Die Sorge um den Wald wird ihn nicht loslassen, wenn er geht

Nächstes Jahr im Frühling werden es 25 Jahre sein, die sich Revierförster Martin Westenberger um den Kronberger Stadtwald kümmert. Foto: Miriam Westenberger

Kronberg (mw) – Wenn Revierförster Martin Westenberger Ende März 2022 nach 25 Jahren als Kronberger Revierförster in den Ruhestand geht, wird es ihm schwerfallen, „seinen Wald“ in die Hände seiner Nachfolgerin oder seines Nachfolgers zu übergeben. Zumindest hat er sich die Übergabe anders vorgestellt. Denn in den 25 Jahren der nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Auftrag der Stadt Kronberg als Angestellter von Hessen Forst hat er den etwa 500 Hektar großen Kronberger Stadtwald, immer unter Berücksichtigung der neuesten örtlichen Klimamodellierungen, die HessenForst zur Verfügung stellt, nach bestem Wissen bewirtschaftet, kombiniert mit seinem Erfahrungsschatz über die partiellen, entsprechend der Höhen und der Bodenzusammensetzung ganz unterschiedlichen Waldbedingungen. Trotzdem sind Teile seiner Zukunftsbaumareale, die er geplant, gepflanzt und deren Wachstum er beispielsweise durch Einzäunung oder die Entnahme von Nachbarbäumen viele Jahre aktiv gefördert hat, „einfach weg“. Das könne man schon als eine „echte Katastrophe“ bezeichnen, so Westenberger. Es fehlen plötzlich 62 Hektar Wald, vorwiegend der Fichtenbestand ist hiervon betroffen. „Es sind über 10 Prozent Kahlstellen in nur drei Jahren entstanden“, macht Westenberger klar. „Und damit ist auch vieles verloren, was von mir angeschoben wurde.“ So wird der Revierförster die Früchte seiner Arbeit nicht ernten können, wenn er Ende März 2022 offiziell in den Ruhestand geht.

Seit 2018 folgte ein gravierendes Jahr aufs nächste. In Folge waren die Jahre viel zu trocken, dazu kamen Sommer mit Hitzerekorden, gepaart mit Stürmen mit Starkregenereignissen, die den Bürgerinnen und Bürgern durch übergelaufene Keller noch am stärksten im Bewusstsein verankert sein dürften. Doch was vielen zuerst einmal kaum auffällt, dem Förster und den Landwirten jedoch schon länger, sind die fehlenden Niederschläge aufs ganze Jahr gerechnet. „Da brauche ich nur auf meine Jugend zurückzublicken“, sagt der 65-jährige Kronberger. „Damals lag größtenteils von Mitte November bis nach Weihnachten Schnee im Taunus. Das ist eine ganz wichtige Form der Feuchtigkeitsabgabe an den Wald, die weitgehend weggebrochen ist“, erläutert er. Mit dem Wegfall der stetigen Feuchtigkeitsperioden und der Hitze im Sommer sei der Wald durch die Trockenheit vorgeschädigt. Dadurch haben Baumschädlinge, die es schon immer im Bestand gibt, wie verschiedene Baumpilze oder der so bekannte drei bis vier Millimeter große braun-schwarze Borkenkäfer, leichtes Spiel. „Seine Massenvermehrung hängt mit der Erderwärmung zusammen, je früher und desto länger es warm ist, desto mehr und größere Käferpopulationen gibt es im Jahr“, berichtet Westenberger. Das habe im vergangenen Jahr dazu geführt, dass man eigentlich nur mit dem Abschlagen und möglichst schnellem Abtransport der mit dem Borkenkäfer befallenen Fichten beschäftigt gewesen sei. Die Schäden sind, gerade jetzt, als der Altkönig sich kurzzeitig doch einmal im Schneegewand zeigte, für alle Bewohner am Taunushang unübersehbar.

Martin Westenberger ist dankbar, dass die Öffentlichkeit sich mit dem Wald identifiziert und mittels Spenden- und Pflanzaktionen mitwirkt. Allerdings ist nicht immer alles so einfach, wie es aussieht: Aktuell sind den zertifizierten Forstbaumschulen längst alle gewünschten Setzlinge ausgegangen. „Da kann man keine 5.000 Eichensetzlinge mal eben mehr nachordern“, so Westenberger, „höchstens Fichten sind noch zu haben, alles andere wird gerade erst wieder frisch gezogen.“ Es sei eben nichts mehr, wie es einmal war. Kein Förster werde mehr auf großflächige Fichtenareale setzen können. Sie würden von Eiche, Buche, Ulme, Kiefern, Birken oder anderen Baumarten abgelöst. Dabei sei die Sicherheit möglicher Optionen einer langfristigen Zielplanung definitiv nicht mehr gegeben. Denn die zugrunde liegenden Klimamodelle würden sich nun auch laufend ändern, schneller jedenfalls als ein Eichenwald, der 240 Jahre und länger gedeiht, bevor geerntet wird.

Der Förster warnt vor sogenannten „Patentrezepten“ für den Wald, beispielsweise der Idee, den Kronberger Stadtwald als Naturrefugium quasi sich selbst zu überlassen und darauf zu vertrauen, dass er sich dann selbst erholt. „Meine Erfahrung ist, dass solche Patentrezepte meist einen großen Pferdefuß haben“, gibt er zu bedenken. In den Jahrhunderten der nachhaltigen Waldbewirtschaftung setzte man schon wohlweislich auf verschiedene Aspekte, auf ökologische, wirtschaftliche, aber auch waldästhetische. Deshalb kann er auch aktuell in „seinem“ Wald Areale zeigen, in denen dieser, sich selbst überlassen, neu ausgesät hat und bereits wächst und gedeiht. An bestimmen Stellen funktioniere es, frisch aufwachsende Waldgenerationen zu übernehmen. „Trotzdem kommt auch hier der Punkt, an dem der Mensch modellierend eingreift, weil er einen Plan hat“, sagt er. Vermutlich gäbe es in unseren Gefilden sonst weitgehend nur Buchenwälder, aber auch die seien bei Trockenheit gefährdet. „Wir haben Kahlstellen, an denen sich Birken entwickeln, aber sich auch Eichensprösslinge finden. Unternehmen wir hier gar nichts, werden nur die Birken bleiben. Die Frage ist an einer solchen Stelle natürlich schon, wollen wir das?“ Bei den Entscheidungen über die Bewirtschaftung von Kahlflächen setzt er jedenfalls weiter auf heimische Arten. „Bevor ich die Mittelmeereiche versuche, im Taunus zu kultivieren, wünsche ich mir jedenfalls eine genauere Datenlage, ob unsere Eichen vielleicht inzwischen längst schon in höheren Lagen bis 500, 600 Metern gut wachsen können.“ Das örtliche Klima ändere sich derzeit massiv. Dabei sei nach wie vor zu spüren, dass der südöstliche Taunushang im Mittel deutlich weniger Regen erhält als der Hintertaunus. „Die Wolken regnen vorrangig hinter dem Taunuskamm ab.“ Folge man allein dem Gedanken „purer Ökologie“, sei der Pferdefuß der „riesige Holzhunger“. Trotz nachhaltiger Waldbewirtschaftung bezieht Deutschland rund 50 Prozent seines Holzes aus Quellen, die Raubbau mit ihren Wäldern betreiben, darunter Südamerika, Osteuropa, Rumänien und Russland. Um das Holz einfach nur noch im Wald liegenzulassen, müsse an anderer Stelle eingespart werden. „Beispielsweise wäre eine Lösung, auf das Klopapier zu verzichten“, meint er schmunzelnd. Das werde aber, die Pandemie habe es gezeigt, sicherlich nicht ganz einfach. Westenbergers ernsthafte Überzeugung ist: „Wir müssen unsere Wälder modifiziert aufbauen, dann werden wir auch zukünftig weiter nachhaltig wirtschaften können.“ Dazu wünscht er sich eine gut ausgebildete Nachfolgerin oder einen gut ausgebildeten Nachfolger und ist dankbar darüber, dass die Kommunalpolitiker die Zeichen der Zeit erkannt und im Haushalt 2022/23 zusätzliche Mittel für den stark gebeutelten Kronberger Stadtwald eingestellt haben. Noch blickt er mit seiner Frau Martina vom städtischen Forsthaus direkt in den Wald. Die beiden hoffen, dass sie rechtzeitig bis zu seiner Pensionierung in ihrer Heimat eine Wohnung finden, nah bei ihren Freunden und „ihrem“ Wald. Aber wie bekannt sein dürfte, ist das alles andere als einfach, sie haben schon lange gesucht, bis dato leider erfolglos. „Das Schönste in all den Jahren ist nach wie vor, bei der Arbeit draußen in der Natur zu sein“, sagt er und wünscht sich eine „gute Lösung“ für den Kronberger Stadtwald.



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