Podiumsgäste der SPD sind sich einig: Kronberg soll Stadtentwicklung zulassen und lenken

V.l.n.r. die SPD-Podiumsgäste Florian Jennewein, Antje Köster und Olaf Cunitz

Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – „Unser Kronberg von morgen – es geht uns alle an“, hatte die SPD getitelt und zu einer Podiumsdiskussion in den Raum Feldberg der Stadthalle eingeladen. Anders als bei der Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzepts unter Bürgerbeteiligung und anders als bei Veranstaltungen, in denen politische Entscheidungen über Bauprojekte oder die mögliche Ausweisung neuer Baugebiete auf der Tagesordnung standen, war die Resonanz auf die Veranstaltung äußerst verhalten. Die knapp 20 Gäste, die der SPD-Einladung gefolgt waren, darunter auch Vertreter der Kronberger Grünen, nutzten jedoch die Möglichkeit, mit den Podiumsgästen in einen offenen Dialog zu treten. Wie kann Stadtentwicklung heute aussehen? Das Thema schließlich ist brandaktuell – in Kronberg mangelt es genauso wie in Frankfurt an bezahlbarem Wohnraum. Wie ist dieser Situation aber zu begegnen? Gibt es Mechanismen, um dem entgegenzuwirken? Vor allem jedoch, wie lassen sich Ökonomie und Ökologie in der Stadtentwicklung dieser Stadt verbinden? Um sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, hatte die SPD unter Federführung ihrer stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzenden und Stadtverordneten Andrea Poerschke drei Podiumsgäste eingeladen.

Gemeinsam gestalten

Das Motto der ehemaligen Bürgermeisterin der Stadt Hattersheim, Antje Köster (SPD), die heute als Gebietsleiterin bei der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft in Wiesbaden tätig ist, lautete: „Nur gemeinsam können wir unsere Städte und Gemeinden zukunftsorientiert gestalten. Ihre Erfahrung aus der Zeit als Bürgermeisterin Hattersheim hat sie das gelehrt. Doch zunächst beschreibt sie die Fakten: In den Ballungszentren und in den Speckgürteln seien die Themen die gleichen: Es fehlt an genügend Fläche für Wohnraum. „Die Menschen können sich das Leben im Ballungszentrum nicht mehr leisten. Sie müssen immer weiter hinausziehen, was „nicht besonders erstrebenswert ist“, sagte sie. Gleichzeitig steige der Verkehr in die Innenstädte.

Mittelstand wird vernachlässigt

Ähnlich beschrieb der zweite Podiumsgast, Florian Jennewein, Architekt und Immobilienökonom aus Zürich, der als Projektentwickler bei der Wohnraumgesellschaft mit Büros in Zürich und Frankfurt arbeitet, die aktuelle Sachlage. „Der Mittelstand ist das Segment, das vernachlässigt wird, weil es geringere Margen bereithält“, sagte er. Dabei müsse selbstverständlich sein, dass für das Segment, für das dringender Bedarf bestehe, auch gebaut werde. Man müsse sich klarmachen, dass einer Stadt wichtige Gesellschaftsschichten wegbrechen werden, wenn man nicht reagiert. Ähnlich wie Antje Köster machte er deutlich, wer das alles sein wird: Die Pflegekräfte für die Betreuung der immer älter werdenden Menschen, die Sozialpädagogen, Krankenschwestern, Polizisten, Kindergärtner und die komplette Schar der angestellten Handwerker. „Genau diese Schicht braucht dringend die Unterstützung der Gesellschaft“, gab er zu bedenken. Er erläuterte, dass es längst viele interessante Wohnbauprojekte in diesem Segment gäbe, die Aufschluss darüber geben, dass „günstiger bauen“ nicht mit „hässlich bauen“ gleichzusetzen ist. „Im Gegenteil“, sagte er, oftmals würden hier architektonisch pfiffige und auch ökologisch wertvolle Lösungen gefunden. Im Rahmen des Regelwerks der zulässigen Dichten in Wohngebieten hätte sich die Dreigeschossigkeit mit Dachgeschoss als gut zweckmäßig und auch als „sehr wirtschaftliche Lösung“ erwiesen.

Das Problem: Entsprechend der Marktentwicklung sind die Margen der Projektentwickler und Grundstückseigentümer außerordentlich hoch. Bis zu 40 Prozent seien vom Verkauf bis zum Vermarkter möglich. Deshalb sei es eine echte Chance, wenn Projekte wie aktuell einen „städtischen Eigenbetrieb Wohnbau“ in Kronberg zu gründen (ein fraktionsübergreifender Antrag der SPD, der Grünen, der FDP und der UBG), realisiert werden können. „Es ist eine tolle Sache, weil die Behörde hier weitgehend margenfrei arbeiten kann“, sagte er. „Am besten ist es, wenn die Stadt das Projekt nach der Entwicklung dann auch im Eigentum behält.“ Natürlich brauche es dazu Grundstücke – und Sachverstand, wie ein Bürger zu diesem Thema einwarf.

Keine Stadt ist autark

Olaf Cunitz (Grüne), bis Sommer 2016 Bürgermeister und Planungsdezernent der Stadt Frankfurt am Main – heute leitet er den Bereich Bauland- und Projektentwicklung bei der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH – verlieh seiner Überzeugung Nachdruck, dass auch eine Stadt im Grünen wie Kronberg eine Entwicklung brauche. Der erste wichtige Baustein sei bereits vorhanden, auch Andrea Poerschke hatte einleitend darauf verwiesen: Die Stadt Kronberg verfüge über ein detailliertes Stadtentwicklungskonzept, das die Möglichkeiten und Probleme von Kronberg aufzeige und mit dem man gut arbeiten könne. Seiner Überzeugung nach ist keine Stadt autark. Jede Kommune habe ihre Beziehungen, ihre Rolle, seien es Arbeitsbeziehungen oder die Versorgung. „Auch die Stadt Frankfurt steht nicht allein.“ Jede Gemeinde habe Aufgaben, denen sie sich stellen müsse. „Was können wir uns leisten und wo unterstützen wir andere?“, sei zu fragen.

Irre Nachfrage nach Bauland

Und schon sei man bei Themen wie Wohnraumversorgung oder der Vorhaltung von Gewerbeflächen. „Was wir auf dem Markt derzeit erleben“, so Cunitz, „hängt mit dem Mangel an Bauland zusammen“. Es besteht eine „irre Nachfrage“ nach Wohnraum. Da helfe auch kein Reglement beispielsweise der Mieten. „Neues Bauland schafft uns das nicht!“ Er wolle als Außenstehender den Kronbergern nicht Vorschläge für ihre Entscheidungen machen, sagte er auf die seitens der SPD gewünschte Bebauung des „Grünen Wegs“ angesprochen. Wichtig sei jedoch, an die Diskussion über die mögliche Bebauung eines bestimmten Gebietes „ergebnisoffen heranzugehen“. „Sollte ein Gutachten zu einer verträglichen Lösung kommen, dann sollte man die Bebauung auch umsetzen“, meinte der Grüne, der sich damit konträr zur Überzeugung der anwesenden Kronberger Grünen positionierte. Grünen-Stadtverordnete Udo Keil gab zu bedenken, dass es doch auch ökologische Grenzen für alles gebe, das fange doch schon bei den Ressourcen an, siehe Wasserknappheit. Cunitz konterte: „Es braucht nicht nur Ideen zum Klimawandel, es braucht auch auf soziale Fragen eine Antwort.“ Die Menschen seien nun einmal frei, ins Rhein-Main-Gebiet zu ziehen. „Und das machen sie“, sagte er. „Welche Antwort hat man darauf? Sollen die Einkommensstärkeren die -schwächerein einfach verdrängen?“

Innere Veränderungssperre

Das Ziel müsse sein, herauszufinden, wie das Zusammenleben besser funktioniert. Das Gemeinwohl müsse betrachtet werden, anstatt Partikularinteressen zu verfolgen. Cunitz versuchte es anschaulich mit einer Käseglocke zu erklären: Oftmals sei der Wunsch der Menschen, alles möglichst so zu belassen wie es ist. Doch das sei nun einmal nicht möglich. Auch unter der Käseglocke würde die Stadt sich weiterentwickeln, die Stadt würde überaltern, die jungen Menschen wegziehen und die Probleme würden einfach nur größer werden mit der Zeit, gab er zu bedenken. Diese „innere Veränderungssperre“, bemerkte ein Zuhörer, die herrsche in Kronberg schon seit vielen Jahrzehnten.

Suche nach dem Gemeinwohl

Auch Antje Köster wollte mit ihren Beiträgen Mut machen, eine Entwicklung der Kommune zuzulassen. Ob Kronberg oder Hattersheim, es müsse mit Abstand zur Stadt das Passende für das Gemeinwohl, für alle Bürger, gefunden werden. „Es muss eine Entscheidung her, die Stadt Kronberg voranzubringen und dabei trotzdem den Charme der Stadt zu erhalten. Eingangs hatte sie als Beispiel ihr erfolgreiches Projekt in Hattersheim erläutert. Dort drohte ein Stadtgebiet mit ehemaligen Werkswohnungen, einem Obdachlosenheim und mit Einfamilienhäusern auseinanderzubrechen. Mit „intensiven städtebaulichen Maßnahmen“, berichtete sie – es gab auch Fördergelder des Landes Hessen – sei es gelungen, die unterschiedlichen Viertel aufzubrechen und zu einer funktionierenden Stadtgesellschaft zueinanderzuführen. Wichtige Punkte, um eine solche Entwicklung möglich zu machen, von der die Gesamtstadt profitiert – denn die Stadt lebe nun einmal von verschiedenen Quartieren – sei es, Begegnungsflächen zu schaffen, die Menschen zusammenführen kann. In dem Projekt in Hattersheim habe es unentgeltliche Kulturveranstaltungen gegeben, um die Menschen zusammenzubringen, Sportevents und Wettbewerbe wie: „Wer hat den schönsten Garten oder Balkon?“ Es möge etwas naiv klingen, aber Projekte wie aus dem gemeinsamen Garten zu ernten und gemeinsam zu kochen, würden funktionieren.

Enger zusammenrücken

Für Köster sind genau solche Wohnprojekte „die Herausforderung unserer Gesellschaft der Zukunft“. Menschen könnten ihren Wohnraum gemeinsam gestalten und darüber zusammenfinden. Kösters Hoffnung ist, dass auf diesem Weg „vielleicht auch die Gesellschaft wieder enger zusammenrückt“.

Nach diesen vielfältigen Ideen und Gedanken um die Zukunft Kronbergs – Andrea Poerschke hatte eingangs kurz die Geschichte der Kronberger Stadtentwicklung inklusive Wohnbau- und Bevölkerungsstruktur und ihrer Impulsgeber bis heute aufgezeigt – wurde bei einem Gläschen Wein in Kleingruppen noch eine Weile angeregt weiterdiskutiert.



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