Kronberg (war) – Jetzt in den Sommerferien lohnt sich die Anreise zum Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda für die ganze Familie ganz besonders. Warum? Der in Kronberg ansässigen Kulturstiftung des Hauses Hessen ist das Kunststück gelungen mit den Exponaten, die gerade in der aktuellen Ausstellung „Kutsche – Dreirad – Bobbycar“ zu sehen sind, die Aufmerksamkeit sowohl von Kinder als auch Erwachsenen jeden Alters auf sich zu ziehen. Nebenbei wird auf sehr unterhaltsame Weise jede Menge Hintergrundwissen anhand des Ausstellungsmottos „Kindermobilität aus zwei Jahrhunderten – was Kinder bewegt“ vermittelt. Einzelne Exponate – zum Beispiel das berühmt-berüchtigte, da kaum ergonomische Bonanza-Rad mit Bananensattel und Chopper-Lenker für kleine „Möchtegern Easy-Rider“ aus den 1979er Jahren oder der gute alte Tretroller – werden vor allem ältere Besucher zu einer nostalgischen Zeitreise in ihre Kindertage animieren. Nur zu oft wird dann die Frage erklingen: „Weißt du noch?“ Die Ausstellungsstücke stammen weitgehend aus dem reichen Fundus des unweit von Eichenzell befindlichen Deutschen-Fahrrad-Museums in Bad Brückenau, das für die Schau mit der hessischen Kulturstiftung in diesem Jahr kooperiert. Museumsdirektor Dr. Markus Miller von Schloss Fasanerie zur Ausstellung: „Nach zahlreichen historischen und kunsthistorischen Ausstellungen haben wir es in diesem Jahr quasi gewagt, ein eher kulturgeschichtlich ausgefallenes Thema aufzugreifen, das die Besucher auf eine Zeitreise zwischen den Jahren 1820 bis 2024 mitnehmen will.“
Das älteste Objekt geht sogar noch zwei Jahrhunderte weiter zurück: Es ist ein Ölgemälde aus dem Jahr 1625, das den zweijährigen hessischen Prinzen Ernst von Hessen mit seinem hölzernen Steckenpferd in der Hand zeigt. Sein bodenlanges Kleidchen wäre wohl nicht allzu praktisch für ein Ausritt auf einem echten Pferd gewesen. Ansonsten sind rund 80 originale Fahrzeuge zu studieren, teilweise mit Gebrauchsspuren, die zeigen, dass die Exponate einst wirklich in Gebrauch waren. Einige Modelle lassen sich sogar auf eigenes Risiko im Freien vor dem Badehaus austesten. Die Schau beginnt mit einigen Kinderwagen, die um 1840 erstmalig dreirädrig in England aufkamen, und dokumentieren eindrücklich deren Entwicklungsgeschichte bis heute. In den ersten Kinderwagen, auch Perambulator genannt, waren die Kleinen nur sitzend zu „transportieren“. Ab 1880 kamen dann auch Modelle für liegende Säuglinge und Babys ins Sortiment. Bei der Großherzoglichen Hessen-Darmstädtischen Familie ging es schon recht mondän zu, wie eine Kinderkutsche zeigt, welche Queen Victoria von Großbritannien als Großmutter des letzten Großherzogs eigens nach Darmstadt überbringen ließ. Doch irgendwann wollen die Kinder nicht mehr nur passiv bewegt werden, sondern sich dank gewachsener Beherrschung der Eigenmotorik und des Gleichgewichtsinns mehr und mehr selbst aktiv bewegen, um so erste Schritte in die Eigenständigkeit zu wagen.
Tretautos aus Pressblech
Das lässt sich anfangs am besten auf vier, dann auf drei und schließlich auf zwei Rädern bewerkstelligen. Dafür stehen eine Reihe von Bobby-Cars sowie historische Dreiräder und Tretautos aus Pressblech in der Ausstellung. Eines dieser Exponate fällt durch seine Raketenform besonders auf und spiegelt den Zeitgeist vor rund 70 Jahren wieder als zuerst die russischen Sputnik- und danach die amerikanischen Apolloraketen den Weltraum und den Mond eroberten, dabei die Menschen weltweit in Atem haltend. Die mit den Füßen angetriebenen Blechraketen hatten dabei den Vorteil, dass sie nicht explodieren konnten. Für kleine Angeber und Millionärstöchter bietet sich heutzutage aber eher das ausgestellte Kindermodell eines Mercedes AMG mit Elektromotor samt Soundgenerator, Radio und Scheinwerfern an. Mit rund vier km/h kann da beim Kindergarten vorgefahren werden und garantiert Neidgefühle bei den nicht so betuchten Spielgefährten auslösen.
Eine Draisine für Kinder Fotos: Ried
Das Bild zeigt den im Text erwähnten kleinen Prinzen Ernst von Hessen mit seinem Steckenpferd.