Friedrich-Hauses. Im Gespräch mit der Redaktion geben sie unumwunden an, dass sie es „hier“ sehr mögen. Maria Wagner wohnt in der Nachbarschaft; es täte ihr gut, einen temporären „Tapetenwechsel“ zu haben. Sie fühle sich hier wohl, und die Bewegung freitags fände sie auch gut. Es sei eine positive Entwicklung für sie und sie sei froh, dass „sie hier gelandet sei“. Hildegard Nitsch kam über die Empfehlung einer Bekannten, deren Ehemann in der Tagespflege war. Sie selbst hätte aufgrund ihrer Schwierigkeiten mit ihrer Hüfte weniger soziale Kontakte und käme hier „gut zurecht“. Auf die Frage der Redaktion, ob sie denn nach dem Sport erschöpfter sein, antwortet sie, dass sie keine zusätzliche Mittagsruhe brauche, sie spiele dann lieber Schach mit einem anderen Besucher der Tagespflege. Dabei lächelt sie charmant. Für Menschen wie die beiden Teilnehmerinnen sind auch Außenaktivitäten wie Spaziergänge im Garten des Kaiserin-Friedrich-Hauses möglich. Bedarfsgerechte Angebote werden kontinuierlich gestaltet.

Informationsfilm auf der Internetseite

Knapp zwei Minuten sind in einem Informationsfilm über die Tagespflege filmisch in Szene gesetzt und beschreiben die Atmosphäre des Tagespflegeangebots. Zu finden sind die bewegten und bewegenden Bilder und viele Informationen mehr auf der Internetseite https://tagespflege.kaiserin-friedrich-haus.de, integriert in den gesamtem Online-Auftritt des Kaiserin-Friedrich-Hauses des Deutschen Roten Kreuzes: www.kaiserin-friedrich-haus.de. Es kommen Angehörige von Besucherinnen und Besuchern der Tagespflege zu Wort. Formulierungen wie „ein zweites Zuhause“ werden getroffen und beschreiben das soziale, warmherzige und dem Menschen zugewandte Klima der Einrichtung; „ein Segen für mich, meine Mutter und die ganze Familie“, formuliert es die Tochter einer Frau, die vom Tagespflegeteam des Kaiserin-Friedrich-Hauses betreut wird. Träger des gesamtem Komplexes ist das Deutsche Rote Kreuz des Kreisverbands Hochtaunus: www.drk-hochtaunus.de.

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