Professor Dr. Wolfgang Jaeschke alias Numa
Kronberg (mg) – Fragt man in Kronberger Straßen und Gassen Passanten, ob sie Robert Baden-Powell kennen, trifft man auf zahlreiches Achselzucken und Kopfschütteln. Erwähnt man gleichzeitig den Begriff „Pfadfinder“, besitzt zumindest jede Person einen Gedanken hierzu, nahezu ausnahmslos positiv formuliert, gleichzeitig mit inhaltlich überschaubarem Inhalt. Der Brite Lord Baden-Powell, Sohn eines Professors für Theologie und Geometrie an der Universität Oxford, ist Begründer der weltweit größten Jugendbewegung „Scout Movement“, hierzulande schlicht und ergreifend Pfadfinder. Und Pfadfinderinnen. Baden-Powells Großvater inspirierte ihn bereits im Kindesalter für die Themen Natur und Soziales. Und weckte gleichzeitig seine Abenteuerlust, den Drang, zu entdecken und zu erfahren. Häufig besuchten beide den Londoner Hyde Park. Dort zeichneten sie äußerst genaue Karten des grünen Areals.
Soziales und Umwelt
Später unternahm Baden-Powell viele Streifzüge durch die Armenviertel der englischen Hauptstadt und begriff auf diese Weise Leid und Elend der Menschen, die dort wohnten, häufig schlichtweg gerade noch existierten. Ihm fiel schon im Alter von acht Jahren auf, dass die Bürgerinnen und Bürger in den ärmlichen Quartieren sich bereits optisch durch lumpenartige Kleidung vom Rest der Bevölkerung unterschieden. All das missfiel ihm, begann rasch in ihm zu „arbeiten“ und führte schlussendlich zum Entstehen der Pfadfinderkluft. Jede freie Minute, die er aufwenden konnte, investierte er auch, um die Tierwelt zu beobachten und deren Spuren kennenzulernen. Das „Spurenlesen“ führte letztlich auch zu den ersten britischen Stämmen, den „Scouts“. Der bereits in seiner Persönlichkeit angelegte Pioniergeist wurde größer und umfänglicher, stets mit einer großen Note Gerechtigkeits- und Gemeinschaftssinn. Diesen lebte er auch auf Ferienfahrten in Zeltlagern aus, die er häufig mit seinen vielen Brüdern gemeinsam unternahm. Auch in seinem späteren Leben interessierte sich der Mensch Baden-Powell für die Teile der Gesellschaft – weltweit –, die sozial benachteiligt waren. Dabei bereiste er Länder wie Indien und lernte Hindi, um sich ein eigenes Bild von der jeweiligen Lage, auch im Austausch mit Bevölkerungsgruppen, machen zu können. Die meisten seiner internationalen Aufenthalte verbrachte Baden-Powell als Angehöriger der britischen Armee, in der er durch seine Kartierungskünste und Kompetenzen im Spurenlesen berühmt wurde. In seiner Rolle als Major und später als Lieutenant-General war ihm gleichzeitig ebenfalls sehr daran gelegen, andere Kulturen kennenzulernen, sich nicht über diese hinwegzusetzen und die Menschen vor Ort selbst zu ermächtigen und zu respektieren.
Gründung im Jahr 1907
Im Jahr 1910 beendete er seine Karriere und steckte fortan seine ganze Energie in die von ihm drei Jahre zuvor gegründete Pfadfinderbewegung. Im Jahr 1908 erschien sein elftes Buch in der Bestseller-Reihe „Scouting for Boys“, das nach wie vor als eines der bedeutendsten pädagogischen Werke des 20. Jahrhunderts gilt und zum ersten Mal den Grundsatz „Learning by Doing“ (Lernen durch Handeln) in Druckform manifestiert – Erziehung, verbunden mit Erleben. Heutzutage würde man die Begriffe „Selbstermächtigung“ und „Achtsamkeit“ in seinen Büchern vermutlich häufig wiederfinden. „Die Natur gab uns eine Zunge, aber zwei Ohren, so dass wir doppelt so viel hören können als sprechen“, formulierte Baden-Powell einst eine Quelle der Orientierung im Pfadfinderwesen. Zuzuhören, mitzudenken und sich dann im Sinne der Gemeinschaft zu positionieren, wenn es notwendig ist, ohne sich in den Vordergrund und den „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ zu rücken – das mündet in eine der Devisen der Bewegung. Erneut taucht hier der Begriff „Wesentlichkeit“ auf – wesentliche Kommunikation. Jenseits von Phrasen und Oberflächlichkeit. Auf den Punkt. Im Sinne und Dienste der gemeinschaftlichen Sache.
Kinder und Jugendliche
Wer sich Walt Disneys Donald Duck Comicbände in Kindheit, Jugend oder gar später zu Gemüte führte und vielleicht noch führt, weiß vermutlich, dass es auch in Entenhausen einen Pfadfinderstamm gibt: Fähnlein Fieselschweif. Ducks Neffen Tick, Trick und Track setzen sich in zahlreichen Geschichten und eigenen Bänden für den Erhalt der Natur und den Schutz der Tiere ein. Frühkindliche Prägung schafft gemeinschaftliche Werte und soziale Haltung, keine Frage. Das kann man in Bildergeschichten erfahren oder am besten in der Gemeinschaft vor Ort im Stamm. Beides gleichzeitig schadet ebenfalls nicht. „Man muss keine Fertigkeiten oder Talente mitbringen, wenn man sich entscheidet, Pfadfinderin oder Pfadfinder zu werden. Der Zugang ist unkompliziert und niedrigschwellig. Häufig sind es auch introvertierte, zurückhaltende Kinder und Jugendliche, die dort einen Platz finden, den sie bislang noch nicht entdecken konnten“, beschreibt es Steffi Vorbeck aus jahrzehntelanger Erfahrung gegenüber dem Redakteur auf dem Gelände im Kronberger Stadtteil Schönberg. Sie ist die 1. Vorsitzende des Fördervereins des Pfadfinderstamms Schinderhannes, der seit 61 Jahren existiert. Im Gegensatz zu Sportvereinen zähle hier kein Leistungsprinzip, so Vorbeck, gleichzeitig sei ein Pfadfinderleben voller natürlicher Abenteuer. All das ist eingebettet in ein Umfeld, das durch die Stammesführerinnen und Stammesführer einen humanistischen und sozial adäquaten Rahmen liefert, der zur selben Zeit den Kindern und Jugendlichen sehr viel Freiraum zur Verfügung stellt. „Wir wussten anfangs gar nicht so genau, warum wir hier waren“, berichtet Steffi Vorbeck und ergänzt: „Wir haben einfach ‚gemacht‘.“ In diesem Zusammenhang schildert sie mit leuchtenden Augen, wie die Jugendlichen damals selbst die Toilette renovierten, das Stammeshaus einrichteten und den gesamten Hof professionell pflasterten, ohne es jemals gelernt zu haben. Auch hier tritt der Selbsterfahrungswert des Pfadfinderdaseins zu Tage.
Liberal im besten Sinne
In diesem Zusammenhang der Freiheit erhält der Begriff „liberal“ glücklicherweise eine positive Zuschreibung, ist er doch seit den 1980er Jahren hierzulande häufig genug von „Raubtierkapitalisten“ verfremdet, instrumentalisiert und auf die scheinbar so „klugen“ Finanzmärkte losgelassen worden. Liberal im Pfadfinderwesen bedeutet die Anerkennung des Individuums, das im sozialen Kontext existiert und bei Schwäche nicht zurückgelassen wird. Das Wesentliche zählt, und das ist Kooperation. Nun ist das Wesentliche dennoch häufig subjektiv im Empfängerhorizont gefärbt.
Versucht man gleichzeitig, den Gedankenmoment zu formulieren, auf den sich zumindest die halbwegs und sozial klar denkenden Menschen dieser Zeit noch einigen können, ist man rasch vollumfänglich im persönlichen Kosmos einer Pfadfinderexistenz angekommen. Grundsätze sind unter anderem, den anderen zu achten, zur Freundschaft beizutragen, aufrichtig und zuverlässig, aber auch kritisch und verantwortungsbewusst zu sein, Schwierigkeiten anzunehmen und die Natur zu erfahren und bewahren.
Kronberger Stamm
Als Mitglied des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) ist auch die Kronberger Truppe mit blauem Hemd und gelbem oder blau-gelbem Halstuch – wenn sie ihre „Kluft“ tragen – Teil einer religiös und politisch unabhängigen pädagogischen Bewegung für Kinder und Jugendliche. Im Stamm „Schinderhannes“, der seine Heimstätte samt 4.000 Quadratmeter großem Areal seit dem Jahr 1991„Auf der Heide 17“ – am Waldrand in der Nähe des Rosenhofs – gefunden hat, wird neben den klassischen Inhalten und Werten der Pfadfinderbewegung vor allem der Leitgedanke der „jugendlichen Autonomie“ verfolgt. Dieser Schwerpunkt ist charakteristisch für den lokal ansässigen Stamm im Vordertaunus. Sichtbar wird das unter anderem daran, dass die Stammesführerinnen und Stammesführer selten älter als Anfang Zwanzig sind. Aktuell leiten Amrit Goraja und Khaled Sadeq die Gruppe. An sich erziehen sich die Kinder und Jugendlichen zu einem Großteil in ihren „Sippen“ selbst, wobei es alters- und entwicklungsbedingte Unterschiede gibt. Die 7- bis 11-jährigen „Wöflinge“ sind in der sogenannten „Meute“ organisiert. 12- bis 16-jährige „Pfadfinderinnen und Pfadfinder“ wirken in Sippen. Und die über 16-jährigen Gruppenmitglieder nennen sich Ranger (weiblich) und Rover (männlich). Je nach Alter haben sich Arbeitsformen und Methoden entwickelt, die dafür sorgen, dass, basierend auf den gemeinsamen Wertevorstellungen, die individuelle Persönlichkeit heranreifen kann, um im Erwachsenenleben eine freiheitlich demokratische Gesellschaft mittragen und mitgestalten zu können. Man kommt in diesen Zeiten als Demokrat nicht umhin, sich reflexartig mehr Pfadfindernachwuchs zu wünschen.
Etwas bleibt für immer
In einem Garten in Kronberg, der zu einem mit Wein bewachsenen, harmonisch in die grüne Umgebung eingebetteten älteren Haus gehört, trifft der Redakteur auf Professor Dr. Wolfgang Jaeschke, der im reifen Alter von 82 Jahren nach wie vor einen sowohl aktiven als auch humorvollen Eindruck erweckt. Geistreich ohnehin. Sofort findet auch das verantwortungsvolle Spitzbubenhafte in seiner Mimik und seinen Blicken angenehm und zugewandt Platz. Er setzt sich nicht in Szene, sondern besitzt persönliche Präsenz. Eine Gitarre und ein alter Holzofen stehen in der Nähe im Wintergarten; ein wenig Pfadfinderatmosphäre herrscht auch hier vor. Jaeschke kann auf ein mittlerweile langes und ereignisreiches Leben zurückblicken, das er für viele Jahrzehnte gemeinsam mit seiner Frau Anna meisterte. Bereits sein Großvater war Kronberger; er selbst wohnte für lange Zeit am Berliner Platz, sah die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg in den Taunus kommen und kennt die Stadt und ihre Entwicklung. Jaeschke war maßgeblich mit basisdemokratischem Engagement daran beteiligt, dass die Kronberger Burg heute keinem privaten Investor gehört, sondern nach wie vor Teil der Allgemeinheit ist. Dem promovierten und habilitierten Chemiker und ehemaligen Professor für Atmosphärische Chemie geht es in erster Linie um „die Sache“, gleichzeitig hat er eine Armada von Geschichten und Anekdoten im persönlichen Repertoire. Es ist ihm anzumerken, dass der Pfadfinder tief in ihm verwurzelt ist, vielmehr dessen Werte und Haltungen. Diese Errungenschaften scheinen beinahe Platz in seiner DNA gefunden zu haben. Wie auch all die Erfahrungen, die er im und mit dem Kronberger Stamm erlebte. Sehr wahrscheinlich geht es den meisten Pfadfindern so.
Entwicklungen
Von Belang ist für Wolfgang Jaeschke an diesem sommerheißen Nachmittag unter anderem, was aus „Ehemaligen“ des eigenen Stamms wurde, der zunächst noch „Königsadler“ hieß, unter Jaeschkes Stammesführung dann zum Stamm Schinderhannes wurde. Zwei Beispiele führt er aus den eigenen Reihen an. Zum einen Raimund Trenkler, Vorsitzender des Vorstands der Kronberg Academy Stiftung und international ausgebildeter Cellist, und zum anderen Zoltan Spirandelli, Filmregisseur, Produzent und Drehbuchautor, der für den Film „Vaya con Dios“, in dem Daniel Brühl eine Hauptrolle, damals noch als Nachwuchsdarsteller, besetzte, im Jahr 2002 den Bayerischen Filmpreis erhielt. Im Rahmen des diesjährigen Jubiläumswochenendes der Pfadfinder wird am 6. September um 17 Uhr dieses Werk nochmals in den Kronberger Lichtspielen aufgeführt; Spirandelli wird selbst vor Ort im Kino sein. Die Geschichte handelt von einer Reihe Mönchen, die sich aus unterschiedlichen Gründen auf eine lange Reise über „Stock und Stein“ begeben; für viele darin enthaltene Elemente, so Jaeschke, sei seiner Einschätzung nach das Pfadfinderdasein eine Art Blaupause gewesen. Es kommt nicht von ungefähr, dass die beiden ehemaligen Pfadfinder Trenkler und Spirandelli beruflich im künstlerischen Bereich ihre Heimat fanden, denn das Musische steht bei Pfadfinderorganisationen stets hoch im Kurs, je nach Ausrichtung des Individuums. Seine eigene Karriere beschreibt Jaeschke erst auf Nachfrage des Redakteurs, zu sehr liegt ihm der Stamm am Herzen. So möchte er auch diesen im Scheinwerferlicht der bevorstehenden Festlichkeiten sehen. „Ich habe mein Institut wie eine Pfadfindergruppe geführt“, erzählt Jaeschke dann doch ein wenig von seinen beruflichen Erfolgen, die er auch für einige Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika verbuchte. Chemiker seien grundsätzlich lustige Menschen, das habe stets geholfen, ergänzt „Numa“, so der Stammesname des Ehrenvorsitzenden der Kronberger Pfadfinder.
Entwicklung und Fritz-Emmel-Haus
Der Stamm kann auf eine lange Geschichte seit dem Jahr 1947 zurückblicken. Im Jahr 1957 kam der Kontakt mit dem ortsansässigen Landwirt Friedel Emmel zustande, in dessen Scheune die Pfadfinder bei schlechtem Wetter Unterschlupf fanden. Im Gegenzug halfen sie in der Landwirtschaft, insbesondere beim Schneiden der Obstbäume und dem Ernten der Äpfel. So entstand ein freundschaftliches Verhältnis. Das Ehepaar Lisbeth und Friedel Emmel hatte grundsätzlich ein Herz für Kinder und Jugendliche. Der einzige Sohn Fritz war im Alter von 20 Jahren während des Zweiten Weltkriegs gefallen. „Wir erlebten Friedel Emmel mit seiner Frau, genannt ‚Englisch Lisbeth‘, während unseres Besuchs auf seinem Bauernhof außerhalb von Kronberg als älteren Herrn, der fließend Französisch sprach und für die Fahrtenplanung gute Tipps über Frankreich und seine Bewohner gab. Er erzählte, dass er in Metz aufgewachsen sei und dort ein Pfadfinderkorps gegründet hatte“, erinnert Jaeschke. Vor diesem Hintergrund waren Emmels gerne bereit, Grundbesitz und Vermögen zu stiften, um mit Unterstützung des Landesverbandes der Hessischen Pfadfinder ein Haus für die Jugend zu bauen, das im Gedenken an ihren Sohn „Fritz-Emmel-Haus“ heißen sollte. Nach der Grundsteinlegung im Jahr 1960 und gut zweijähriger Bauzeit wurde die neue Unterkunft im Jahr 1963 in Betrieb genommen. Der damalige Kronberger Bürgermeister Dr. Günther Jacobi dankte den Pfadfindern in seiner Eröffnungsrede mit den Worten: „Mit dem ‚Fritz-Emmel-Haus‘ habt Ihr Kronberg um ein Schmuckkästchen bereichert, möge es lange bestehen und weitergedeihen.“ Nach zahlreichen Erweiterungen ist die Einrichtung, die das Ehepaar Anna und Wolfgang Jaeschke zudem acht Jahre lang – zwischen 1968 und 1976 – als Heimleiterehepaar führte, bis zum heutigen Tag eine beliebte Jugendbildungsstätte mit Erfolgsgeschichte.
Zahlreiche Umzüge
Noch während der Bauzeit hatten die Pfadfinder im Jahr 1960 im Keller des Anwesens von Wilhelm Schauf in der Bleichstraße ihre zweite vorübergehende Bleibe gefunden. Nach der ersehnten Eröffnung des Fritz-Emmel-Hauses sollten die Umzüge dennoch kein Ende finden, denn schon nach wenigen Jahren erwies sich diese Stätte für den örtlichen Stamm als zu groß. So wurde 1967 das Angebot der Familie von Walther Leisler Kiep angenommen, der den Pfadfindern für den Zeitraum von 20 Jahren einen Schuppen und ein umliegendes Gelände im Bereich der ehemaligen Gärtnerei der Villa Vom Rath zur Verfügung stellte. Nach dem Ausbau des Schuppens zum Heim erhielt dieses anlässlich der Einweihung im Herbst 1968 den Namen „Maulbeerhaus“. In diese Zeit fällt auch die Anschaffung einer eigenen Apfelpresse. Noch heute produzieren die Kronberger Pfadfinder auf dem Apfelmarkt der Stadt Kronberg in der Altstadt frischen „Süßen“ und verkaufen ihn, um die „Stammeskasse“ etwas zu füllen. Auch auf dem alljährlichen Weihnachtsmarkt in der Altstadt können sich Besucher in den „Jurten“ (Zelten) der Kronberger Fährten- und Spurenleser am warmen Ofen bei heißen Getränken und mehr vom Trubel für einen Moment erholen. Im Jahr 1987 fand man im Anwesen Erich Geisels in der Eichenstraße die nächste vorübergehende Bleibe, bis der damals neu gewählte Bürgermeister Wilhelm Kreß im Jahr 1990 den Magistrat der Stadt Kronberg veranlasste, den Pfadfindern eine ehemalige Notunterkunft in Kronberg „Auf der Heide 17“ als Heim zu verpachten. Bis zu ihrem 50. Jubiläum 1997 hatten die Pfadfinder das alte und primitive Haus zu einem jugendgerechten Heim ausgebaut. Damit ist in Kronberg eines der schönsten Heime des gesamten Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder entstanden, welches sie bis zum heutigen Tage erfolgreich betreiben.
Bewusstes Improvisieren
Abenteuer ist ein grundsätzlich positiv besetztes Schlagwort. Und das finden viele Pfadfinderinnen und Pfadfinder unter anderem in der Natur. In ihr liegt der Reiz begründet, nicht vorhersehbar und geheimnisvoll zu sein; sie entzieht sich ein Stück weit der Planbarkeit und der Einöde des stets gleich strukturierten Alltags. Selbst ein Ast, der in der nahen Ferne des Walds am Hang des Altkönigs zerbricht, verspricht womöglich ein besonderes Erlebnis. Man hört nur das Geräusch und wartet doch für eine gewisse Zeit ab, was passiert oder was zumindest passieren könnte. Spannung ist das Zauberwort. „Ohne Abenteuer wäre das Leben tödlich langweilig“, formulierte es im vergangenen Jahrhundert dann auch der zu Beginn des Artikels benannte englische Gründer der Jugendbewegung, die aktuell weltweit mehr als 45 Millionen Mitglieder ausmacht. 230.000 davon erforschen in Deutschland ihren persönlichen Lebensraum, wachsen innerhalb der Gemeinschaft und lernen Verantwortungsbewusstsein – für andere, gleichzeitig auch für sich selbst. Da die Routinen des Alltags im Pfadfinderdasein Mangelware sind, Mobilfunkgeräte nicht existieren, müssen die heranwachsenden Menschen flexibel sein. Sind sie es nicht, lernen sie es. Das bedeutet auch, erfinderisch zu sein, was ganz gewiss eine Verwandte der Kreativität ist.
Geborgenheit für alle
80.000 Pfadfinderinnen gibt es hierzulande. „Im Sinne einer koedukativen Erziehung besteht die Kronberger Pfadfindergruppe heute aus rund 30 Mädchen und Jungen im Alter zwischen acht und Mitte Zwanzig“, formulieren es die beiden derzeitigen Stammesführer Sadeq und Goraja. Im Jahr 1968 traten die Pfadfinderinnen in der Kommune am Taunushang dem Stamm Schinderhannes bei. Jeden Samstag um 15 Uhr treffen sich die Aktiven, um gemeinsam zu basteln, den Wald zu erforschen oder sich mit Brettspielen zu unterhalten. Auch Seifenkistenrennen gehören zum Erlebnismoment der jungen Menschen, genauso wie Musizieren oder das Stammesheim handwerklich instand zu halten. „Wir halten eine solche Jugendbewegung auch heute keinesfalls für überholt, denn die Kinder und Jugendlichen lernen spielerisch, Verantwortung zu übernehmen. Sie kommen mit Dingen in Berührung, die sie auch im späteren Leben gut gebrauchen können“, ergänzt Amrit Goraja. Projekt- und Termingestaltung, handwerkliche Fähigkeiten und ein Denken und Handeln im Sinne der aktuellen Probleme im Umwelt- und Klimaschutz seien nur einige Beispiele, die sich so bereits früh und außerschulisch entwickeln könnten, so die Stammesführer final.
Sommerfest und Anekdoten
Am Samstag, 7. September, wird das 77-jährige Bestehen des Kronberger Pfadfindertums im Rahmen des „Großen Jubiläums-Sommerfests“ gefeiert. Ab 15 Uhr wird sowohl für Unterhaltung in Form von Spielen für die jungen Gäste, mit Schilderungen und Anekdoten aus den beinahe acht Dekaden für alle als auch für das leibliche Wohl gesorgt. Alles findet rund um das Pfadfinderheim „Auf der Heide 17“ in Schönberg statt.
Davor oder danach kann sicherlich auch noch die Zeit für einen Waldspaziergang genutzt werden und vielleicht erlebt die eine oder der andere auch ein kleines Abenteuer. Weitere Informationen können auf der Internetseite des Pfadfinderstammes www.stammschinderhannes.de entdeckt oder via E-Mail an steffi.vorbeck[at]gmail[dot]com in Erfahrung gebracht werden.