Kronberg Acadamy on tour – next stop Carnegie Hall

Glänzende Juwelen nicht nur im Publikum: Marc Bouchkov, Stephen Waarts, Antoine Tamestit, Matthew Lipman, Jonathan Roozeman und Gary Hoffmann sorgten mit ihrem temperamentvollen Spiel auf erlesenen Instrumenten für ergreifende und strahlend schöne Musik zum neuen Jahr.
Foto: P. Truchsess

Kronberg (aks) – Laetitia Cropp, Mezzo-Sopranistin aus Kronberg, hieß alle Anwesenden aufs Herzlichste im Namen der Kirchengemeinde St. Johann willkommen und wies voll Stolz auf die wunderbare Akustik dieser Kirche aus dem 15. Jahrhundert mit dem hölzernen Tonnengewölbe hin: ein „wunderbarer Ort für Musik“, die hier auch das ganze Jahr hindurch gespielt werde – und zwar auf hohem Niveau, allen voran Kantor Bernhard Zosel mit seinem Kirchenchor. Dass Musik verzaubere und nie so ganz aus dem Gedächtnis verschwinde, war das Stichwort für Raimund Trenkler, Gründer und Präsident der Kronberg Academy, der die erwartungsfrohen Freunde und Förderer der Kronberg Academy begrüßte, die sich wegen der Baustelle vor dem Parkhaus um ein akademisches Viertelstündchen verspäteten. Er freute sich sichtlich über das „full house“. Das heutige Konzert sei etwas ganz Besonderes, eine Art „Pre-Concert“, also eine Art Generalprobe, für vier junge Musiker und ihre Meister, die von Kronberg aus „on tour“ in die Welt hinaus ziehen werden mit Brahms’ Streichquintett Nr.2 G-Dur op. 111 und Peter Tchaikovskys Streichsextett in d-Moll op. 70, „souvenir de Florence“: Herausragende Kammermusiker, die mit der Kronberg Academy fest verwurzelt sind.

Die Besten ihrer Klasse

Ein musikalischer Leckerbissen war zu erwarten: Mit den exzellenten Geigern Marc Bouchkov und Stephen Waarts, den Kronbergern bekannt durch ein Graffiti, das den Receptur-Hof schmückt, dem Bratschisten Antoine Tamestit, der zuletzt in Kronberg mit Tabea Zimmermann konzertierte und der eine seltene Bratsche von Stradivari spielt (1672 und von unschätzbarem Wert), sowie dem zweiten sehr jungen Bratschisten Matthew Lipman war man den jungen Sternen am Musikhimmel ganz nah. Am Cello, „Senior Artist“ Gary Hoffman, Gastdozent der Kronberg Academy, und der 23-jährige finnisch-holländische Cellist, Jonathan Roozeman, der in Kronberg bei Frans Helmerson studiert. Die Meister Hoffman und Tamestit, weltweit angesehen als Solisten auf höchstem Niveau, geben in Meisterkursen und gemeinsamen Konzerten ihr farbenreiches und ausdrucksstarkes Spiel an die Nachwuchstalente weiter und lassen sich durchaus von der jugendlichen Leichtigkeit ihrer Meisterschüler inspirieren.

An diesem Abend lag eine elektrisierende Leidenschaft für die Musik in der Luft, gepaart mit außergewöhnlicher Virtuosität, die sich auf alle Anwesenden sofort übertrug. Es herrschte andächtige Stille, niemand wollte einen Ton verpassen. Man wurde ergriffen von einem überaus lebendigen Brahms voll melancholischer Heiterkeit und doch ausgelassener Csárdás-Fröhlichkeit, von emphatischem Cellogesang ebenso wie von Walzeranklängen. Er war Zeitgenosse von Peter Tchaikovsky, der die Streicher mit seinem Sextett herausfordert, das er selbst als Meisterleistung bezeichnete, noch ganz unter dem Eindruck seiner „Pique Dame“ voll aufgewühlter – und aufwühlender – Emotion, leiser Romantik wie in einem Liebesduett und russischer Polka voller Pathos.

Lust am Spiel

Hier wurde die Lust an der Musik hörbar und spürbar, das gesamte Publikum hielt unwillkürlich beim betörenden Klang der Geigen, Bratschen und Celli den Atem an. Die Musiker schienen innig verbunden, sie tauschten nicht nur Blicke aus, sondern lachten sich an. Waarts lobte Bouchkov ganz spontan für sein gelungenes Solo beim Adagio von Tchaikovsky – ein Geste von Herzen. Innerlich scheinen die Künstler zu jauchzen vor Glück. Äußerlich legen sie eine ungewöhnliche Körpersprache in ihr Spiel. Bouchkov möchte sich nicht nur mit seiner Musik mitteilen, sondern auch mit seiner expressiven Art zu spielen. Sein Credo: „The music we are performing can be personal, but you have to share it whether it is a symphony, or a concerto, or chamber music, or even if it‘s solo music“: Musik teilen und vor allem mitteilen. Der 29-jährige Bouchkov, der nach seinem Studium in Kronberg bei Mihaela Martin künstlerischer Assistent bei der Kronberg Academy wurde, lockt den Zuschauer, ihn anzusehen, wie er mit energischem Körpereinsatz spielt und verführt ihn, seinem Zauber zu verfallen. Was für eine Faszination und welche Ausstrahlung!

Vorbei scheinen die Zeiten vornehmer Zurückhaltung mit ernsten Mienen: die neue Generation Musik zeigt Gefühle, wie die populären Cellisten Luka Sulic und Stjepan Hauser oder wie seit zehn Jahren „Wundergeiger“ David Garrett, die ganze Arenen füllen. Sie ziehen vor allem junge Menschen dank ihrer hohen Emotionalität in ihren Bann. Dabei lauert überall die Gefahr, ins Kitschige und ins Pathetische abzugleiten. Von übertriebener „Show“ waren die „Seniors“ und „Juniors“ am Mittwochabend trotz ihrer unbekümmerten Freude am gemeinsamen Spiel weit entfernt. Die wunderschönen heiligen Hallen der evangelischen Kirche und ein herausforderndes Programm taten ihr Übriges. Das Publikum dankte es ihnen mit tosendem Applaus.

Was für ein Glück, dabeigewesen zu sein! Wie berauscht, geblendet und blinzelnd, „geflasht“ eben, trat man den Nachhauseweg an. Immer noch strahlte die Musik wie ein Komet in der Nacht. Nun heißt es, von Kronberg aus die Welt erobern: Nächster Halt Carnegie Hall, wo am 5. Mai des Jahres 1891 Tchaikovsky zur Eröffnung persönlich seine Werke dirigierte. Für zwei Dollar Eintritt konnte man bei dieser Premiere einen Weltstar erleben. Das Jahr wird spannend: Happy new year Kronberg Academy!



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