Viele werden sich an dieses Schaufenster noch erinnern, heute ist in dem Ladengeschäft die Kronberger Bücherstube ansässig.
Elisabeth und Liesbeth Dingeldein - ihr Miederwarengeschäft hatte Kultstatus. Fotos: privat
Kronberg (hmz) – „Fräulein Elisabeth Dingeldein“ – auf diese Anrede legte sie größten Wert und noch heute erinnert der Namens-schriftzug an der Fassade des Hauses in der Friedrich-Ebert-Straße 5 an das wohl legendärste Geschäft in der Stadt. Zusammen mit ihrer Schwägerin, Liesbeth Dingeldein, geführt, war es die Adresse für Kurz- und Miederwaren sowie Nähzubehör. Knöpfe, Reißverschlüsse, Schnallen, Spitzen, Borten und vieles mehr – alles war fein säuberlich sortiert in kleinen Schachteln und lag hoch gestapelt in den Regalen. Dazwischen Stoffballen, Damenwäsche und Kleidungsstücke, ausgewählt nach dem damaligen Modegeschmack. Noch als das Ladengeschäft existierte, umgab es ein Hauch von Nostalgie - die beiden Frauen setzten der neuen Zeit die „gute alte“, ungeachtet des schnelllebigen Wandels, entgegen. Elisabeth Dingeldein (1911 bis 2003) hatte zu ihren Lebzeiten verfügt, dass ihre Vermögenswerte nach ihrem Tod in eine Stiftung übergehen. Die gemeinnützige Dingeldein-Stiftung, die dem bürgerschaftlichen Engagement verpflichtet ist, besteht inzwischen seit 20 Jahren. Und seitdem werden aus den Stiftungserträgen Kronberger Vereine jährlich mit insgesamt rund 15.000 Euro unterstützt sowie die notwendigen Instandhaltungskosten und Investitionen, wie etwa bei der „Dingeldein-Scheune“, finanziert. Diese etabliert sich zusehends als kleines Kulturzentrum, wobei die Nutzung lediglich über die Sommermonate möglich ist, da ein Heizungseinbau nicht vorgesehen ist. Der Innenausbau ist zeitgemäß und der Architekt Klaus Grabowski hat eine funktionale Architektur mit ebensolchen Elementen unter Beachtung der bautypischen Besonderheiten unter einem Dach vereint. Damit behielt die Scheune ihren ganz eigenen Charme, der eine besondere Wirkung hat und damit eine Atmosphäre schafft, von der alle Besucherinnen und Besucher profitieren. Vornehmlich wird sie von Dirk Sackis genutzt, ihm dient sie als Forum für Lesungen, die die „Bücherstube Kronberg“ regelmäßig anbietet. Auch Vereine dürfen sie nutzen, eine Prämisse gibt es dann allerdings doch. „Wir wollen hier keine politischen Veranstaltungen. Unseren Mieterinnen und Mietern sind lautstarke Debatten nicht zuzumuten.“
Albert Sanftenberg (Vorsitzender der Stiftung), Klaus Temmen, Uwe Wittstock und Bürgermeister Christopher König sind die Sachverwalter des Vermögens, das sich aus den Mieteinnahmen des Wohn- und Geschäftshauses generiert und damit das Kernstück für die Entwicklung und Durchführung von Förderprojekten bleibt.
Klaus Temmen und Albert Sanftenberg nahmen sich die Zeit und führten durch das alte Treppenhaus bis hoch ins Dachgeschoss, das „Archiv“, in dem seit zwanzig Jahren die Restbestände aus dem Ladengeschäft sowie persönliche Gegenstände lagern. „Wir durften im Jahr 2003 zwar einen Totalausverkauf machen, darüber hinaus sind wir aber gehalten, das Erbe zu bewahren“, so Albert Sanftenberg. Der Fundus ist ansehnlich und dürfte, wenn der Inhalt von Schachteln, Kartons, Koffern und Schränken einmal gesichtet, geordnet und sortiert worden ist, noch so manche Perlen bergen, wie etwa die dreiviertellangen Unterhosen mit Spitzenbesatz für die Frau von damals. Kaum vorstellbar, dass sie einmal Lieblingsdessous gewesen sein könnten.
In diesen Räumen könnte einen fast das Gefühl beschleichen, „Fräulein Dingeldein“ kommt um die Ecke, um mit ihrem herben Charme, zielsicher und unbeirrt genau die Knopfschachtel aus dem obersten Regal zu fischen, die von ihrer Kundin gewünscht wurde. In einem Raum weiter hängt an der Schranktür „Elisabeths Kittelschürze“ und ist dies noch nicht denkwürdig genug, in einer der Taschen steckt noch immer ein benutztes Stofftaschentuch. „Wir planen in der Dingeldein-Scheune die Einrichtung eines kleinen Museums mit einem Teil der Gegenstände“, so Albert Sanftenberg und Klaus Temmen. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Kittelschürze, die mindestens genauso legendär wie die Trägerin selbst ist, einen Ehrenplatz bekommen wird.
Bis dahin stehen noch einige bauliche Notwendigkeiten wie beispielsweise die Sanierung der Remise, eine zusätzliche Treppe in der Scheune und die teilweise Erneuerung des Scheunentors an. Alles in allem ist erkennbar, dass hier ein kleines Schmuckstück in der Altstadt entstanden ist, mit der tatkräftigen Unterstützung des Altstadtkreises und Kronberger Handwerksbetriebe möglich gemacht. Gemeinsam haben sie es verstanden, die Dingeldein-Scheune ihre Geschichte erzählen zu lassen.
Erforscht wurde diese von Hanspeter Borsch, Tilmann Ochs und Konrad Schneider. Danach ist die Scheune mit Schweinestall bereits im Jahr 1806 erwähnt worden und das alte Gebäudeensemble mit Vorderhaus, Hinterhaus und Scheune bereits in den Katasterplänen aus dem Jahr 1870 erkennbar. Wegen der Verbreiterung der damaligen Hauptstraße wurde im Jahr 1899 das von der Firma Habig genutzte Vorderhaus abgebrochen, das wegen seiner Nähe zum „Frankfurter Tor“ Torhaus genannt wurde. Im Jahr 1903 musste auch das „Hinterhaus“ weichen, damit das neue Wohn- und Geschäftshaus von Wilhelm Weidmann, später Dingeldein, gebaut werden konnte. Die alte Scheune blieb stehen. Nach den Recherchen von Borsch, Schneider und Ochs, sei sie noch gebraucht worden, denn nur wenig später erhielt sie einen hofseitigen Anbau in Form einer zweigeschossigen Remise. Im Jahr 1915 brannte die Scheune ab, wobei die kräftigen Bruchsteinmauern stehen blieben und beim Wiederaufbau der Scheune mit genutzt wurden. Sie stehen immer noch – seit über 200 Jahren und in einem neuen Zeitalter.
Die Kittelschürze von Fräulein Dingeldein