Grimme-Preisträger Heinz Grossmann begeht seinen Neunzigsten

Heinz Grossmann, seit 55 Jahren in Kronberg zuhause, feiert am 22. Februar seinen 90. Geburtstag.
Foto: Annette Wittkopf

Kronberg (pf) – „Der Mann war und ist so links, dass die SPD ihn hinauswarf“, schrieb die Frankfurter Rundschau zu seinem 75. Geburtstag. Sein „Vergehen“ war, so mutmaßt Heinz Grossmann, der von sich selbst sagt „Ich war nie ein Revolutionär“, dass er 1958 als Student – engagiert im Sozialistischen Deutschen Studentenbund SDS und AstA-Mitglied – im Hörsaal der Freien Universität Berlin die erste Aufführung des Brecht-Theaterstücks „Antigone“ durch die Neue Bühne Frankfurt organisierte. Erst im Jahr 1987 wurde auf Vermittlung von Heidemarie Wieczorek-Zeul der Rauswurf-Beschluss aufgehoben. Seitdem gehört er der SPD wieder an. Heute feiert der gebürtige Berliner und seit 55 Jahren Wahlkronberger, ehemaliger Fernsehredakteur beim Hessischen Rundfunk und zweifacher Grimme-Preisträger, seinen 90. Geburtstag. Nach Kronberg kamen Heinz Grossmann und seine Frau Dr. Wilma Aden-Grossmann, die später als Professorin für Sozialpädagogik an den Universitäten Frankfurt, Dortmund und Kassel lehrte und mit der er im Jahr 2019 Diamantene Hochzeit feierte, im Jahr 1969. Schon ein Jahr später gründeten sie mit Gleichgesinnten die „Freie Kinderschule“, eine antiautoritäre Kindertagesstätte. Untergebracht war diese zunächst im Keller ihres Hauses in der Schmiedeberger Straße, danach in zwei Räumen in der Jaminstraße ehe, sie nach Schwalbach umzog. Bis heute gibt es den Kindergarten in Unterliederbach.

Im folgenden Sommer organisierte der Verein „Sozialpädagogische Praxis“, den die engagierten Eltern als Trägerverein des antiautoritären Kinderladens gründeten und in dem Heinz Grossmann im Vorstand aktiv war, die ersten Kronberger Ferienspiele, die wegweisend wurden für viele Ferienspiele in der Umgebung. Zum Hessischen Rundfunk kam Heinz Grossmann bereits im Jahr 1963, wo er unter anderem über rechte Jugendorganisationen und das Wiedererstarken der Nazigesinnung berichtete – um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen, anfangs unter Pseudonym, nachdem er bei einer NPD-Veranstaltung fast verprügelt worden war. Vier Jahre später, als die dritten Programme der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender gegründet wurden, wechselte er vom Hörfunk zum Fernsehen. Zunächst ging er zum WDR in Köln. Anfang des Jahres 1973 kehrte er als leitender Fernsehredakteur in der Hauptabteilung Bildung und Erziehung zum hr zurück. In Kooperation mit dem WDR entstand damals die achtteilige Serie „Bittere Medizin“, die kritisch die Gesundheitspolitik aus Sicht von Patienten beleuchtete. Sie brachte ihm im Jahr 1976 den ersten Grimme-Preis ein. Den zweiten erhielt er 1987 für die Serie „Kindsein ist kein Kinderspiel“. Besonders am Herzen lagen ihm stets sozialkritische Themen und Sendungen mit fundierten Gesellschaftsanalysen. Zur 13-teiligen Sendereihe „Deformierte Gesellschaft – Soziologie der Bundesrepublik Deutschland“ entstand ein Begleitbuch, das zum Schulbuch wurde. Weitere Bücher von ihm erschienen bei „rororo“, der Europäischen Verlagsanstalt und im Fischer Verlag, dort im Jahr 1971 sein sehr erfolgreiches Taschenbuch „Bürgerinitiativen – Schritte zur Veränderung“, in dem er auch über die Gründung der „Freien Kinderschule“ in Kronberg schreibt. Nach seiner Pensionierung im Jahr 1995 folgte er seiner Frau nach Kassel, die Professorin an der dortigen Gesamthochschule war, eröffnete eine Galerie und organisierte erfolgreich Ausstellungen, unter anderem eine über plastische Keramik. Denn über Antiquitäten und viele andere „Sammelwürdigkeiten“ hatte er ab dem Jahr 1976 bereits in rund hundert Fernsehsendungen berichtet. Zurück in Kronberg engagierte er sich weiter für Kunst und Kultur, hielt Reden zur Eröffnung von Ausstellungen und Vorträge über hessische und Ballenstedter Geschichtsthemen, beispielsweise über die Landgräfin Elizabeth von Hessen-Homburg, liebevoll Eliza genannt, und den Ballenstedter Hofmaler Wilhelm von Kügelgen. Als Geschichtsinteressierter ist er Mitglied im Burgverein, Gründungsmitglied der Kronberger „Silberdisteln“, aktiv in der Museumsgesellschaft, die gemeinsam mit der Stadt Kronberg in der Stiftung Kronberger Malerkolonie das Museum in der ehemaligen Villa des Künstlers Heinrich Winter betreibt, und in zahlreichen weiteren Vereinen und Organisationen. Seinen 90. Geburtstag am 22. Februar feiert er zurückgezogen nur mit seiner Frau. Zum offiziellen Empfang hat er für Samstag Freunde, Weggefährten und die Familien seiner Tochter Ulrike und seines Sohnes Clemens eingeladen, die beide Schüler an der Kronberger Altkönigschule waren und heute in Berlin, seiner Geburtsstadt, leben.



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