Buchtipp

Carnival, Roman von Philipp Winkler; Aufbau Verlag 2020; 14 Euro

Willkommen auf der Kirmes! Hier ist das Areal, von dem viele am Ende eines langen Tages verändert wieder herauskommen. Die „Marks“, „Örtler“ oder „Steifen Jonnys“ lassen sich dort verzaubern. Sie kommen „beseelt“ vom Ausblick auf ihre Welt aus dem Riesenrad, lassen einen Wochenlohn an den Schießständen und Fressbuden und tauschen scheue Küsse in der Geisterbahn. Sie halten den Atem an, wenn Cevenna in der Show ihre Messer wirft, kommen schwankend aus der Achterbahn getorkelt oder drehen juchzend ihre Runden auf dem Kettenkarussell.

Die Welt der „Kirmser“ dagegen besteht aus harter Arbeit. „Wir balgten ab, buckelten auf, öffneten die Schotten und rüttelten den Busch.“ Tag und Nacht sind sie damit beschäftigt, die Kirmes am Laufen zu halten, um den Besuchern einen unvergesslichen Tag zu verschaffen. Eine Welt, die aus Sonderlingen und Anarchisten besteht. Da ist Butsch, der Gewichte stemmt und der spektakulär an seinem Opus magnum scheitert. Baron, der Schwätzer, quatscht den Besuchern das Geld aus der Tasche, und gegen den Boxer Bill hat noch kein „Mark“ gewonnen. Das Brautpaar Mindybo (Mindy und Dybo) lässt sich mit einer Superschleuder in den Himmel schießen, und Hembo, dem eine Hirnhälfte fehlt, spricht nicht mehr, scheint dafür aber die Sprache der Tiere zu verstehen.

Philipp Winkler lässt in seinem Roman eine Welt auferstehen, die es so schon fast nicht mehr gibt. Auf den knapp 200 Seiten meint man den Geruch des Popcorn und die lautsprecherverzerrten Ansagen vor den Buden wahrzunehmen. Das Buch liest sich wie eine letzte Achterbahnfahrt, ein fulminanter Abgesang auf eine untergehende Welt. „Dies ist ein letztes Hurra auf die Kirmes und die, die sie bevölkern und lebendig machen. Auf dass ihr euch vielleicht an sie erinnern werdet. An jene, die den Spaß erfanden.“

Erhältlich in allen Buchhandlungen.



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