Wenn ein Jahrhundertunwetterereignis einmal im Jahr stattfinden kann – Starkregen wird regional zur Normalität

Wie wird es Kronbergs Altstadtgassen und den Anwohnerinnen und Anwohnern am Hang ergehen, wenn Starkregenereignisse zukünftig vermehrt auftreten werden? Foto: Göllner

Die Tiefgarage der Hochtaunuskliniken unter Wasser Foto: Hochtaunuskreis

Kronberg (mg) – Donnerstagabends am 2. Mai hatte es der Deutsche Wetterdienst (DWD) bereits vor Stunden angekündigt; in der Kronberger Altstadt schlossen viele Geschäfte und Gastronomiebetriebe ein gutes Stück früher als üblich. Kunden und Besucher waren ohnehin kaum mehr auf den Straßen zu sehen und unterwegs. Richtung Odenwald konnte man hinter den Frankfurter Hochhausschluchten bereits das Wetterleuchten aus der Ferne vom vorderen Taunushang betrachten, mit dem das Unwetter optisch eindrucksvoll angekündigt wurde. Dies sollte sowohl Feuerwehren als auch die Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aus dem Hochtaunuskreis (HTK) und benachbarten Landkreisen einmal mehr für viele Stunden herausfordernd beschäftigen und bisweilen in Atem halten. Dass es in Kronberg und seinen Stadtteilen zumindest während dieses Unwetterereignisses nicht schlimmere Ausmaße annahm, lag größtenteils am Faktor Zufall, denn das benachbarte und direkt angrenzende Oberursel und das nicht sehr viel weiter entfernt gelegene Bad Homburg waren Einsatzschwerpunkte. Auch in Königstein, Neu-Anspach und Weilrod gab es für die meisten ehrenamtlich tätigen Kräfte sehr viel zu tun. Vier Löschgruppen aus dem Main-Taunus-Kreis und der Wetterau unterstützten die kreiseigenen Helfer und Helferinnen. Im zweistündigen Zeitfenster zwischen 19 und 21 Uhr gingen bei der Zentralen Leitstelle 1.250 Notrufe ein. 390 Einsätze der Feuerwehren, des DRK und des THW waren bis Mitternacht kreisweit die Folge, inklusive 15 Einsätze mit Beteiligung der Rettungsdienste. Ungefähr gegen Ende der Tagesschau um 20.15 Uhr wurden die Hilfs- und Rettungsorganisationen mit Unterstützung des Modularen Warnsystems „MoWaS“ vor den Gefahren des Starkregens und damit einhergehender Beeinträchtigungen durch in Teilen überflutete Straßen und Wohnquartiere informiert. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) entwickelte das System, um die Bevölkerung über Zivilschutzlagen zu informieren. Zugleich dient es den Bundesländern zur Warnung vor Katastrophen bei Behörden und Medien, die wiederum die Bürgerinnen und Bürger in Kenntnis setzen. Die großen Regenmengen ließen den Pegelstand der Bäche im Vordertaunus in kurzer Zeit rekordverdächtig ansteigen. In der Stadtmitte Bad Homburgs blieben Autofahrer mit ihren Fahrzeugen in den zusammengelaufenen Wassermassen teilweise stecken, die Tiefgarage der Hochtaunuskliniken lief voll. Teilweise fielen ortsabhängig bis in die frühen Morgenstunden 30 bis 50 Liter Regenwasser pro Quadratmeter in Südhessen. Das betraf insbesondere das Rhein-Main-Gebiet, den Rheingau, den Odenwald und die Bergstraße. Der Deutsche Wetterdienst definiert Starkregen folgendermaßen und unterscheidet gleichzeitig zwei Unwetterkategorien: Starkregen: 15 bis 25 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde oder 20 bis 35 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden. Heftiger Starkregen: 25 bis 40 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde oder 35 bis 60 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden. Für den 16. Mai und den 1. Juni wiederholten sich im Hochtaunuskreis zuletzt zumindest die wissenschaftsbasierten Unwetterwarnungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, folglich drei Unwetterprognosen mit Starkregenpotenzial innerhalb eines Monats.

Kommunale Starkregenvorsorge

Die Stadtverwaltung Kronberg beschreibt unter anderem auf ihrer Internetseite www.kronberg.de ausführlich und im Vergleich zu zahlreichen anderen Kommunen anschaulich mit Videofilmen, geographischen Karten und anderen Informationen unter dem Titel „Bürgerinformationen zur Starkregenvorsorge“ die Situation in der Taunusstadt. Unter anderem werden sogenannte Fließpfadkarten zur Verfügung gestellt. Diese zeigen die Fließwege, auf denen Regenwasser nach einem Starkregenereignis abfließt. Somit unterstützen die Karten dabei, sich auf mögliche Unwetter vorzubereiten, denn sie veranschaulichen, welche Gebiete besonders von Hochwasser und Überschwemmungen betroffen sein können. Ein Stück weit mehr sind Kommunen damit in der Lage, an kritischen Stellen im Stadtgebiet Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Insbesondere für Städte wie Kronberg, die topographisch mit zahlreichen Hanglagen versehen sind, sind diese Fließpfadkarten hilfreich. Nicht minder effektiv sind die ebenfalls „online“ jeder und jedem zur Verfügung stehenden Überflutungspläne. Die Pläne stellen potenzielle Überflutungsgefahren in Kronberger Gemarkungen dar und leiten sich wiederum aus den Plänen der Fließwege ab. Anhand dieser Informationen leitet die Stadt Kronberg Maßnahmen ein, die präventiv wirken sollen und dies auch tun.

Bereits getätigte Maßnahmen

Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) gab Anfang Februar die Leiterin des zuständigen Fachbereichs Stadtentwicklung und Umwelt, Sandra Poschmann, den Ausschussmitgliedern – und bei Anwesenheit auch der interessierten Öffentlichkeit – einen Überblick über den Sachstand der Projekte Kronbergs beim sogenannten Gewässerschutz, die im Kalenderjahr 2023 abgeschlossen wurden. Dazu gehörten zahlreiche fertiggestellte Maßnahmen, auch im Kronberger Stadtwald. Ein Entwässerungsgraben am Fritz-Emmel-Haus entstand, am Stuhlbergbach an der Jägerwiese wurden Betonhalbschalen auf einer Länge von 117 Metern installiert, der Waldwiesenbach wurde unter anderem „aufgeweitet“, so dass dieses natürliche Gewässer mehr Niederschlagswasser auffangen kann, und der Entwässerungsgraben an der Schülerradroute der Altkönig-schule wurde ertüchtigt. Das größte Projekt im vergangenen Jahr stellte die Teichanlage am Hünerberg dar, bei der sich auch der Rotary Club finanziell engagierte. Auf einer Brachfläche entstand seitens der Stadtverwaltung in enger Abstimmung mit der zuständigen Försterin Carolin Scheller und HessenForst ein sehr umfangreiches Muldensystem, das das Fließwasser bereits am Hang des Stadtwalds am Altkönig in Teilen auf- und somit abfängt, so dass dieses erst gar nicht in den bebauten Bereich Kronbergs gelangen kann. Zahlreiche andere Mulden und Rückhalteformen wurden ebenso vor Ort im Wald gestaltet. „Der Boden in Kronberg ist grundsätzlich wenig wasseraufnahmefähig“, formuliert Erster Stadtrat Heiko Wolf gegenüber dem Redakteur ein weiteres problematisches Thema. Fließwasser könne sich so bei vorhandenem Starkregen über komplette Feldbreiten erstrecken. Was an Oberflächenwasser über Oberhänge herunterkäme, sei mehr als beeindruckend, ergänzt Wolf und ist sich der Relevanz des Themas Starkregen deutlich bewusst. Sind Böden dann auch noch „gesättigt“, da die Wochen zuvor sehr viel Niederschlag fiel, sind die natürlich gegebenen Voraussetzungen des Taunusbodens alles andere als ideal und geeignet zur Versickerung. Fällt andererseits wochenlang kein Niederschlag, wie in vielen Sommern der vergangenen Jahre, ist der Boden dermaßen ausgehärtet, dass ebenfalls kein Wasser versickern kann und schlussendlich erst in einer geographischen Senke aufhört, sich fortzubewegen. An dieser Stelle kann dann eine folgenreiche Hochwassersituation entstehen.

2024 und 2025

In diesem Jahr wird nun die Wegeertüchtigung im Victoriapark begonnen; unter anderem wurde im Bereich des Tennisclubs TEVC die Vereinsgaststätte bereits durch Starkregenereignisse und Überschwemmungen in Mitleidenschaft gezogen. Hier investiert die Stadt Kronberg nun einen mittleren sechsstelligen Betrag, auch um ein neues Brückenbauwerk herzustellen, das ein weiteres Großprojekt darstellt. Ein anderer Fachbereich unter der Leitung von Andreas Felden kümmert sich nach Angaben des Ersten Stadtrats Wolf in diesem und im kommenden Jahr um die Analyse des Kronberger Kanalnetzes. Im Rahmen einer „Niederschlags-Abfluss-Messkampagne“ werden von einer beauftragten Fachfirma insgesamt 46 Messstellen im Stadtgebiet aufgeführt und beobachtet. Aufgrund der hohen Anzahl an Messstellen wird die Messung im Stadtteil Oberhöchstadt drei bis fünf Monate andauern und im kommenden Jahr in Kronberg und Schönberg fortgeführt. Die Ergebnisse der Messkampagne im Kanalnetz werden „zur Netzkalibrierung, Generalentwässerungsplanung und Schmutzfrachtsimulation“ benötigt, so Wolf ergänzend. Schwachstellen innerhalb des Kanalnetzes bei Unwetterereignissen – folglich der vorhandenen Infrastruktur – würden so identifiziert und Maßnahmen könnten anschließend vorgenommen werden. „Das Kanalsystem ist das eine, das Bachsystem ist das andere“, verdeutlicht Heiko Wolf noch einmal abschließend die beiden zuvor beschriebenen Hauptparameter, auf die es ankommt.

Eigenverantwortung

Dieser Artikel dient nicht dazu, abschließend jedwede Information zu liefern; vielmehr soll er Bewusstsein für die Problematik schaffen und die jeweilige Leserschaft möglicherweise motivieren, tiefer in die Thematiken einzusteigen und bei Möglichkeit auch individuell zu handeln. Das Prinzip der Eigenverantwortung tritt auch bei Unwetterfolgen und demzufolge auch Unwetterfolgenprävention zutage. Zahlreiche Eigenheimeigentümer besitzen beispielsweise keine „Rückstauklappe“. Mit dieser ist es möglich, sich gegen aufsteigendes Wasser aus der Kanalisation zu schützen, wenn die kommunalen Kanalsysteme schlichtweg nicht mehr in der Lage sind, die Wassermassen in der dafür zur Verfügung stehenden Zeit abzuleiten. Der Einbau einer solchen Schutzmaßnahme kann zumindest das Schlimmste verhindern und verschlingt keine Unsummen. Auch sogenannte Schottergärten tragen beim ohnehin nicht gerade wasseraufnahmeaffinen Taunusboden nicht dazu bei, dass Regenwasserversickerung stattfinden kann. Nur zwei Beispiele, bei denen jede und jeder Wohnraumeigentümer und -vermieter handlungsfähig ist.

Klimawandel

Seit dem Messbeginn im Jahr 1881 war das Frühjahr 2024 in der Bundesrepublik Deutschland das bislang wärmste. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) lag das neue Allzeithoch der Temperaturmessung eines Frühjahrs mit durchschnittlich 10,8 Grad um 3,1 Grad im Vergleich höher als in der international gültigen Referenzperiode zwischen den Jahren 1961 bis 1990. Die wärmeren Temperaturen sind gleichzeitig auch Ursache für stärkere Regenfälle. Im Frühling fielen bundesweit ungefähr 235 Liter pro Quadratmeter im Durchschnitt. Zwischen den Jahren 1961 bis 1990 wurden 186 Liter pro Quadratmeter, zwischen 1991 bis 2020 171 Liter pro Quadratmeter gemessen. Auch wenn es stets derartige Unwetter gab: Die Anzahl von Starkregenereignissen nahm in den letzten Jahrzehnten deutlich zu. Laut DWD führe der CO2-Ausstoß zu einer Erwärmung des Planeten Erde. Daraus entstünden Hitzewellen und Dürren. Diese wiederum riefen vermehrt Starkregenereignisse hervor. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen und regnet diesen dann ab. Ein Satz mit einer wissenschaftlichen Erkenntnis, der nicht allzu schwer zu merken ist.

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