Gemeinschaftsunterkunft Oberer Aufstieg geht nächsten Montag an den Start – viele praktische Fragen noch offen

Informierten über die aktuelle Flüchtlingssituation im Hochtaunuskreis und die geplante Inbetriebnahme neuer Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in Kronberg, v.l.n.r. Hans-Willi Schmidt, Stefan Lay, Ulrich Krebs, Christoph König, Andreas Knoche. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Gemeinsam hatten der Hochtaunuskreis und die Stadt Kronberg am Dienstagabend ins Haus Altkönig eingeladen, um über die geplante Inbetriebnahme der Gemeinschaftsunterkünfte „Oberer Aufstieg“ (ehemaliges Schulungszentrum der Deutschen Bank) und „Kronthal“ (ehemaliges Seniorenwohnstift) zu berichten. Diese sollen den zahlreichen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, die im Hochtaunuskreis Schutz suchen, weitere Unterbringungsmöglichkeiten bieten. Landrat Ulrich Krebs und Bürgermeister Christoph König informierten gemeinsam über die aktuelle Situation und standen den rund 60 Bürgerinnen und Bürgern, die der Einladung gefolgt waren, Rede und Antwort. Fragen beantwortete für die Stadt auch der ehrenamtliche Integrationsdezernent Hans-Willi Schmitt sowie der Stadtverordnetenvorsteher Andreas Knoche. Ebenfalls eingeladen war Stefan Lay, geschäftsführender Gesellschafter der OA22 GmbH mit Sitz in Neu Isenburg und damit der Betreiber der Gemeinschaftsunterkunft am Oberen Aufstieg 22. Die Deutsche Bank hatte den Gebäudekomplex bereits Ende 2021 an die OA22 GmbH verkauft.

Der Landrat bedankte sich zunächst herzlichst bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die Flüchtlinge privat aufgenommen haben oder in anderer Form bereits Hilfe leisten. Die Solidarität mit den Geflüchteten sei im ganzen Hochtaunuskreis und eben auch in Kronberg groß, sagte er. Seit Kriegsbeginn sei die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge wöchentlich bis zum 24. April drastisch angestiegen, seit dem 25. April jedoch rückläufig, informierte er. 2.271 Personen sind aktuell im Hochtaunuskreis bei Einwohnermeldeämtern gemeldet, 1.558 Frauen und 783 Männer. 1.214 der Flüchtlinge sind Erwachsene bis 65 Jahre, 209 Flüchtlinge über 65 Jahre. Unter den Geflüchteten sind 426 Schulkinder (11-18 Jahre), 255 Grundschulkinder sowie 217 Kleinkinder (0-6 Jahre). Bei einer Gastfamilie/Verwandten sind laut Bericht des Landrats 981 Flüchtlinge untergekommen, in privaten Mietwohnungen 554, in Einzelunterkünften 316 und in Gemeinschaftsunterkünften 470.

Die Belegungszahlen in den beiden Außenstellen der Erstaufnahmeeinrichtung (EAEH) Gießen – eine davon ist die Turnhalle der Altkönigschule in Kronberg – seien zwischenzeitlich nur noch gering. Leider wisse keiner, wie lange der Krieg noch dauern werde und selbst bei Kriegsende sei die Infrastruktur in vielen Gegenden der Ukraine schon jetzt so stark zerstört, dass es drei bis fünf Jahre dauern dürfte, bis es dort wieder Wohnquartiere gebe, in die Menschen zurückkehren könnten.

König, Krebs und der Integrationsdezernent Schmidt machten deutlich, dass es nun darum ginge, längerfristige Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge aufzubauen, die in etwa zu Zweidritteln aus der Ukraine und zu einem Drittel aus Drittstaaten kommen würden und dem Kreis vom Land Hessen zugewiesen werden. Dafür habe sich das ehemalige Schulungszentrum der Deutsche Bank-Komplex, der in der Flüchtlingskrise 2015/16 bereits als Gemeinschaftsunterkunft diente, erneut angeboten.

Mögliche Bedenken Kronberger, eine große Flüchtlingsunterkunft womöglich direkt vor der eigenen Haustür zu haben, die einigen anwesenden Helfenden aus der vergangenen Flüchtlingskrise noch gut im Gedächtnis waren, kamen an diesem Abend im Haus Altkönig nicht auf. Die Solidarität mit den Ukrainern und die Hilfsbereitschaft der Kronberger Bürgerinnen und Bürger ist ungebrochen. Statt dessen waren Ungeduld bei denjenigen zu spüren, die tagtäglich in den Containern neben der AKS im Einsatz für die ukrainischen Flüchtlinge sind, wie dem Helferkreis um die Ukrainerin Marianna Haus, und die dabei Situationen erlebt haben, die für sie unhaltbar sind. Es habe beispielsweise zunächst keine Möglichkeit für die Flüchtlinge gegeben, ihre Kleidung zu waschen, es fehlte an Hygieneartikeln, der Zugriff auf genügend Bargeld für die Flüchtlinge sei nach wie vor schwierig und zu langwierig, die bürokratischen Hürden für Kriegsflüchtlinge ohne deutsche Sprachkenntnisse seien zu hoch, berichteten sie von ihren Erfahrungen. Mehrere Bürgerinnen und Bürger meldeten sich zu Wort, die Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben und den Bürokratiedschungel mit Anmeldung in der Ausländerbehörde bis zur Kontoeröffnung gemeinsam mit ihnen nur mühsam meistern konnten. „Das kann doch nicht sein, dass es sechs Wochen dauert, bis sie Geld in der Hand halten“, so eine der Helferinnen. Vieles, zu vieles sei nur über großzügige Spenden einiger Kronbergerinnen und Kronberger bewerkstelligt worden. Der Tenor: Es fehle eine Schnittstelle und ein Koordinator. Die Damen hatten zu Ostern in der Kleiderkammer beispielsweise Besuch von Flüchtlingen, die einfach nichts mehr zu essen hatten und nicht weiter wussten. Bürgermeister König wies die Kritik fehlender Ansprechpartner zurück, es gäbe die zentrale E-Mail: kronberghilft[at]kronberg[dot]de, außerdem habe man natürlich eine Stabsstelle gebildet, die sich tagtäglich mit Lösungen zu den Flüchtlingsthemen beschäftige.

Die Helfenden machten ihrerseits deutlich, worum es geht: Dass jetzt, im Falle des Bezugs der GU nächsten Montag mit den ersten Flüchtlingen (zurzeit werden dem Kreis wöchentlich etwa 13 Flüchtlinge zugewiesen), schneller funktionierende Strukturen geschaffen werden sollen, als an der AKS geschehen, damit die Ankömmlinge sich dort oben im Norden Kronbergs nicht im Stich gelassen fühlen und die ehrenamtlichen Helfer nicht ausgebrannt würden, die bereits zwei Monate holprigen Start in der Erstaufnahmeeinrichtung an der AKS hinter sich haben. Gefordert wurde ein Lunch-Paket für die Neuankömmlinge in der GU am Abend, am besten eine warme Mahlzeit und Grundnahrungsmittel, mit denen die Küchen in der GU bereits bestückt werden sollten, bevor die Flüchtlinge ankommen, da die Menschen dort abends ohne etwas in der Tasche, ohne Deutsch- und Ortskenntnisse aber erschöpft und mit vielen Sorgen ankämen. Denn laut Kreis und Betreiber ist die Einrichtung als Selbstversorgungseinrichtung geplant. Die Flüchtlinge sind (im Worst Case bei Vollbelegung mit 600 Personen) in Vierbettzimmern mit einem Tisch und einem Stuhl untergebracht, zu jeder sogenannten „Traube“ gehören extra eingebaute Küchen und es gibt weitere Gemeinschaftsräume. Der Kreis wurde seitens der Versammelten weiter aufgefordert, sich zuallererst und mit allen Mitteln um einen funktionierenden Internetzugang zu bemühen, was Landrat Ulrich Krebs auch versprach. Wie der Betreiber bestätigte, ist das Mobilfunknetz dort oben im Wald ein großes Problem. Wenn man sich im Internet beispielsweise einen You Tube Film zum Deutschlernen anschauen würde, würde das gesamte Netz zusammenbrechen, erklärte er. Und im Haus selbst gibt es derzeit nur ein Telefon. Man war sich einig, dass die Flüchtlinge, viele von ihnen Frauen, die ihre Männer und Söhne im Krieg zurücklassen mussten, wenigstens mit ihnen telefonieren können müssen.

Wichtig für eine funktionierende Integration der Neuankömmlinge werde auch ein ausreichendes Dolmetscherangebot sein sowie eine vom ersten Tag an funktionierende Busanbindung. Daran arbeite man, informierte der Bürgermeister. Angedacht ist, den Stadtbus im Zweistundentakt an den Oberen Aufstieg zu schicken. Stefan Lay wurde seitens der Ehrenamtler gelobt, er habe bereits Einiges über seine Pflichten als Betreiber hinaus möglich gemacht und einen Wickelraum sowie ein Spielzimmer über ehrenamtliche Hilfen einrichten lassen. Gerne wolle er auch über die Betreiberpflichten hinaus die Einrichtung eines Spielplatzes unterstützen, teilte er den versammelten Bürgerinnen und Bürgern mit. Er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Kronberger den Weg in die Gemeinschaftsunterkunft finden, um in Kontakt mit den Flüchtlingen zu kommen. Weitere ehrenamtliche Hilfe und Unterstützung seien absolut notwendig und willkommen, betonte er. Er sieht viele Möglichkeiten für Aktionen und Veranstaltungen, um die Flüchtlinge von ihren Sorgen um ihre in der Heimat zurückgelassenen Familienmitglieder wenigstens zeitweise abzulenken. Das ehemalige Jagdhaus auf dem Gelände eigene sich für zwanglose Treffen von Kronbergern mit den Flüchtlingen. Natürlich sei für einen Wachdienst rund um die Uhr gesorgt. Außerdem wird es ein Bürgertestzentrum geben und damit auch ein Arztzimmer, in der zumindest eine erste Notversorgung vorgenommen werden könnte. Landrat Ulrich Krebs verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass ab 1. Juni für alle Ukraineflüchtlinge die SGB II-Leistungen gelten, was ihre Lage verbessere.

Krebs und König und auch der Integrationsdezernent wissen, dass es noch viele offene Fragen gibt, die sie noch nicht beantworten konnten, es gelte, die Hilfe jetzt zu verstetigen und Stück für Stück Lösungen zu erarbeiten. Ein Problem, die nächsten Schritte vernünftig zu organisieren, sahen die Zuständigen nicht.

So soll als weitere GU ab dem 1. Juli das ehemalige Seniorenwohnstift im Kronthal 7 für die Belegung mit ukrainischen Frauen und Kindern zur Verfügung stehen.

Erklärtes Ziel des Kreises ist außerdem, bis zu den Herbstferien die AKS-Turnhalle wieder für den Schulbetrieb und den Hallensport der Vereine frei zu machen und bis dahin geeignetere Lösungen für die Außenstellen der Erstaufnahmeeinrichtungen zu finden.



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