Martin Mosebachs Lesefestival im Museum der Malerkolonie

Stadtrat Hans Robert Philippi mit Autor Martin Mosebach, der im Rahmen des Frankfurter Lesefestivals aus “Westend” (1992) las, stilvoll “eingerahmt” von den Werken der Kronberger Maler, die in seinem Buch eine Rolle spielen.
Foto: Sura

Kronberg (aks) – Martin Mosebach gehört zu den Besten der schreibenden Zunft. So war es kein Wunder, dass er den Saal des neuen Museums der Malerkolonie in der Villa Winter sprengte. Bereits in Frankfurt sorgte das Lesefestival „Eine Stadt liest ein Buch“ mit seinem Roman „Westend“ für ausgebuchte Veranstaltungen. Das Westend – ein weites Feld: Der Drei-Generationen-Roman von 1992 handelt vom Ende der Nachkriegszeit 1950 bis zum Aufbruch der Achtundsechziger,

Hans Robert Philippi, Kronberger Stadtrat, fühlte sich sichtlich wohl in der Pracht der leuchtenden Kunstwerke, die „ja im Museum die Hauptpersonen“ seien und erzählte aus dem Leben der „Künstlerkolonie“:„Die ständigen Einladungen widerten viele Frankfurter Künstler an, deshalb zogen sie nach Kronberg“, wahrscheinlich, um dort in Ruhe malen zu können.“ Im 19. Jahrhundert, als das Leben immer schneller wurde, fanden sie im lieblichen Taunus einen Sehnsuchtsort und eine Heimat. Auch Anton Burger, der Gründer der Kolonie, zog es vom Kettenhofweg im Frankfurter Westend nach Kronberg. Die Villa Winter, das Zuhause Heinrich Winters, stand bis 1870 in Frankfurt, wurde dann in Teile zerlegt und mitten in Kronberg wieder aufgebaut. Sogar eine Verbindung zu Ernst Ludwig Kirchner bestand, dessen „Stehender Akt mit Hut“ heute zu den Glanzstücken des Städel Museums zählt. Kirchner freundete sich in seiner Zeit in Davos mit dem Orgelliebhaber und Restaurator der Burg Kronberg, Julius Hembus, an, dessen Auftraggeberin Kaiserin Victoria höchstpersönlich war. Das Bild „Großes Liebespaar“ von 1930, das in Davos hängt, zeugt davon.

Martin Mosebach befand sich für seinen Auftritt in stilvoller Umgebung, obwohl er, wie er sagte, noch nie hier gewesen sei, aber schon immer habe er ein besonderes Verhältnis zu den Malern gehabt. Mit dem Thema Malerei beginnt der Autor seine mit Spannung erwartete Lesung aus dem ersten Kapitel, in dem es um ebenjene „Dame mit dem schwarzen Hut“ geht, die heiß begehrt von einem angehenden Frankfurter Kunstsammler, Dr. Eduard Has, ist, ein wohlhabender Bürger, Spross der Olenschläger Immobilien-Dynastie, für den Geld keine Rolle spielt und dessen Mutter bereits eine repräsentative Sammlung der Kronberger Maler besitzt. Es ist sein zweiter Besuch in Basel im Haus des Kunstexperten Guggisheim. Beim ersten hat er ein Auge auf Kirchners Werk gehabt und bereits Bilder gekauft, die größeren „Expressionisten“ passten allerdings nicht in seinen Kofferraum: „Die Bilder der Expressionisten sind größer, die der Kronberger Schule kleiner als sie wirkten“.

Kirchners „Dame“ kann er nicht vergessen, und so kommt er wieder und begehrt das Objekt seiner Leidenschaft auch zu besitzen. Nach „Frankfurter Empfindungsart“, wie es Mosebach ironisch beschreibt, begehrt er Einlass und Aufmerksamkeit: „Das Bedürfnis, erwartet zu sein auf allen Plätzen in den Salons und auf den Tribünen“. Es ist eine Wonne, der klaren Sprache Mosebachs mit einem unüberhörbaren Anflug von Sarkasmus zu lauschen. Er beschreibt als aufmerksamer Beobachter Situationen so gut mit Worten, dass man meint, die schweißglänzende Stirn des Käufers oder den „gepflegten Schweinekörper“ des Verkäufers zu sehen und die Anspannung dieses delikaten, weil kulturellen, Dialogs zu spüren. Der Schweizer Kunsthändler, der im Besitz dieses Glanzstücks des Expressionismus und vieler anderer Kunstwerke ist, die bei den Nationalsozialisten als „entartete Kunst“ galten, zieht vom Leder, nachdem ein Nein den aufdringlichen Besucher seiner Heiligen Hallen nicht in seine Schranken weist und dieser sich keineswegs zum Gehen bemüßigt fühlt. Er hält eine „Predigt“ darüber, was sammeln bedeutet, von oben herab voller Verachtung für die „Niederungen“ der neureichen Sammler. Man könne nicht einfach sammeln, so belehrt er. Wichtig sei einzig und allein die Sammlung: „Sie, lieber Herr Has, haben sich in „die Dame mit dem schwarzen Hut“ verliebt. Private Verliebtheiten gehen mich nichts an. Ich arbeite für Sammler, nicht für Innendekorateure!“. Alle Belehrungen, alle Erniedrigungen nimmt Has in Kauf, als Ausdruck seiner Bereitschaft zur Hingabe für dieses Meisterwerk.

Der Sammler müsse sich dem Händler in die Hand geben, denn der bleibe mit leeren Händen zurück – dies sei die lebenslange Verpflichtung des Sammlers –„ein steiniger Weg!“, so Guggisheim.

Mosebachs trockener Witz bringt das Publikum immer wieder spontan zum Lachen. Die Erzählung wird immer absurder und komischer: Der Sammler will kaufen, koste es was es wolle, der Händler will nicht verkaufen, weil es ihm um Werte geht und er den Frankfurter Bürger in die Schranken weisen möchte. Drastisch und karikativ überzeichnet, klischeehaft und doch überraschend lebensecht schildert Martin Mosebach meisterhaft das Kräfte-Ringen wie auf einem Basar. Beide Kontrahenten spielen ihre Rollen bravourös, wie in einem Stück von Dürrenmatt. Absurderweise sind beide von großer Eitelkeit und Gier getrieben. Die verbalen Knebel werden immer härter. Die metaphysische Ebene ist schnell erreicht, schließlich gehe es um ein „ewiges Gesetz“, darum müsse man der „Versuchung widersagen“, um den Preis zu feilschen.

Es geht, wie so oft im Leben, nicht nur um die Kunst, sondern um die Wertschätzung derer, die mit ihr verbunden sind. Da darf der Ton schon einmal scharf und zynisch werden, um dann doch ein versöhnliches Ende zu nehmen: „Gut, wir wagen den Versuch!“ Guggisheim erbarmt sich: „Das Bild wird auf Sie warten, wenn Sie auch beweisen, dass Sie treu sind“.

Das ist die Botschaft, die der Schweizer dem Deutschen mit auf den Weg gibt: Wenn er warten kann und vertraut, wird er von der „Dame mit dem schwarzen Hut“ belohnt werden. So sybillinisch das Schlusswort des ersten Kapitels auch ist, umso mehr Lust machte es auf die Lektüre dieses Buchs. Das Publikum war nach einem begeisterten Applaus verstummt. Fragen gab es keine, was daran liegen mag, dass Martin Mosebach mit seiner facettenreichen Geschichte alles gesagt hatte.



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