Kronberg am Meer – musikalische Sommerreise mit Quadro Nuevo

Vom Meer träumen auf der grünen Wiese des Victoriaparks mit Quadro Nuevo als Traumfänger: Chris Gall (Piano), Andreas Hinterseher (Bandoneon, Vibrandoneon, Akkordeon), Mulo Francel (Saxophon, Klarinette, Mandoline, Sanusa) und D.D. Lowka (Kontrabass, Percussion)

Foto: Sura

Kronberg (aks) – Ein Sonnenuntergang wie im Bilderbuch am Samstagabend im Victoriapark bei sommerlichen Temperaturen. Im zweiten Anlauf konnte das heiß ersehnte Konzert „Mare“ von Quadro Nuevo auf der „Bühne im Park“ stattfinden. Das Quartett mit einer Liebe zur nostalgisch-akustischen Musik brilliert mit Musikern, die mit größter Spielfreude und Leidenschaft ihren Instrumenten hinreißende Klänge entlocken und die mit immer neuen Improvisationen teils vergessener Lieder und Weisen ihre Zuhörer in Atem halten.

Dorothée Arden und Michael Glebocki, alias Kronberger Kulturkreis, war die Erleichterung anzumerken, dass es endlich losgehen durfte mit einem weiteren „Kronberger Kulturhäppchen“, in diesem Fall mit ganz großem Musiktheater. Die dankbaren Zuschauer pilgerten zahlreich zum Konzert von Quadro Nuevo auf die grüne Wiese, um endlich wieder musikalische Höhenflüge der vier schillernden Musiker und Weltenbummler zu erleben, die die Welt in eigenen Tonpoesien verdichten – und, um ein wenig Meer zu spüren. Diesmal schwappten die Wellen aller sieben Weltmeere nach Kronberg.

Zwei Stunden Klangreise

Die Sehnsucht nach dem Meer, „la voglia di mare“, wie sie die Italiener nennen, in Kronberg wurde sie schon in den ersten Minuten gestillt, sofort nach der launigen Begrüßung von Mulo Francel, dessen herzliche Worte auf viel Gegenliebe stießen.

Auf der Open-Air Holzbühne im Victoriapark lauschten circa hundert Zuschauer auf Holzklappstühlen hingerissen den verführerischen Klängen der vier Musiker Mulo Francel, Didi Lowka, Andreas Hinterseher und Chris Gall, die seit 25 Jahren gemeinsam auf der Suche nach immer neuen Sounds sind und dabei die Evergreens und Klassiker aus aller Welt in ihr Programm aufnehmen, aber auch neue Kompositionen zu Gehör bringen, die sich ins Ohr schlängeln und noch lange belebend nachwirken.

Träume vom Meer

Rhythmische Tangos, fetzige Sambas, nachtträumerische „Valses musette“, italienische Ohrwürmer und sogar Mozarts „Bona Nox“ in atemberaubenden Interpretationen, zauberten Strand und das Plätschern der Meereswellen herbei – und ein Lächeln auf die Gesichter. Es fehlten eigentlich nur Liegestühle und eisklirrende Caipirinhas und Mojitos für echtes Copacabana-Feeling. Wegen Corona war eine Bar mit Spirituosen ebenso Fehlanzeige wie kleine Hungerhäppchen: Getränke und Picknick durfte jeder selbst mit auf die Wiese bringen. Der „Samba di Didi“ des großen blonden Didi Lowka, mit dem Kontrabass, gezupft und geklopft, übrigens ein Prototyp (das Instrument!) mit sechs Saiten für celloartigen Klang, war brasilianische „Alegria“ pur. „Torna a Surriento“, ein traditionalles neapolitanisches Lied mit Mulo Francel an der Mandoline, ließ das Herz aller Italienliebhaber höher schlagen. Als Herzensbrecher an der Mandoline zum orientalischen Schlangenbeschwörer an der Klarinette bis hin zum Verführer am Saxophon mit Piazzollas „Fuga y misterio“, Mulo Francel schlüpfte in viele Rollen und unterhielt als Entertainer mit heiteren Wort-Schmankerln die Fans.

Mit der Sansula vor dem Bauch, eine Weiterentwicklung der Kalimba, die warme sanfte Töne erzeugte, bewies er seinen Spaß an Überraschungen – und die Bühne am Park überzeugte mit guter Akustik. Die Kronberger Luft hing voller schöner Melodien, bis es dunkel wurde. Magisch schwebte auch die Komposition „Yorke‘s Guitar“ des Pianisten Chris Gall, der bei namhaften internationalen Jazzfestivals Wellen schlägt, um im Bild zu bleiben, mit reinen hellen Klängen in den Himmel. Er empfinde jede Art der Live-Musik, ob mit oder ohne Publikum, als Trost. Damit sprach er vielen aus dem Herzen, die Dankbarkeit für diese mediterran leichten Stunden empfanden, die von Zeit und Raum befreiten und manchem sogar halfen, „aus dem inneren Gefängnis auszubrechen“. So wie „Ikarus‘ Dream“, ein Stück, das Quadro Nuevo auf Samos mit Blick auf das ikarische Meer einspielte. Andreas Hinterseher erlebte sein „inneres Gefängnis“ im Lockdown und so plauderte er im Tegernseer Dialekt seiner Heimat, wie er allein verschiedene Instrumente einspielte, nacheinander versteht sich, um sie dann zu einem Ganzen zu verschmelzen. Jedes Instrument besitze eine eigene Persönlichkeit, das Bandoneon sei „der Macho“, das Akkordeon „schräg“, die Trompete klinge „wie ein Angeber“ und das Schlagzeug wie „Jack Nicholson – gut für die Stimmung!“ Nun dürfen die kongenialen Instrumental-Musiker wieder im innigen Dialog vereint miteinander spielen und sie klingen wie in der Sonne glitzerndes Meeresrauschen. Ihr Credo: „Wir arbeiten daran, dass wir ein Instrument werden.“ Das Paradox „Stay away and play“ habe man versucht, in „tolle Musik umzuwandeln“ – die „standing ovations“ des Publikums gaben ihnen recht.

Klingender Sundowner

Großes Kino zum Abschied: Cinema Paradiso, die weltberühmte Filmmusik von Ennio Morricone, stimmte wehmütig. Die Erinnerungen an frühere sorglose Sommer waren wie ein Stich ins Herz, schließlich können wir den Sommer immer noch nicht ganz „virenfrei“ genießen. Die Musik von Quadro Nuevo war, wie angekündigt, „eine südliche Meeresbrise“, eine betörende Reise in unbekannte Paradiese, ein Highlight in diesem Musiksommer und ein Trost war sie ganz gewiss nach der langen Pause!



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