Kronberg (pf) – „Was zaghaft beginnt, findet zwei Tage später ein fulminantes Ergebnis“, versprach Raimund Trenkler, Gründer und Intendant der Kronberg Academy, als er Freitagnachmittag elf junge Musiktalente im Teenageralter, drei bereits international bekannte Nachwuchskünstler, als Dozenten und das zu den ersten der öffentlichen Proben erschienene Publikum im Carl Bechstein Saal des Casals Forums zum Kammermusikworkshop „Mit Musik – Miteinander“ begrüßte.
Bereits zum 42. Mal fand am vergangenen Wochenende die „kleine Schwester“ des international renommierten Kammermusikprojektes „Chamber Music Connects the World“ der Kronberg Academy statt, initiiert von der vor vier Jahren viel zu früh verstorbenen Musikliebhaberin und Mäzenin Ulrike Crespo und finanziert von ihrer Crespo Foundation. Und er hatte nicht zu viel versprochen: Was die jungen, bestens vorbereitet nach Kronberg angereisten Schülerinnen und Schüler, alle Bundespreisträger der Wettbewerbe „Jugend musiziert“ in Deutschland, „prima la musica“ in Österreich und des schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs, nach nur zwei Tagen intensiver gemeinsamer Probenarbeit beim Abschlusskonzert im großen Saal des Casals Forums präsentierten, riss das Publikum zu Standig Ovations und Bravo-Rufen hin.
„Wir leben in einer Zeit, in der immer weniger einander zugehört wird“, beklagte Trenkler. Dabei sei Zuhören die Grundlage des Miteinanders, ihre wunderbarste Form die Kammermusik. Wenn einer gewinnt, müsse normalerweise ein anderer verlieren. Bei der Kammermusik aber sei das anders, da gebe es eine Win-Win-Situation, und das Ergebnis sei immer mehr als die Summe der Einzelteile.
Schöner als beim musikalischen Ausklang am Sonntagnachmittag im großen Saal des Casals Forums war das kaum zu erleben. Kaum zu glauben, dass sich die elf Teenager, drei Jungen und acht Mädchen, und ihre Dozenten, die deutsche Geigerin Anne Luisa Kramb, der 1990 in Georgien geborene Bratschist Georgy Kovalev und der 1994 in Frankreich geborene Cellist Aurélien Pascal, vorher noch nie begegnet waren. Ihr Zusammenspiel, ihr aufeinander Hören und miteinander Agieren im Quartett, Quintett und Sextett erlebte das Publikum wie aus einem Guss.
Dass Anne Luisa Kramb, jüngste im Dozententeam, vor genau zehn Jahren selbst als Schülerin bei „Mit Musik – Miteinander“ dabei war, damals gerade einmal zwölf Jahre alt, macht die Generationenkette deutlich, die Raimund Trenkler als eine seiner liebsten Ideen bezeichnete: Dass die oft nur wenig älteren, aber inzwischen schon international erfolgreichen Künstlerinnen und Künstler das, was sie selbst einmal während ihrer Ausbildung und bei „Chamber Music Connects the World“ erfuhren, an ihre jungen Ensemble-Mitglieder weitergeben.
Die drei Dozenten hatten Werke ausgewählt, die sie selbst zu Beginn ihrer Ausbildung studiert hatten und die ihnen daher viel bedeuten. Cellist Aurélien Pascal hatte den ersten Satz aus dem Streichquartett F-Dur von Maurice Ravel ausgesucht, mit dem das Abschlusskonzert begann, und den vierten Satz aus dem Streichsextett Nr. 1 B-Dur op. 18 von Johannes Brahms, mit dem das Konzert endete. Bratschist Georgy Kovalev, der als zweiter Dozent mit seinem Ensemble die Bühne betrat, hatte, wie er sagte, zwei Meisterwerke ausgewählt, den ersten Satz aus dem sechsten Streichquartett f-Moll op. 80 von Felix Mendelssohn Bartholdy, das letzte Werk des Komponisten, das dieser nach dem plötzlichen Tod seiner Schwester Fanny Hensel komponierte, ein Stück voller Trauer und Emotionalität, und den vierten Satz aus Franz Schuberts Streichquintett C-Dur, ebenfalls eines der letzten Werke des Komponisten, das erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde.
Geigerin Anne Luisa Kramb hatte aus dem Streichquintett Nr. 2 B-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy den dritten Satz Adagio e Lento ausgesucht, mit dem sie selbst vor zehn Jahren im Abschlusskonzert von „Mit Musik – Miteinander“ aufgetreten war, dazu den dritten Satz Scherzo und den vierten Satz Finale: Allegro aus dem Streichquartett G-Dur op. 33 Nr. 5 von Joseph Haydn. Früher, bekannte sie, habe sie Haydn langweilig gefunden. Seit sie aber seine Sinfonien näher kennengelernt habe, sei sie ein richtiger Haydn-Fan geworden und hoffe, ihre jungen Mitspielerinnen und Mitspieler mit ihrer Begeisterung anstecken zu können.
„Wir haben in den Proben alle Möglichkeiten ausgelotet, aber was Sie jetzt zu hören bekommen, entsteht aus der Spontanität heraus“, machte sie das Publikum neugierig. Besonders aber freute sie sich über die vielen Besucher, die zum Abschluss des Kammermusikworkshops mit Schülerinnen und Schülern gekommen waren, die keinen berühmten Namen haben wie die weltbekannten Künstlerinnen und Künstler, die beim Festival und anderen Veranstaltungen der Kronberg Academy im Casals Forum auftreten und für ein ausverkauftes Haus sorgen.
Das Publikum, das mit langanhaltendem Beifall seine Begeisterung über die erstaunlichen und bewegenden musikalischen Ergebnisse von nur zwei Tagen intensiver und auch für die Dozenten inspirierender Probenarbeit zum Ausdruck brachte, hatte wieder einmal erlebt, wofür die Kronberg Academy steht – ein Konzert, das den Geist des Casals Forums atmet. Denn es ist kein Veranstaltungsort wie etwa die Alte Oper oder andere berühmte Konzerthallen, in denen die Musik durchreist, sondern ein Ort, an dem sie entsteht.