Stadtverordnete fordern mehr Zeit für Neuausrichtung des Stadtbussystems

Kronberg (kb) – Die Stadtverordneten sind nicht der Empfehlung des Magistrats und des Ersten Stadtrats Robert Siedler gefolgt und damit den erarbeiteten Plänen der Betriebskommission. Diese sehen vor, das bestehende Stadtbussystem nach Ergebnis einer umfangreichen strategischen Untersuchung aus dem Jahr 2014 quasi als Status quo für die erneute europaweite Neuausschreibung zu nutzen, um damit im kommenden Jahr fristgerecht in das wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren gehen zu können. Der bestehende Verkehrsvertrag mit dem damaligen Gewinner des Vergabeverfahrens, der jetzigen Deutsche Bahn Regiobus Südwest GmbH, endet zum 10. Dezember 2022. Das Stadtbussystem mit drei Linien habe sich in der Praxis bewährt, so heißt es in der Begründung. Die aktuellen Fahrgastzahlen würden zeigen, dass sich das bestehende Liniennetz etabliert habe und eine hohe Akzeptanz genießt, insbesondere bei der älteren Bevölkerung, aber auch bei Pendlern und Schülern, so der Wortlaut in der Magistratsvorlage. „Möglicherweise zukunftsweisende ÖPNV- Strategien wie ein On-Demand Bus-System oder ein Rufbus befinden sich derzeit in Testphasen oder sind noch nicht ausgereift. Die fachlichen Berater des Verkehrsplanungsbüro IG Dreieich Bahn GmbH (IGDB) und des Verkehrsverband Hochtaunus (VHT) raten den Stadtwerken Kronberg davon ab, solche Systeme zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszuschreiben“, erklärte Siedler gegenüber den Stadtverordneten in der jüngsten Sitzung des Stadtparlamentes. Im Rahmen des Stadtentwicklungskonzeptes werde auch das Mobilitätskonzept überprüft. „Die Ergebnisse dieses Prozesses sollten, im Hinblick auf ein zukunftsorientiertes Stadtbussystem, in der darauffolgenden Ausschreibung Berücksichtigung finden“, meinte Siedler. Eine solche Konzeptfindung gehe über den Rahmen der aktuellen Stadtbus-Ausschreibung deutlich hinaus und sei zeitlich kaum noch zu realisieren.

Trotz dieser Empfehlung des Ersten Stadtrats sollte sich der interfraktionelle Antrag von CDU, KfB, UBG und FDP an diesem Abend durchsetzen, der ein anderes Ziel verfolgt, nämlich mehr Zeit zu gewinnen. Darin fordern die vier Parteien vor der europaweiten Ausschreibung den Inhalt der vorgelegten Ausschreibung noch bezüglich seiner Konformität mit dem noch in Arbeit befindlichen „Integrierten Mobilitätskonzept“ (IM) zu überprüfen. Um die zeitlichen Vorgaben einer europaweiten Ausschreibung einzuhalten, wird der Magistrat gebeten, mit dem bisherigen Betreiber eine entsprechende Verlängerung des laufenden Dienstleistungsvertrages um ein Jahr zu verhandeln. Die vier Parteien begründen ihre Forderung folgendermaßen: „Die Anforderungen an den ÖPNV und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten werden sich in den nächsten Jahren ändern und zwingen bei einer Entscheidung mit einer Vorlaufzeit und einer Laufzeit des Vertrages von insgesamt acht Jahren, diese zu berücksichtigen. Hierbei kommt dem ökologischen Blickwinkel eine ganz besondere Bedeutung zu. Dies betrifft die Technik der Busse als auch ihre Effizienz.“ Schließlich ändere sich auch der Bedarf der Bürger, wenn ihnen im Rahmen des IM alternative Angebote gemacht werden. Der Expertise des von der Stadt Kronberg einzustellenden Klimaschutzbeauftragten komme hierbei besondere Bedeutung zu.

Erster Stadtrat Robert Siedler verwies darauf, dass die Zeitschiene von einem weiteren Jahr viel zu knapp sei, um den Stadtbus in ein Mobilitätskonzept einzugliedern und gegebenenfalls neue Antriebstechnologien etc. zu eruieren. Doch die vier Parteien blieben dabei. FDP-Stadtverordneter Dietrich Kube dazu: „Wir sind heute in der Verantwortung, ein zukunftsweisendes Stadtbussystem auf den Weg zu bringen. Sie wissen doch genau, dass wir mit ihrem Vorgehen nur Stückwerk produzieren würden“, meinte er in Richtung Siedlers. Wenn der Erste Stadtrat ein Jahr Verlängerung heraushandeln würde, hätte man drei Jahre und damit ausreichend Zeit, eine Neuausrichtung des Stadtbusses auf den Weg zu bringen. Der FDP war die Verlängerung der Zeitschiene auch wichtig, weil sie selbst innerhalb ihrer Partei eine Studie mit Fahrgastzählung etc. hatte erarbeiten lassen, für deren ernsthafte Diskussion mit übrigen Parteien jedoch keine Zeit mehr war. Hierin wird das Drei-Linien-System allerdings auf ein Zwei-Linien-System umgestellt. Die FDP zog ihren Änderungsantrag erst einmal zurück.

Unterstützung für die Forderung, ein Jahr Verlängerung des jetzigen Stadtbusvertrages zu bewirken, gab es auch seitens der CDU. Vielleicht sei das Optimum beim Stadtbussystem schon erreicht, vielleicht aber auch nicht, befand der CDU-Stadtverordnete Michael Dahmen. Bestimmt habe die Betriebskommission ordentlich gearbeitet, aber wir wollen es „noch intensiver und detaillierter“ und „wir wollen das Mobilitätskonzept berücksichtigt haben“. Abschließend betonte er, dass die CDU zu dem Stadtbussystem stehe. „Es ist richtig, dass wir für den Stadtbus Geld ausgeben wollen.“ Aber gerade deshalb sollte man genau hinschauen und sich ein Jahr mehr Zeit für eine mögliche Neuausrichtung lassen. Auch die KfB und mit ihr ihre Rednerin Eva-Maria Villnow machte deutlich, dass sie in der Magistratsvorlage ihre Forderungen nach einem „verzahnten ÖPNV-Konzept“ bzw. Anbindung von Bad Soden, Prüfung alternativer Antriebstechnologien, Attraktivitätssteigerun durch On-Demand-Angebote etc. nicht berücksichtigt sieht. „Das alles soll im Rahmen des integrierten Mobilitätskonzeptes diskutiert werden“, forderte Villnow. Deshalb müsse jetzt eine Vertragsverlängerung mit dem Stadtbusbetreiber verhandelt werden.

Der Fraktionsvize der Grünen, Udo Keil, hielt das für schlicht „rechtswidrig“ und auch die Grünen-Stadtverordnete Anja Weinhold zog bei dem interfraktionellen Antrag nicht mit. In Richtung Änderungsantrag der UBG stellte sie für die Grünen klar: „Das Stadtbussystem darf keinesfalls beschnitten werden, sondern es muss ausgebaut werden.“ Kurzum sei man zufrieden mit dem, was die Betriebskommission erarbeitet habe, da das aktuelle Stadtbussystem – sogar in Coronazeiten – eine hohe Akzeptanz genieße. So solle es bleiben und dafür wolle man Geld die Hand nehmen, sagte Weinhold.

Die SPD bliebt auch bei ihrer Überzeugung, mit dem erarbeiteten Konzept der Betriebskommission in die europaweite Ausschreibung gehen zu wollen. „Ich habe ehrliche Zweifel, ob wir in der Endphase von laufenden Verfahren noch einen Paradigmenwechsel hinkriegen würden“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Haas. Die SPD befürchtet, 2022 womöglich sonst „kein Stadtbusystem mehr zur Verfügung zu haben“. Natürlich werde sich das Mobilitätsverhalten in Zukunft noch stark ändern, deshalb solle man dann auch deutlich vor 2030 mit einer Erarbeitung einer Neuausrichtung unter Berücksichtigung der Veränderungen beginnen. Jetzt wolle man aber der Ausarbeitung der Betriebskommission für ihr sicherlich „attraktives Stadtbussystem“ folgen. „Ich denke, dass ist der richtige Ansatz“, so Haas. Am Ende stimmten jedoch 19 Stadtverordnete bei 10 Gegenstimmen für den interfraktionellen Antrag, der die Stadt auffordert, eine Verlängerung des Vertrags mit dem Stadtbusbetreiber um ein Jahr zu verhandeln.

Das innerhalb der Betriebskommission erarbeitete Stadtbuskonzept wurde bei gleicher Stimmenverteilung abgelehnt.



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