Die Corona-Krise verlangt uns einiges ab: Abstand halten, kühlen Kopf bewahren und trotzdem zusammenstehen

Neuer Alltag in Zeiten der Corona-Pandemie: Abstand halten und auch mal Schlange stehen, lautete die Devise. Hauptsache alle sind bestmöglich geschützt, Kunden und Verkäufer, wie hier bei der Metzgerei Klein in Oberhöchstadt. Foto: privat

Kronberg (mw) – Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass die Corona-Krise nach Deutschland bis nach Hessen hinein, in den Hochtaunuskreis und auch in Kronberg Einzug gehalten hat, und das mit allen Konsequenzen. Mit der Schließung von Großveranstaltungen, zunächst noch zögerlich, dann flächendeckend fing es an, doch seit der Schließung der Schulen nahm die Entwicklung an Fahrt auf. In rasanter Folge wurden täglich teils bundesweit, teils deutschlandweit Verbote erhoben, erst schlossen Fitness-Studios, Bordelle, Spielplätze, Kneipen, es folgten Versammlungsverbote auf Plätzen, schließlich kamen seit Mittwoch vor einer Woche viele Geschäftsschließungen hinzu. Zwischen der Absage von Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen bis zum Verbot von öffentlichen Treffen mit mehr als zwei Personen liegen gerade einmal zwei Wochen.

Abstand halten!

Die Lage ist sehr ernst, vermittelte die Bundeskanzlerin Angela Merkel, Solidarität untereinander und in der Familie bedeute in den ungewissen Corona-Zeiten bedingungslos „Abstand halten“, um das Überleben aller – und allen voran der alten Mitmenschen – zu sichern. Damit sich das tückische Virus nicht ungehemmt und zu schnell ausbreitet und unser Gesundheitssystem zum Kollabieren bringt, wurde der Sicherheitsabstand, der zwischen den Menschen zu halten ist, auf von einem auf zwei Meter hinaufgesetzt. Während die Kinder mit ohnehin schon überlasteten Eltern versuchen, zuhause selbstständig Schule zu machen, arbeiten Firmen unter Hochdruck an Krisenplänen, um das wirtschaftliche Durchhalten in der Krise zu sichern. Solo-Firmen, Einzelhändler, Kulturtreibende und viele andere Berufsgruppen mehr, kämpfen bereits um ihre nackte Existenz. Fast jeder kommt an irgendeiner Stelle ins Trudeln, die Ausmaße wirtschaftlich weltweit sind gigantisch und schwer prognostizierbar. Das einzig Positive was bleibt ist die Gewissheit, mit diesem Gefühl der Ungewissheit und Machtlosigkeit mit allen in einem Boot zu sitzen.

Kronberger über die (ihre) Lage

Dass alle in einem Boot sitzen, ist auch das, was Thorsten Nuhn, Geschäftsführer von „Elektro Nuhn“ derzeit Mut macht. „Außerdem dürfen wir noch arbeiten und das tun wir auch und sind darüber sehr froh“, sagt er. „Wir konzentrieren uns auf Sanierungen und Neubauten und gehen nur bei absoluten Notfällen in die Haushalte. So schützen wir unsere Kunden und uns bestmöglich“, erklärt er. Er hat seine Mitarbeiter „so gut wie eben möglich“ in zwei Teams aufgeteilt. Für den Fall, dass ein Mitarbeiter krank wird, hofft er, dass dann nicht alle in Quarantäne sitzen. „Wenn wir ein Arbeitsverbot erhalten, dann weiß ich wirklich nicht, wie es weitergehen soll.“

Auch Metzger Richard Klein hat auf „Schichtdienst“ umgestellt, er hat noch zwei Geschäfte von dreien geöffnet. „Das MTZ hat den Betrieb eingestellt“, so Klein. Zum Schutz von seinen Mitarbeitern und den Kunden hat Klein die Warteschlangen vor das Geschäft an die frische Luft verlagert, Punkte auf dem Boden erinnern an den Abstand, den die Menschen einzuhalten haben. Innerhalb des Geschäfts bleiben die Kunden auf den Markierungen stehen, nur die Mitarbeiter wechseln hinter der Theke ihren Platz. „Lasst Eure alten Eltern zuhause, damit sie nächstes Jahr noch da sind!“, so sein Appell an die Kronberger in diesen plötzlich hart gewordenen Zeiten. Auch die Einkaufsmärkte haben inzwischen zum Schutz ihrer Mitarbeiter und gegen die Ausbreitung des Coronavirus Maßnahmen ergriffen, beispielsweise eine Plastikplane oder -scheibe zwischen Kassierer und Kunden eingezogen. Statt Werbung erschallen freundliche Appelle, wie man sich innerhalb des Einkaufsmarktes verhalten soll. „Erst überlegen, dann zugreifen“, lautet die Devise.

Feuerwehr gut aufgestellt

Die Feuerwehr hat ebenfalls alle Register gezogen, um sich und ihre Mannschaft gesund zu halten. Alle Treffen und Übungen sind abgesagt, getroffen wird sich nur noch im Notfall, informiert Nuhn in seiner Funktion als Stadtbrandinspektor. „Wir haben viel zu tun, aber wir sind sehr gut aufgestellt und stehen der Bevölkerung zur Verfügung“, verspricht er. Die Feuerwehr verfügt bei möglichen Einsätzen in Haushalten mit Corona-Infizierten über entsprechende Schutzkleidung. „Wir konnten unsere Bestände noch rechtzeitig auffüllen“, so Nuhn. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen verfüge man auch über Atemschutzmasken. Die gibt es laut Bürgermeister Klaus Temmen aktuell über das Gesundheitsamt nicht mehr zu beziehen, möglicherweise als weitere Schutzmaßnahme für Berufsgruppen, die vielen anderen Menschen „ausgeliefert“ sind, wie beispielsweise die Mitarbeiter von Einkaufsmärkten derzeit. „Unsere Nachfrage beim Gesundheitsamt als auch beim Sozialministerium war bis jetzt erfolglos“, informiert er.

Appelle

Temmen hat sich mit einem „Offenen Brief“ (siehe auch in dieser Ausgabe) an alle Bürgerinnen und Bürger Kronbergs gewandt, in dem er auch verspricht: „Die Stadt Kronberg im Taunus wird alles tun, was in ihrer Möglichkeit steht, den örtlichen Unternehmen, vor allem den vielen kleineren und unmittelbar betroffenen Betrieben, wie zum Beispiel in der Gastronomie, dem Einzelhandel, den Dienstleistungen und dem Handwerk zu helfen.“ Temmen weiter: „Die Corona-Krise darf nicht dazu führen, dass unser lebendiges Stadtleben und unsere Handels- und Handwerksstrukturen irreparable Schäden erfahren.“

BDS-Vorstandssprecher Christian Hellriegel bittet die Kronberger Bürgerinnen und Bürger in diesen schwierigen Zeiten, die Online-Portale der Kronberger Händler zu nutzen. Über die Internetseite der BDS (bds-kronberg.de) gibt es eine Liste, die täglich aktualisiert wird, über die man erfährt, welche Alternativen die Kronberger Einzelhändler für ihre Kunden derzeit anbieten. „Das ist eine tolle Sache“, so Hellriegel, „denn einige sind sehr kreativ und bieten gute Lösungen an, sodass die Kronberger nicht auf große Online-Portale ausweichen müssen, sondern den Kronberger Händlern weiter treu bleiben können.“

200 Prozent geben

Große wie kleine Firmen regen zum fantasievolle Konzepte entwickeln an, um ihr Schiff auf Kurs zu halten. Das mag ja vom Ansatz eine gute Idee sein, doch, egal wo man nachfragt, innerhalb der Familien jedenfalls sind alle zunächst einmal damit beschäftigt, die täglichen Mehrbelastungen und ganz nebenbei noch die eigene Angst vor dem Virus zu bewältigen. „Wo sollen nach einem 12-Stundentag mit Schule Zuhause, Homeoffice, Klopapierjagd und Schlange stehen bei möglichem Virenangriff noch große Lösungsansätze für die Firma entstehen?“, fragt eine berufstätige Mutter, die genau das von ihrem Großunternehmen als Wochenend-Hausaufgabe mitbekommen hat. „Wo sind die Chancen in der Corona-Krise? Machen Sie sich darüber Gedanken!“ Die können wir natürlich entdecken, haben wir doch schon, zumindest, die, die bereits nach Hause geschickt wurden und dort auch bleiben können oder müssen, ohne existenzielle Sorgen zu haben. „Wir entschleunigen ganz prima, machen all das, was wir in Ruhe schon immer zu Hause mal machen wollten.“ Was mag das sein?: Yoga, lesen, malen, streichen, entrümpelten (allerdings kann man das Zeug zur Zeit leider nicht mehr loswerden). Gute Laune schafft man (solange keine Ausgangssperre folgt) immerhin noch bei beim Joggen, Rad fahren und Spazieren gehen an der frischen Luft. Aber mal ganz ehrlich: Es gibt so viele alte Menschen, die gerade vor Einsamkeit eingehen, weil sie nicht mehr besucht werden dürfen oder Zuhause sogar von ihren Enkelkindern Abstand halten müssen und ebenso viele Menschen, von den Ärzten und Pflegekräften mal ganz abgesehen, die 200 Prozent gefordert sind. Seit den Nachrichten, die minütlich aufs Handy tickern und von Hunderten von Toten pro Tag allein in Italien berichten, ist jedem klar geworden, diese Krise lässt sich nicht einfach wegwischen, sie zwingt uns in die Knie und sie wird uns verändern, nur wie, und in welchem Maße, das steht noch nicht fest.

Kühlen Kopf bewahren, unterstützen!

Einen kühlen Kopf bewahren ist im Job jedenfalls wichtig, aber bitte ohne zusätzlichen Leistungsdruck, von oben nach unten, sondern im Miteinander: Jeder hilft, wie und wo er kann. Firme bleiben arbeitsfähig, wenn die Mitarbeiter ihre Sozialkontakte minimieren, eben nicht nur zum eigenen Wohl, sondern zum Wohl aller! Es gilt, die Kräfte zu bündeln. Auch Nachbarschaftshilfe ist wieder gefragt, sich gegenseitig unterstützen, damit keiner auf der Strecke bleibt und alle durchhalten. Nur wenige kennen noch Kriegszeiten unter uns, wir sind Kinder der Überflussgesellschaft, gewohnt, alle Freiheiten und Wahlmöglichkeiten zu haben. Mit einem Mal ist alles anders: Wir sind beschnitten in unseren Rechten und kämpfen gegen einen unsichtbaren Feind, den wir noch nicht gut genug kennen. Wir versuchen, unseren Job zu sichern und kreative Modelle zu erarbeiten, während die Regierung fieberhaft an Notfallmaßnahmen für die strudelnde Wirtschaft arbeitet. Jetzt stellt die Bundesregierung knapp 40 Milliarden Euro für Solo-Selbstständige und andere Kleinstfirmen zur Verfügung, Mietern darf nicht gekündigt werden, über eine ergänzenden Grundsicherung wird diskutiert. Und das ist auch dringend nötig, denn kleine Lösungen – beispielsweise Einkaufsgutscheine verschenken, Karten für Kulturveranstaltungen nicht zurückgeben, Einkäufe auf später in Kronbergs Geschäften tätigen oder den neuen oder ausgebauten Lieferservice verschiedener Kronberger Gastronomen nutzen, das alles wird zwar helfen, bei Einigen das Trudeln zu verlangsamen, aber je nach Dauer des Ausnahmezustands den Zusammenbruch vieler Geschäftszweige nicht aufhalten können. Wir sind jetzt schon „an einem Punkt im Leben angekommen, an dem es nicht weiter wie bisher geht“, ist sich auch die Geschäftsführerin des Kronberger Kultkurkreises sicher. „Höher, schneller, weiter, diese Denke ist jetzt jedenfalls erst einmal vorbei!“

Unsere Ellenbogen-Gesellschaft muss lernen, wieder zusammenzustehen und dabei möglichst Ruhe zu bewahren.



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