Kronberg (kb) – Vor gut 25 Jahren haben der damalige Schulleiter der Altkönigschule Walter Heist und Lehrer Jürgen Matern die Kreisau-AG gegründet, die den Grundstein gelegt hat für eine starke Bindung zwischen Kronberg und Krzyzowa nahe Breslau sowie eine lange Tradition der regelmäßig stattfindenden Fahrten von Oberstufen- sowie Haupt- und Realschülern nach Südpolen.
Schulleiter Martin Peppler freute sich nun ganz besonders über die Vorstellung des zweisprachigen Buches mit dem Titel „Kreisau/Krzyzowa. 1945 – 1989 – 2019“, da sie sich einreihe in eine Kette von Veranstaltungen wie beispielsweise das 30-jährige Bestehen der Gedenkstätte Kreisau, das man ebenfalls an der Altkönigschule begangen habe. Und so begrüßte er die zwei Autoren dieses geschichtlich-politischen Sach- und Bildbandes: zum einen den aus Warschau angereisten Germanistikprofessor Waldemar Czachur sowie den Mainzer Historiker Dr. Gregor Feindt. Im fast 50 Personen starken Auditorium befanden sich aber auch Männer der ersten Stunde: Geschichtslehrer Henning Zeidler vom Colegio Oficial Alemán in Las Palmas de Gran Canaria, das Heist einst ebenfalls leitete und das seit vielen Jahren Schüler nach Kreisau entsendet, sowie den pensionierten Mathematiklehrer Jürgen Haase, der Kreisau noch aus den frühen Neunziger kennt. Aufs Herzlichste dankte Schulleiter Peppler dem Lions Club Kronberg als großem Unterstützer des Projekts, der vielen Kindern aus anderen europäischen Ländern überhaupt erst die Teilnahme ermöglicht habe, außerdem dankte er dem Hochtaunuskreis sowie der Stadt Kronberg, Alexander Heist, einem weiteren Unterstützer und Sohn des ehemaligen Schulleiters und last but not least den beiden verantwortlichen Lehrern Martin Fichert sowie Daniel Keiser. Moderiert wurde die Lesung von Dr. Miriam Shabafrouz von der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn, die selbst Pennälerin an der Altkönigschule war und im Jahre 1999 ihr Abitur abgelegt hat.
Kreisau-AG
Geschichtslehrer Fichert hob im Anschluss die Bedeutung der Kreisau-AG für die Altkönigschule hervor, denn die jährlich stattfindende internationale Jugendbegegnung mit insgesamt etwa 50 Schülern aus Gran Canaria, Warschau, Brest in Weißrussland, Prag sowie eben Kronberg sei das längste und internationalste Projekt in Krzyzowa und habe schon weit über 1.000 Begegnungen zwischen jungen Menschen ermöglicht und zur Bildung langer Freundschaften beigetragen. Das Zusammenkommen auf dem ehemaligen Hofgut der Familie von Moltke, einer alten preußischen Adelsfamilie, mache (Zeit-)Geschichte an zentralen Orten erlebbar und könne auch im Hinblick auf die Ziele „Völkerverständigung“, „Toleranz“ und „europäisches Zusammenwachsen“ einen großen Beitrag leisten. Umso mehr sei auch er den Lions und der Stiftung „20. Juli 1944“ zu großem Dank verpflichtet.
Deutschlehrer Keiser ergänzt, dass man die historische Bedeutung des Ortes auf drei Ebenen auffassen könne: Zum einen Schloss Kreisau als Alterssitz des Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke, zum anderen als Ort der Kindheit von James Graf von Moltke, aber auch als Ort der Treffen der Widerstandsbewegung „Kreisauer Kreis“ in den Jahren 1942/3; und schließlich Kreisau als Symbol der Versöhnung zwischen Polen und Deutschland im Jahre 1989. Das Programm trage all dem Rechnung: Man besuche die KZ-Gedenkstätte Groß-Rosen, führe Gespräche mit Zeitzeugen der Solidarnosc-Bewegung und kooperiere in Arbeitsgruppen. Ferner habe sich die Gruppe der Altkönigschule bereit erklärt, die Grabstätten der von Moltkes zu pflegen.
Die Autoren
Die Autoren des Buches ihrerseits sind Kreisau ähnlich lang verbunden wie die Kronberger Altkönigschüler: Prof. Dr. Czachur, der die deutsche Sprache in der Schule erlernte, nahm während seines Germanistikstudiums an einem internationalen Studentenaustausch nach Kreisau teil und engagiert sich seit 2007 ehrenamtlich für die Stiftung. Czachur betonte hierbei, dass ihm zum ersten Mal in dieser kurzen Woche der Begegnung mit so vielen Studenten aus aller Herren Länder seine eigenen alten Denkmuster bewusst geworden seien. So habe er eben Alternativen kennenlernen und daher feststellen dürfen: „Ah, so kann man auch denken!“ Das habe seine Verbundenheit zu dem Ort begründet. Dr. Gregor Feindt berichtet, dass er die Gelegenheit ergriffen habe, in den Jahren 2003/4 seinen Freiwilligendienst in der Stiftung Kreisau abzuleisten; seit 2007 sei er in verschiedenen Stiftungsgremien aktiv.
In seinem Vortrag stellte Feindt schließlich sein Spezialgebiet vor, nämlich die Inspiration des Kreisauer Kreises insbesondere für die christlich-katholische Opposition in der DDR Czachur berichtet davon, dass Kreisau für die Polen kein einfacher Ort sei und daher die deutsch-polnische Versöhnungsmesse drei Tage nach dem Fall der Mauer auf dem ehemaligen Moltke-Gut, ein vom damaligen polnischen Premier Mazowiecki Helmut Kohl unterbreiter Vorschlag zur Güte, den symbolischen Charakter eines auf christlichen Werten gegründetes Europa habe.
Wichtig für das historische Lernen
Doch eines sei klar: Kreisau ist ein Ort des Kennenlernens und der Freundschaft. Czachur hierzu: „Die Authentizität des Ortes ist wichtig für das historische Lernen.“ Nicht verwunderlich, dass daraufhin eine Schülerin berichtet, wie bei allen Teilnehmenden der Fahrt 2019 die Tränen flossen bei einer Lesung von Briefen der Freya von Moltke an ihren Gatten James im dunklen Raum des Berghauses auf dem Hofgut.
Wer mehr wissen wolle, möge das Buch lesen, zu viel solle ja nicht vorweggenommen werden, warf Feindt schmunzelnd nach gut anderthalb Stunden Abendveranstaltung ein, und Czachur fügte hinzu: Auch wenn der Versöhnungsmesse 2019 beide Staatsoberhäupter ferngeblieben seien, sei Kreisau ein höchst intimer Ort, der Menschen verändere in einer deutsch-polnisch-europäischen Dimension.