SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen und UBG machen Weg frei für Vorabbekanntmachung Stadtbus 2022

Eines der Midi-Stadtbus-Modelle, die mit den Namen der vier Partnerstädte – Le Lavandou, Porto Recanati, Ballenstedt und Aberystwyth – sowie mit dem der befreundeten Gemeinde Guldentaldurch die Burgstadt fahren.Fotos: Puck

Kronberg (pu) – Kehrtwende in Sachen Stadtbus-Ausschreibung! Im zweiten Anlauf innerhalb von zwei Monaten brachte ein von 18 Parlamentariern von SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen und UBG getragener Beschluss bei 13 Gegenstimmen (CDU und KfB) und einer Enthaltung eines CDU-Abgeordneten letztlich doch die zeitnahe fristgerechte Vorabbekanntmachung der europaweiten Ausschreibung „Stadtbus 2022“ auf den Weg.

Ein erster Anlauf war eine Woche vor Weihnachten gescheitert, nachdem entgegen der Empfehlungen von Magistrat und Betriebskommission und rechtlichen Bedenken von Erstem Stadtrat Robert Siedler (parteilos) 19 Stadtverordnete bei 10 Gegenstimmen für einen interfraktionellen Antrag von CDU, KfB, UBG und FDP votiert hatten, der mit der Forderung an die Stadt verknüpft war, mit dem aktuellen Stadtbusbetreiber eine Vertragsverlängerung um ein Jahr zu verhandeln. Diesen Handlungsspielraum hielten die vier Parteien für zwingend erforderlich, um vor der europaweiten Ausschreibung den Inhalt des vorgelegten Angebots noch bezüglich seiner Konformität mit dem noch in Arbeit befindlichen „Integrierten Mobilitätskonzept“ (IM) zu überprüfen. Wie mehrfach berichtet endet der seit 2014 laufende Verkehrsvertrag mit dem damaligen Gewinner des Vergabeverfahrens, der jetzigen Deutsche Bahn Regiobus Südwest GmbH, zum 10. Dezember 2022.

Überflüssige Ehrenrunde

Bemerkenswert: Im Grunde hätten sich alle Beteiligten diese „Ehrenrunde“ ersparen können, da schon vor zehn Wochen vor allem Erster Stadtrat Siedler mit allem Nachdruck darauf hinwies, dass diese aus den Reihen der Parlamentarier geforderte Vorgehensweise – Verlängerung um ein Jahr – vergaberechtlich nicht zulässig ist. Seine Bedenken wurden zum damaligen Zeitpunkt allerdings ebenso vom Tisch gewischt wie sein Werben für die erarbeiteten Pläne der Betriebskommission. Diese sahen vor, das bestehende Stadtbussystem nach Ergebnis einer umfangreichen strategischen Untersuchung aus dem Jahr 2014 quasi als Status quo für die erneute europaweite Neuausschreibung zu nutzen, um damit in diesem Jahr fristgerecht in das wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren gehen zu können. Dementsprechend wollten Magistrat und Siedler mit drei Buslinien und achtjähriger Vertragslaufzeit in die Vorabbekanntmachung der europaweiten Ausschreibung gehen.

Beschlussvorlage

Beim nunmehr den Stadtverordneten vorliegenden neuen Dringlichkeitsantrag des Magistrats schlug die Betriebskommission den Beschluss der Stadtverordneten für Mindestanforderungen an das Kronberger Stadtbusmodell vor, die der von der IG Dreieich Bahn Verkehrsplanung+Beratung (IGDB) in der Variante 3.3 – Status quo ohne Waldschwimmbad und ohne Altstadt (Nordroute) – beschriebenen Stadtbusleistungen entsprechen. Die Länge der zum Einsatz kommenden Fahrzeuge soll maximal 9 Meter betragen, das Fahrgastpotenzial bei mindestens 38 Fahrgästen liegen. Des Weiteren ist barrierefreie Einstiegsmöglichkeit und mindestens ein Rollstuhlstellplatz gewünscht. Statt der ursprünglich geplanten Ausschreibungsdauer von acht Jahren schlug die Betriebskommission als Kompromisslösung eine Vertragslaufzeit von vier Jahren mit zweimaliger Verlängerungsoption (4 + 2 + 2) vor.

Gegenanträge

Ein Vorschlag, der nicht nur erneut die Gemüter erregte, sondern Gegenvorschläge nach sich zog. Bei den Fraktionen von CDU und „Kronberg für die Bürger“ (KfB) hieß die angestrebte Erfolgsformel allerdings: zweijährige Vertragslaufzeit mit der zweimaligen Option, den Vertrag um jeweils ein Jahr zu verlängern. Nach den Worten des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Michael Dahmen sei das Argument der Betriebskommission, „eine vierjährige Laufzeit zu benötigen“, nicht stichhaltig. Darüber hinaus machte er sich stark für eine interkommunale Zusammenarbeit unter anderem mit Oberursel, Bad Homburg und Friedrichsdorf, von deren Erfahrungen aufgrund größerer Dimensionen – 50 Fahrzeuge, 33 Linien und dementsprechend weitaus mehr gefahrenen Kilometern – „wir partizipieren könnten“. Da der dortige Vertrag 2024 ende, „haben wir jetzt die einmalige Chance, in den Takt der Nachbarstädte einzusteigen.“ Kein Verständnis zeigte er „für die Rolle rückwärts der FDP“, die kurzfristig aus diesem Änderungsantrag ausgestiegen sei.

Kein „weiter so“

Unterstützung in ihrer Argumentation erhielten die Christdemokraten von Mitunterzeichner KfB. Stadtverordnete Dr. Eva-Maria Villnow rief in Erinnerung, ihre Fraktion habe bereits im September 2019 „ein ganzheitliches, die verschiedenen Verkehrsmittel und Verkehrsträger verzahnendes Konzept für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für Kronberg gefordert“, das in der Stadtverordnetenversammlung vom 13. Februar 2020 mit überwältigender Mehrheit aller Fraktionen beschlossen worden sei.

Im Gegensatz dazu habe die Verwaltung ein Konzept für die Neuausschreibung des Stadtbussystems erarbeitet, das die Ziele des damaligen Beschlusses nicht erreiche, sondern das bisherige System für 4 (und optional 2 plus 2) Jahre mit lediglich geringen Veränderungen fortführe. „Dieser Zeitraum mit ‚weiter so‘ ist der KfB zu lang“, unterstrich Villnow.

Von der von den Politikern angestrebten Erhöhung der Attraktivität sowie der Verbesserung der geringen Wirtschaftlichkeit könne beim Magistratsvorschlag keine Rede sein. „Unser Bussystem besteht aus nur drei Fahrzeugen plus einem Reservebus mit einer Gesamtfahrleistung von nur 152.000 Kilometern pro Jahr“, erläuterte Villnow. Laut integriertem lokalen Nahverkehrsplan für den Hochtaunuskreis würden für Ausschreibungen jedoch mindestens 350.000 Jahreskilometer empfohlen. Deshalb habe die KfB jüngst die Idee zur Interkommunalen Zusammenarbeit ins Spiel gebracht. Auch das Buslinienbündel „Hochtaunus-Mitte“ des Verkehrsverband Hochtaunus (VHT), der ebenso als Kooperationspartner in Frage komme, unterliege der gleichen vertraglichen Taktung. Diese Synchronisation könne daher nur erreicht werden, wenn die Laufzeit des Betreibervertrags für den Kronberger Stadtbus auf zwei Jahre plus einer zweimaligen einjährigen Verlängerungsoption begrenzt werde. Verwunderung löste die KfB-Stadtverordnete aus, weil sie von bereits stattgefundenen diesbezüglichen Gesprächen sprach. Sowohl Bürgermeister Christoph König als auch Erster Stadtrat Robert Siedler betonten, derartige Gespräche habe es nie gegeben.

Konkurrenz für Individualverkehr

„Mobilität muss mehr sein als Stadtbussystem oder Antriebe – das künftige System muss so attraktiv sein, dass es dem Individualverkehr Konkurrenz macht“, zeigte der FDP-Stadtverordnete Dietrich Kube auf. Das „Gestalt annehmen“ des Multioptionsgedankens gehe selbstredend nicht von heute auf morgen, vielmehr müsse sich dieser Prozess entwickeln, gleichzeitig jedoch die Flexibilität erhalten bleiben. Er warnte vor dem „Allheilmittel“ Anbindung an andere Verbunde – vielmehr gelte es, die Stärken durch ein Einloggen in deren Zyklus zu nutzen, aber Freiraum zu erhalten! „Wir müssen unsere Vorstellung von Mobilität auf die Schiene bringen!“ Die Liberalen sind nach seinen Worten gerne dabei „einen Meilenstein-Plan zu entwickeln“. Unter dem Eindruck des kürzlich bekannt gewordenen Austauschs mit Bürgermeister Christoph König, der den FDPlern die Argumente der Betriebskommission nochmals dargelegt habe, sei die FDP zum Schluss gekommen, „die Laufzeit des Vertrages soll drei Jahre sein, verbunden mit einer einmaligen Option, den Vertrag um ein Jahr zu verlängern“. Das sei auch der Grund für den kurzfristigen Rückzug vom im Januar noch gemeinsam mit CDU und KfB formulierten Antrag gewesen. „Zwei Jahre sind doch arg knapp, wir wollen mehr Spielraum haben“, unterstrich Kiep.

Als sinnvoll bezeichnete die Bündnis90/Die Grünen-Stadtverordnete Mechthild Schwetje den Vorschlag der Verwaltung. „4 Jahre, das ist das Resultat aus dem Wunsch, Änderungen beim Stadtbussystem einzubringen, den Stadtbus zukunftsfähig aufzustellen und somit nicht auf unbestimmte Zeit mit einem vielleicht nicht bestens für die Zukunft aufgestellten Konzept weiterzumachen und auf der anderen Seite den zeitlichen Anforderungen, die eine Neuausschreibung mit sich bringt, gerecht zu werden.“

Feilschen und Leichtfertigkeit

An die Adresse von CDU, KfB und FDP schickte sie die Kritik, es werde kleinlich um Ausschreibungszeiten gefeilscht, obwohl Bürgermeister König im Haupt-, Finanz- und Petitionsausschuss „bereits sehr anschaulich ausgeführt hat, was zwei Jahre für die Ausschreibung und damit verbundene Fristen bedeuten, wir müssten innerhalb eines dreiviertel Jahres diese Ausschreibung mit allen Inhalten und Ideen für die Zukunft vorbereiten.“ Und dies vor dem Hintergrund der im März stattfindenden Wahlen samt voraussichtlich personell veränderter Stadtverordnetenversammlung, deren konstituierende Sitzung im April terminiert ist. Erschwerend komme hinzu, dass mit Thomas Schäfer der mit viel ÖPNV-Knowhow ausgestattete Leiter der Stadtwerke im Sommer nach Bad Homburg wechsele, nach wie vor der Baustein „Verkehr“ des Stadtentwicklungskonzeptes nicht stehe und im Herbst ein neuer Haushalt verabschiedet werden müsse. „Meine Damen und Herren, was unter optimalen Bedingungen schon kaum gelingen kann, ist unter diesen Voraussetzungen ein Ding der Unmöglichkeit“, hielt sie die Herausforderungen in aller Deutlichkeit vor Augen. Nach Einschätzung der Grünen sei eine Ausschreibung für nur zwei Jahre für die potenziellen Bieter „extrem unwirtschaftlich“, nicht nur dass sie nach Vergabe innerhalb drei Monaten betriebsbereit sein müssten. „Im besten Fall bekommen wir für eine solche Ausschreibung nur unwirtschaftliche Angebote, im schlechtesten Fall: überhaupt keine!“, so Schwetje. Einmal in Fahrt gekommen, machte sie weiterem Ärger Luft: „Ich möchte niemandem etwas unterstellen: Aber bei einer solchen Leichtfertigkeit, mit der CDU, FDP und KfB hier mit unserem Stadtbus umgehen und dessen Fortbestand schlussendlich aufs Spiel setzen, bleibt doch die Frage, haben Sie denn wirklich verstanden, wie wichtig ein funktionierender Stadtbus für die Zukunft ist? Oder nehmen Sie klammheimlich in Kauf, dass der Stadtbus auf diese Weise bald der Vergangenheit angehören könnte?“

Bei der „ganzen Feilscherei um Zeiten verlieren Sie völlig aus den Augen, dass wir doch erst einmal gestalten müssen, wie wir den Stadtbus zukunftsfähig und gut aufstellen. Sie sind sich doch untereinander noch nicht mal ansatzweise einig: Die FDP will Linien reduzieren, die KfB will den Bus mit anderen Kommunen gemeinsam betreiben, die CDU will bis jetzt noch gar nichts und seit heute Abend vielleicht auch eine interkommunale Zusammenarbeit. Erkennen Sie das Problem? Keine gemeinsamen Konzepte, aber das bitte in der Hälfte der Zeit – seltsam!“

Gefahr und Möglichkeit

Nicht minder erzürnt der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Haas, der von verhärteten Fronten sprach und eindringlich vor der Gefahr warnte, „relativ schnell im Dezember 2022 ohne funktionierendes Stadtbuskonzept dazustehen!“ Im Übrigen sei die Kompromiss-Option der Betriebskommission „4+2+2“ der richtige Weg, dennoch nicht automatisch ein Muss. „Wenn die Ergebnisse früher vorliegen, dann wäre das natürlich schön!“

Demotivation

Nachdem alle Fraktionen zu Wort gekommen waren, beantragte die KfB-Co-Fraktionsvorsitzende Alexa Börner eine Sitzungsunterbrechung. Direkt danach ergriff Bündnis90/Die Grünen-Vorstand Udo Keil die Gelegenheit, mit einem Teil seiner Kollegen hart ins Gericht zu gehen. An die Adresse der Parteien und Wählergemeinschaften mit den Änderungsanträgen schickte er die aufrüttelnde Botschaft: „Solche Aktionen schaden nicht nur dem Stadtbus, sondern auch der Stadt!“ Das führe zu Demotivation der städtischen Mitarbeiter. „Die Leute fühlen sich nicht mehr ernst genommen!“

Nach dieser Brandrede ergriff Bürgermeister Christoph König das Wort. Auch er hielt in aller Deutlichkeit vor Augen, durch das Wegwischen der Argumente von Betriebskommission und Erstem Stadtrat vom Tisch, seien „zwei Monate verschenkt worden“. In puncto interkommunale Zusammenarbeit mit Bad Homburg, Oberursel & Co räumte er mit der Annahme auf, eine Kooperation bringe in jedem Fall Vorteile und Synergieeffekte.

„Was wir hier ausschreiben sind Midibusse unter 9 Metern, während in den anderen Städten kein Bus kürzer als 12 Meter ist. Das heißt, wir wären aufgrund der abweichenden Rahmenbedingungen das vierte Los, was ein Angebot für die Anbieter deutlich erschweren würde. Ob das die anderen Städte mit gleichen Rahmenbedingungen mitmachen würden, ist durchaus fraglich.“ Eine deutliche Absage erteilte er einer zweijährigen Vertragslaufzeit. „Das wäre mit das unwirtschaftlichste, was wir machen könnten.“ Die Gefahr, „das Ganze stumpf an die Wand zu fahren“, ist relativ groß. In diesem Zusammenhang erinnerte er an Bad Homburg, das 2016 ohne Betreiber dagestanden habe. Darüber hinaus gebe es bisher weder ein integriertes Mobilitätskonzept, mit dem Baustein „Mobilität“, auf dem im Übrigen noch ein Sperrvermerk liege, sei noch nicht angefangen und auch das Nahmobilitätskonzept werde voraussichtlich erst im Laufe des ersten Halbjahres 2021 fertig.

Abstimmung

In Reaktion darauf und im Wissen des mittlerweile fehlenden zeitlichen Spielraums und der zwingenden Notwendigkeit zu einem Ergebnis zu kommen, erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende Walter Kiep, Gebot der Stunde könne nur sein, einen Weg zu suchen, „mit dem alle leben können.“ Zähneknirschend signalisierten die Liberalen ihre Bereitschaft für eine Variante „4 Jahre plus Option der einjährigen Verlängerung“. Diesen Ball griff Bürgermeister Christoph König auf und machte, „um die Sache zu einem vernünftigen Ende zu bringen“ von seinem Recht Gebrauch, einen eigenen Antrag mit dieser Vertragslaufzeit zu formulieren.

Dafür gab es dann die erhoffte Mehrheit, während der Änderungsantrag von CDU und KfB mit 18:14 abgelehnt wurde. nur dem Stadtbus, sondern auch der Stadt! Das führe zu Demotivation der städtischen Mitarbeiter. „Die Leute fühlen sich nicht mehr ernst genommen!“

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