Stadt und BDS: Fokus auf Innenstadtbelebung und Lösung der Handwerkerproblematik

Wiederholt im Zusammenhang mit eventuellen „Erweiterungsmöglichkeiten für das Gewerbe“ im Gespräch ist vor allem die direkt an der Landesstraße 3005 gelegene circa 3,6 Hektar große Fläche „Kronberger Hang“ am südlichsten Ende des Stadtgebiets. Foto: Puck

Kronberg (pu) – In der durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufenen Extremsituation der letzten Monate lag der Schwerpunkt der Arbeit des Bundes der Selbstständigen (BDS) als örtlichem Wirtschaftsverband für Handwerker, Einzelhändler, Dienstleister und Freiberufler darauf, das Kronberger Gewerbe nach Kräften im Rahmen der Möglichkeiten zu unterstützen. Außer der Podiumsdiskussion anlässlich der Bürgermeister-Wahl und des „Kronberger Advent“ samt Weihnachtsbaum-Wettbewerb war während der Lockdown- und Kontaktbeschränkungsphasen an verkaufsoffene Sonntage, Großveranstaltungen wie das kronberg|er|leben oder Treffen wie „meet &eat“ oder „Selbstständige im Dialog“ nicht zu denken.

Umso glücklicher zeigte sich der BDS-Vorstand, die Jahreshauptversammlung auf der Außenterrasse des Obsthofs Krieger stattfinden lassen zu können. Neben zahlreichen Mitgliedern, Bürgermeister Christoph König (SPD), Erstem Stadtrat Robert Siedler (parteilos) und Wirtschaftsförderer Andreas Bloching waren der Einladung auch Vertreter von fünf der sechs Kronberger Parteien und Wählergemeinschaften gefolgt.

Vorstandssprecher Christian Hellriegel ließ die zurückliegenden Monate kurz Revue passieren, berichtete unter anderem vom positiven Feedback für das kurzerhand aus der Not geborene virtuelle Schaufenster „WirliebenKronberg“ und die später hinzugekommene virtuelle Ausbildungsbörse, den per Newsletter an die Hand gegebenen Informationen und Tipps zu Beschlüssen des hessischen Corona-Kabinetts. Die Stadt Kronberg und dabei vor allem die Wirtschaftsförderung leisteten den Gewerbetreibenden ebenfalls mit Rat und Tat Hilfestellung.

Angesichts der niedrigen Inzidenzzahlen zeigte sich der BDS-Vorstand vorsichtig optimistisch, neben der Aufrechterhaltung der virtuellen Bühne wieder zunehmend Aktivitäten zur Belebung der Innenstadt planen und durchführen zu können. Die Vorbereitungen für ein der Situation geschuldetes verkleinertes Format des „kronberg|er|leben“ am 11. und 12. September sind angelaufen.

Ganz oben auf der Agenda

Bei aller Sehnsucht, bewährtes Vermisstes erneut aufzulegen, wissen die Zuständigen von BDS und der Stadt Kronberg jedoch nicht minder um die zwingende Notwendigkeit, bei bisher ungelösten Aufgaben zwecks Erledigung am Ball bleiben zu müssen. Das betrifft sowohl die Bemühungen zur Beendigung von Leerständen – nach wie vor ein schwieriges Feld – , die Unterstützung von Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie als auch das entschlossene Herangehen an die Beseitigung der suboptimalen Situation einer Reihe örtlicher Handwerker, die seit langem weitere Flächen benötigen. Von der nunmehr zusätzlich anstehenden Bewältigung der Pandemiefolgen für Branchen, die entweder monatelang komplett ausgebremst waren oder in geringerem Umfang tätig sein mussten, mal ganz zu schweigen.

Vor diesem Hintergrund nutzte Bürgermeister Christoph König (SPD) die willkommene Gelegenheit, ob dieser dringlichen Themen aufzurütteln und ins Gewissen zu reden. Zunächst lenkte er die Aufmerksamkeit auf positive Nachrichten: Durch den nach momentanem Stand der Dinge am 1. September startenden Leiter der neu geschaffenen Stelle Stadtmarketing eröffne sich die Chance der Forcierung des integrierten Stadtmarketingkonzepts. In Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung sei beispielsweise die engere Verknüpfung von Einzelhandel, Gastronomie/Hotellerie mit der Kultur vorgesehen; der bisher mangels verfügbarer Kapazitäten nicht optimal betreute Bereich Fremdenverkehr und Tourismus werde deutlichen Aufwind erhalten. „Wir versprechen uns davon eine Ausstrahlung in die übrige städtische Wirtschaft“, unterstrich der Rathauschef.

Des Weiteren informierte er über ein Ende Mai vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen gemeinsam mit den Partnern des „Bündnisses für die Innenstadt“ ausgeschriebenes Förderprogramm, für das sich Kommunen kurzfristig bis Ende Juni bewerben können. Unter der Überschrift „Denken und beleben Sie Ihre Innenstadt neu“ und der Vision, „Orte der Begegnung, Erholung, Kommunikation“ zu entwickeln, kann die Burgstadt Projekte benennen, die, wie Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir es ausdrückte, dazu geeignet sind, „die Menschen wieder vom Sofa in die Innenstädte zu holen“.

Dazu Andreas Bloching, Leiter der Stabsstelle „Medien und Wirtschaftsförderung“: „Die Stadt Kronberg wird sich an dieser Interessenbekundung beteiligen und einen Antrag auf Förderung stellen. Eingereicht werden mögliche Maßnahmen und Projekte, die in der Kürze der Zeit und ohne langfristige Abstimmungsprozesse darstellbar sind. Dabei werden auch entsprechende kurzfristig beim BDS abgefragte Ideen und Vorschläge berücksichtigt.“ Maximal können Kommunen Projekte mit einem Gesamtvolumen von bis zu 250.000 Euro anmelden. Bis zu 80 Prozent der Kosten sind förderfähig. „Wir werden auch gemeinschaftlich mit der Nachbarstadt Königstein und zwei interkommunalen Projekten ins Rennen gehen“, kündigte Bloching an. Insgesamt stehen 12,25 Millionen Euro landesweit an Fördermitteln zur Verfügung. Kronbergs Wirtschaftsförderer ergänzte: „Davon ausgehend, dass das Land ein Interesse haben dürfte, die Mittel möglichst breit zu verteilen, um viele Gemeinden und Städte zu berücksichtigen, bieten wir in unserer Interessenbekundung mehrere Projekte in verschiedenen Größenordnungen an, was die Chancen auf Förderung möglicherweise erhöht.“ Ein Gremium aus Vertretern des Ende 2020 gegründeten „Bündnisses für die Innenstadt“ entscheidet über die Vergabe der Mittel. Erst dann erfolgt der offizielle Antrag der jeweiligen Kommune.

Gewerbe größte Einnahmequelle

Soweit zum Positiven, denn im Kern brannte der Stadtverwaltung mit Bürgermeister König an der Spitze offenkundig ein alles andere als neues Thema unter den Nägeln – Stichwort Handwerker und Wirtschaftsförderung im Allgemeinen. Für alle, in deren Bewusstsein die Wichtigkeit von Gewerbe für das Stadtleben und die dem Rechnung tragenden Gründe für unentbehrliche Wirtschaftsförderung noch immer nicht angekommen sind, hob der Rathauschef heraus, dass die Gewerbesteuer mit mehr als der Hälfte schlichtweg die größte Einnahmequelle der Stadt Kronberg im Taunus ist! Das resultiere unter anderem auch aus der hohen Zahl der bereitgestellten Arbeitsplätze. Das bekräftigte an diesem Abend auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Stefan Möller, der von über 10.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und einem Pendlersaldo von 6.000 sprach, das heißt, Kronberger Unternehmen stellen 6.000 Arbeitsplätze mehr zur Verfügung, als die Kronberger Bevölkerung benötigt. In diesem Zusammenhang sei auch an den im Juli 2017 erschienenen Statusbericht des Stadtentwicklungskonzepts (SEK) erinnert, dem zu entnehmen ist, dass Kronberg im Gebiet des Regionalverbandes neben Eschborn, Schwalbach und Sulzbach zu den Städten mit dem höchsten Einpendlersaldo zählt.

Dauerthema Erweiterungsflächen

In diesem Wissen schickte der Bürgermeister an die Adresse der anwesenden Lokalpolitiker: „Es ist wichtig, dass die Stadt sich um Ansiedlungsmanagement, Bestandspflege und viele Aufgaben mehr kümmert und engagiert, ansonsten ziehen andere Städte an uns vorbei, und vor allem im mittelständischen Bereich droht uns mangels zur Verfügung stehender Erweiterungsflächen die Gefahr, dass uns Betriebe verlassen!“

Damit war der Bogen zum örtlichen Handwerk geschlagen, traditionell eine der tragenden Säulen in der Burgstadt. Aller Heimatverbundenheit zum Trotz sieht ein Teil der aktuell die Geschicke ihrer Betriebe leitenden Generation mangels Expansionsmöglichkeiten jedoch mit bangem Blick in die Zukunft. Die Gemütslage der Betroffenen brachte Thorsten Nuhn, Chef der gleichnamigen Elektrotechnik GmbH, der darüber hinaus als Stadtbrandinspektor fungiert, geradeheraus auf den Punkt: „Ich war vor zehn Jahren als Dreißigjähriger das erste Mal bei einer solchen Veranstaltung und schenkte den Worten, dass alles zur Verbesserung unserer Lage getan werde, noch Glauben. Mittlerweile bin ich 40, wir sind keinen Schritt weiter und ich bin an dem Punkt, das Vertrauen in die Politik zu verlieren!“

Handwerker verschaffen sich Gehör

Dieser tiefsitzende Frust kommt nicht von ungefähr. In der erwähnten Dekade nutzten die Kronberger Handwerker jede sich bietende Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen und das Augenmerk auf die umtreibende, teils existenzbedrohende Problematik zu lenken, sei es während Versammlungen des Bundes der Selbstständigen, im Rahmen von Podiumsdiskussionen oder unabhängig davon in der Presse.

2018 schien endlich Bewegung in die leidige Angelegenheit gekommen zu sein. Nach Beleuchtung des Bausteins „Gewerbe“ als einem von dreien zwischen März 2015 und November 2016 im Stadtentwicklungskonzept (SEK) kündigte der CDU-Stadtverband im Mai 2017 an, sich dafür einzusetzen, die Gewerbefläche am Kronberger Hang in den Flächennutzungsplan aufzunehmen. Die Christdemokraten erhielten im Februar 2018 Verstärkung durch die Sozialdemokraten, die nach einem auf Einladung des Arbeitskreises Handwerk des Bundes der Selbstständigen stattgefundenen Treffen mit zehn Inhabern Kronberger Gewerbe- und Handwerksbetriebe, Vertretern mehrerer Fraktionen, Bürgermeister Klaus Temmen, Erstem Stadtrat Siedler sowie Wirtschaftsförderer Andreas Bloching zum Thema fehlende „Gewerbeflächen in Kronberg“ öffentlich mitteilten, sie wollten sich „mit aller Kraft für das Gewerbe und Handwerk in Kronberg einsetzen“. Im September des gleichen Jahres forderte auf Antrag der CDU eine Parlamentsmehrheit den Magistrat auf, zu prüfen, welche Gewerbeflächen zur Deckung des Erweiterungsbedarfs Kronberger Handwerksbetriebe geeignet sind und perspektivisch zur Verfügung gestellt werden können. Die Unterstützung der Handwerkerschaft war im Übrigen im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und UBG verankert.

Signale, die von den betroffenen Handwerkern in der Erwartung registriert wurden, dass den Worten verbindliche Taten folgen. Eine zaghafte, bisher unerfüllte Hoffnung. Drei Jahre, nachdem Moritz Feger (Geschäftsführer der Weidmann & Feger GmbH) und Joachim Schulte (Inhaber Schulte Bauzentrum Rhein-Main GmbH) im Namen ihrer Kollegen in aller Eindringlichkeit von der Politik forderten, endlich Gas zu geben und Abhilfe durch die Entwicklung weiterer Flächen für produzierendes Gewerbe in Kronberg zu schaffen, von Fortschritt keine Spur.

Fakten

Der städtische Wirtschaftsförderer Andreas Bloching unterstützt die Handwerkerschaft seit seinem Amtsantritt im April 2014. Sein damaliges Versprechen, „den Finger immer wieder in die Wunde zu legen und auf die Notwendigkeit hinzuweisen, in die Pötte zu kommen“, erneuert er seither gebetsmühlenartig: „Der BDS und die städtische Wirtschaftsförderung weisen seit Jahren auf den dringlichen Bedarf an Gewerbefläche hin, insbesondere für die Expansion Kronberger Bestandsunternehmen. Ich wiederhole das gerne nochmals: Alleine das Kronberger Handwerk hat einen Gesamtexpansionsbedarf von circa 1,5 Hektar.“ Nach seinen Worten erreichten die städtische Wirtschaftsförderung 2018 Standortanfragen externer ansiedlungswilliger Unternehmen mit einem Gesamtflächenbedarf von circa 3,3 Hektar. Stand 2018 seien zudem mittel- und langfristige Gesamtbedürfnisse von Bestandsunternehmen in Höhe von 6,2 Hektar ermittelt worden, davon circa 1,5 Hektar auf das Handwerk entfallend. Ein größeres Unternehmen aus dem Bereich der Medizintechnologie, das damals in Kronberg bauen wollte, habe sich inzwischen für eine verfügbare Fläche in einer Nachbarkommune entschieden. „Ansiedlungswünsche von Logistikern werden von der Stadt nicht berücksichtigt, da deren Flächenbedarfe keinesfalls in Kronberg abzubilden sind“, macht Bloching deutlich. 2019 habe der Flächenbedarf ansiedlungswilliger Unternehmen (wieder ohne Logistiker und ohne die bereits 2018 erfassten Unternehmen) 1,4 Hektar betragen; der Bedarf expansionsbedürftiger Bestandsunternehmen (Handwerker konstant bei 1,5 Hektar) liege bei circa 4 Hektar.

Bloching weiter: „Auch im Corona-Jahr 2020 haben die Stadt zahlreiche Anfragen von Unternehmen erreicht, die sich gerne in Kronberg ansiedeln würden. Der Expansionsdruck von Bestandsbetrieben ist ungebrochen groß. Ausgenommen ist der Bedarf an reinen Büroflächen, dieser ist vergleichsweise niedrig. Hier verfügt Kronberg auch über Reserven, wenn es um reine Büroflächen zur Miete geht.“ Die Entwicklung neuer Gewerbeflächen ist aus Sicht der städtischen Wirtschaftsförderung zwingend notwendig, um wichtige Bestandsunternehmen an den Standort Kronberg im Taunus zu binden, Abwanderung zu verhindern und um neue zukunftsweisende Unternehmen für den Standort zu gewinnen. Neue Flächen dürften dabei nicht sofort komplett belegt werden. „Es ist wichtig, eine Flächenbevorratung zu schaffen, um über Reserven zu verfügen und handlungsfähig zu sein“, erklärt Andreas Bloching mit Nachdruck.

Wiederholt in diesem Zusammenhang im Gespräch ist vor allem die direkt an der Landesstraße 3005 gelegene, circa 3,6 Hektar große Fläche „Kronberger Hang“ am südlichsten Ende des Stadtgebiets, die im Flächennutzungsplan des Umlandverbandes bereits als Gewerbefläche vermerkt und laut SEK-Bericht durch die Stadt zurückgegeben worden war. Als mögliche Optionen erwähnt werden außerdem das Gewerbegebiet „Am Auernberg“ (4,8 Hektar) und die Gewerbepotenzialfläche Oberhöchstadt Süd II (7,2 Hektar).

Falsche Richtung und Pirouetten

Mit Blick auf die zwingend notwendige Flächenentwicklung bezeichnete Bürgermeister König den jüngsten Parlamentsbeschluss, von den momentan im Stadtgebiet überhaupt zur Verfügung stehenden circa 17 Hektar die 11 Hektar „wichtige Potenzialfläche“ in städtischem Besitz am Grünen Weg (vorgesehen zur Bebauung oder als Ausgleichsflächen) aus dem künftigen Flächennutzungsplan herausnehmen zu lassen (wir berichteten), als Entscheidung in die falsche Richtung. Der Rathauschef richtete den flammenden Appell an die Lokalpolitik, es sei dringend an der Zeit, „anders zu denken – bitte fangt endlich damit an!“ „Wir wissen, wo wir hin wollen und müssen, doch es fehlt nach wie vor an Rückmeldungen aus der Politik.“ Erster Stadtrat Siedler wählte dagegen weniger diplomatische Worte, sondern machte keinen Hehl aus blank liegenden Nerven und aufgestauter Wut: „Wir drehen Pirouetten, weil Teile der Politik falsche Schwerpunkte setzen!“

Stimmen der Politik

CDU und SPD bekräftigten derweil ihre bereits bekannte Unterstützung der Handwerkerschaft. Stefan Möller (CDU) betonte in diesem Zusammenhang, dass zum Ausgleich der Gewerbesteuer (2021 Prognose 19,7 Millionen Euro) die Grundsteuer (2021 Ansatz 5 Millionen Euro) vervierfacht werden müsste, erinnerte außerdem an die Leistungen der Handwerkerschaft für die Stadtgesellschaft (Feuerwehr, Rotes Kreuz, Hilfsdienste). Offene Ohren und Beibehaltung des Steuerhebesatzes von derzeit 357 Prozent signalisierte Dr. Ralf A. Pampel (Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“): „Wenn es Ihnen gut geht, geht es Kronberg besser, weshalb man zuhören muss, um gemeinsam Dinge anzugehen, die Ihnen wichtig sind!“ FDP-Fraktionsvorsitzende Kristina Fröhlich brachte erneut die Verlegung des Bauhofs ins Spiel. Im Übrigen gelte es, „Wissen in Fakten“ umzuwandeln; nichtsdestotrotz benötige man mehr Informationen und müsse sich schnellstmöglich an einen Tisch setzen. Bündnis90/Die Grünen-Vorstand Udo Keil mahnte, im Umgang mit der knappen Ressource Boden bisher ungenutzte Möglichkeiten zu forcieren, darunter beispielsweise die Aufstockung von Supermärkten.



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