Kronberg (pf) – Skulpturen, Bilder und Lyrik in einer Ausstellung – das ist ebenso ungewöhnlich wie interessant und lädt ein zu anregenden Gedankenspielen. Am vergangenen Freitag wurde im oberen Foyer in der neu geschaffenen „Galerie im Altkönig-Stift“ eine Ausstellung mit Werken des Oberurseler Künstlers Karl-Heinz Sehr eröffnet, der nicht nur als Bildhauer beeindruckend formschöne Skulpturen geschaffen hat, sondern sich mit seinen Gemälden und gerahmten Gedichten, die er den Objekten und Bildern zugeordnet hat, auch als stilsicherer sensibler Maler und Lyriker präsentiert.
Erst nach 45 Jahren im Schuldienst hat sich der studierte Kunstpädagoge seinen Traum erfüllen können, großformatige Kunstwerke auch für den öffentlichen Raum zu schaffen. Skulpturen aus Ton formte er in seiner Keramikwerkstatt zwar schon während seiner Zeit als Lehrer an der Bad Homburger Gesamtschule am Gluckenstein, doch sie waren in der Größe beschränkt – schon allein durch das Volumen seines Brennofens. Die Arbeit mit Holz, Metall, Stahl und Stein stellte ihn dann vor völlig neue Herausforderungen.
„Sich im Alter von 65 Jahren mit schweren Kettensägen oder kleinen Stechbeiteln auf eine bildhauerische Auseinandersetzung mit zum Teil drei bis fünf Meter langen dicken Eichen-, Kirsch-, Walnuss- oder Pflaumenbaumstämmen einzulassen, lässt einen erst einmal demütig werden“, bekannte er bei der Ausstellungseröffnung. Der spannende Dialog mit den Eigenarten der Natur, den Wuchsformen eines Wurzelholzes, den Verletzungen, Rissen und Torsionen eines Stammes hätte erst beginnen können, nachdem er sich mit Werkzeugen wie Rollen, Hebeln und Flaschenzug vertraut gemacht hatte, Werkzeuge, die bereits die ägyptischen Pyramidenbauer nutzten. Und der angedachte kreative Prozess, berichtete er, nehme durch die wunderschöne Maserung eines Holzes, die plötzlich sichtbar werde, mitunter eine unerwartete Richtung und führe, oder besser verführe, zu einem völlig anderen Thema.
Im Gegensatz zu Arbeiten mit Ton, wo sich Material aufbauen und anfügen lässt, erfordere die Arbeit mit Holz und Stein hohe Konzentration, denn was dabei einmal abgetragen sei, sei unwiederbringlich weg. „Plötzlich zwingt so die harte, schweißtreibende Arbeit zu Meditation und Innehalten – oder umgekehrt – der meditative Dialog zu stundenlangem Aufspüren und Freilegen neuer Schichten und adäquater Formen“, so schilderte es der Künstler.
Zu einigen seiner Arbeiten wie der großen Stahlskulptur, die seit 2013 im Park des Altkönig-Stifts steht, gestiftet vom damaligen Bewohner Wolfgang Köhler, ließ er sich durch Gedichte aus der klassischen Literatur inspirieren, andere Werke waren ihm Anlass zu eigenen poetischen Betrachtungen. „Schriftzeichen“, so formulierte er es, „fungieren als Metaphern. Mir erscheinen sie wie sprachliche Bildhauerei. Lyrik meißelt ja förmlich aus unserer allgemeinen Umgangssprache so etwas wie Klang- und Wortskulpturen.“
„Metaphern des Werdens“ hat Karl-Heinz Sehr der Ausstellung als Titel gegeben. Für ihn erzählt alles Sein vom Werden und alles Werden ruft nach Sein. Abstrakte Begriffe wie Zeit, Seele, Gefühle transformiert er mit den Werkstoffen Holz, Bronze, Stahl, Stein und Keramik in eine skulpturale Bildsprache, macht innewohnende Kräftefelder, Prozesse und Strukturen und das Wesenhafte von Sein und Werden irdischer Existenz sichtbar. Seine Werke laden nicht nur zum Betrachten und Lesen ein, sondern auch zur gedanklichen Auseinandersetzung, die aus dem Wechselspiel zwischen Bild, Skulptur und Gedicht entsteht. Die Ausstellung in der „Galerie im Altkönig-Stift“ ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Erstmals wird es zum Ende am Freitag, dem 13. September, von 16.30 bis 19 Uhr eine Finissage geben, bei der Karl-Heinz Sehr aus seinen lyrischen Werken liest. Dazu wird der bulgarische Pianist Georgi Mundrov am Flügel passende Kompositionen interpretieren und mit der Musik eine weitere künstlerische Dimension ins Spiel und in den Dialog bringen.