Sich Zeit nehmen und sie zum Geschenk machen–Pfarrer Hackel wird verabschiedet

Kronberg (hmz) – Zeit ist einer der Grundbausteine des Lebens und damit sollte mit Bedacht und sorgsam umgegangen werden. „Wir sollten uns Zeit für die Menschen, für die wichtigen Dinge nehmen, denn Zeit ist das wertvollste Gut, das wir verschenken können.“ Pfarrer Hans-Joachim Hackel hat dieses Geschenk 27 Jahre lang all jenen gemacht, die sich ihm in vielen unterschiedlichen Lebenssituationen anvertraut haben. „Mir war es immer wichtig, den Ratsuchenden das Gefühl zu geben, dass ich ausschließlich für sie da bin und mir die erforderliche Zeit für sie nehme. Auch dann, wenn mein Terminkalender voll ist.“ Wenn Pfarrer Hackel am 4. Juni feierlich von der evangelischen Kirchengemeinde St. Johann in den Ruhestand verabschiedet wird, bleibt den meisten eine persönliche Erinnerung an die Zeit mit ihm, in der er an ihrer Seite gestanden hat: Sehr verschiedene Anlässe führten zu ihrem Bedürfnis, sich eine Zeit lang begleiten zu lassen, zum Beispiel der Wunsch nach Klärung in einer Entscheidungssituation, eine Lebens- oder Glaubenskrise, Erschöpfung und der Wunsch nach Veränderung des Alltags, Fragen der Lebensmitte, feierliche Anlässe wie Hochzeiten und Taufen oder einfach der Wunsch, den eigenen geistlichen Weg zu vertiefen.

Konfirmandenunterricht

Seine geistliche Begleitung war auch wesentlich bei der Gestaltung seines Konfirmandenunterrichts. „Wenn aus Kindern Jugendliche und junge Erwachsene werden, konnte ich diese jungen Menschen in einer der wichtigsten Phasen ihres Lebens begleiten. Ich wollte die Werte der evangelischen Kirche vermitteln, Gottes Nähe spürbar machen, die Konfirmandinnen und Konfirmanden stärken und Vertrauen in ihre eigene Persönlichkeit fördern.“ Die Jugendlichen hätten bekannte Texte der Bibel und der christlichen Tradition kennengelernt und über ihren Glauben, Gott und die Welt sprechen können. „Sie mussten Gebete auswendig lernen, das hatte einen Grund: Man ist manchmal sprachlos, dann braucht man ein Gebet.“

Gruppenidentität

Was die Gruppenidentität ungemein gefördert habe, waren die jährlichen Jugendfreizeiten nach Südfrankreich sowie die Skifreizeiten nach Mayrhofen (Österreich). „Für viele war ich eine Vertrauensperson und so konnte ich mich zum Beispiel darauf verlassen, dass mein Alkoholverbot unbedingt eingehalten wurde. Auf keiner Fahrt kam es zu irgendwelchen ärgerlichen Vorkommnissen. Durch meine Gesprächsangebote hat sich eine freundschaftliche Basis und ein gegenseitiger respektvoller Umgang entwickelt. Ich habe versucht, mich auf ihre Denkweise einzulassen.“ Das sei ihm immer wichtig gewesen und „wir werden viel verlieren, wenn diese Verbindungen nicht bestehen bleiben. Sie sorgen dafür, dass die Kirchentür offen bleibt“. Sich in Menschen in ihrer momentanen Lebensphase hineinversetzen zu können, gilt auch für Beerdigungen, Taufen und Hochzeiten. „Bei jedem Gespräch möchte ich das Wesentliche heraushören, hierbei ist es ganz besonders wichtig, weil es sich um ganz prägende Anlässe handelt. Da können es schon mehrere Zusammenkünftige werden, bis meine Predigt steht.“

Pfarrer Hackels Predigten führen in seiner eigenen Art Gottes- und Lebensnähe zusammen. Eine über 2.000 Jahre alte Botschaft zu vermitteln, braucht eine eigene Sprache. „Ich habe meistens sieben Themen im Kopf und kurz vor meinem Predigtbeginn entscheide ich mich erst für eine Variante, weil ich meine Kirchengemeinde dann vor mir sehe und aufnehme, was passend ist.“ Was eine gute Predigt ausmacht – darüber streiten sich die Geister. Was Pfarrer Hackels Predigten charakterisiert, lässt sich so beschreiben: Das Wort aus der Bibel bezieht er in das tägliche Leben ein, die Predigten regen zum Nachdenken an, sie sind in der Regel kurzweilig und er bringt seine Gemeinde durchaus auch zum Lachen. Situative Spontaneität inbegriffen. Seine Worte können Einfluss auf das eigene Verhalten nehmen, berühren und sogar tief bewegen. „Als ich im Gottesdienst zum ersten Mal die Weihnachtsgeschichte gelesen habe, fragte ich mich: Und was machst du im nächsten Jahr?“ Auch wenn er wüsste, dass viele Besucherinnen und Besucher, die eher selten den Gottesdienst besuchen, um die Weihnachtszeit eben wegen dieser Erzählung kämen, suche er sich gerne ein anderes Thema – regelmäßig ein Stressfaktor für ihn.

Gerade diese Zeit sei eine Herausforderung für viele Familien, die zu pflegende Angehörige haben oder einen Verlust verschmerzen müssen. „Viele Jahre lang wurde das Sterben ins Krankenhaus verlegt und meine Idee war, es wieder nach Hause zu holen“, so Pfarrer Hackel. Er hat zusammen mit Cornelia Jung den ambulanter Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst BETESDA gegründet. Inzwischen sind 30 Ehrenamtliche in die Arbeit eingebunden und parallel dazu wurde auch die ambulante Hospiz- und Demenzbetreuung aufgebaut. Es hat dennoch fünf Jahre gedauert und war nur durch die finanzielle Unterstützung des Rotary Club sowie des Lions Club möglich. „Die beiden Serviceclubs haben durch ihren Benefit unterstützt, diesen aber zugleich auch an einem großen gesellschaftlichen Problem festgemacht.“

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehe. „In dieser Stadt gibt es eine große Hilfsbereitschaft und die Menschen kümmern sich umeinander.“ Immer ein offenes Ohr, mit Rat und Tat zur Stelle, Worte zur finden, wo es keine mehr gibt und da zu sein, wenn keiner kommt. Diese Zeit für Verbundenheit zu finden, ob am Krankenhaus- oder Sterbebett – Pfarrer Hackel wollte sie sich nehmen. „Wenn ich Gott nicht nur als Schöpfer der Welt betrachte, sondern auch als den Schöpfer meines Lebens, dann erkenne ich, dass meine Zeit geschenkte Zeit ist.“ Pfarrer Hackel genießt eine hohe Akzeptanz und Beliebtheit in seiner Gemeinde, der Grund liegt in seiner Persönlichkeit, in der das Wort Wahrhaftigkeit Resonanz hat: Er macht niemandem etwas vor. Auch sich selbst nicht, er steht zu dem, was er sagt und tut. Er folgt seinen Überzeugungen und Werten und bleibt integer.

Kontinuität

Pfarrer Hackel wird auch im Ruhestand Zeit für Menschen finden, aber auch wieder mehr für sich selbst. „Ich habe sehr gute Freunde, denen ich mich jetzt wieder deutlich mehr widmen werde. Und wenn es gewünscht ist, werde ich auch weiterhin taufen, trauen und beerdigen.“ Und er wünscht sich Kontinuität für bereits Erreichtes von seiner Nachfolge, dabei „verlasse ich mich auch auf meinen großartigen Kirchenvorstand“. Viele Menschen haben durch ihn gelernt, die unterschiedlichen Lebensphasen gelassen anzunehmen. „ Es gelingt leichter, wenn man sein Leben in einem größeren Kontext sieht und weiß: Das Leben ist größer als die Summe meiner Tage, denn Gott hält nicht nur mein Leben in seiner Hand mit all seinen Erfolgen und Rückschlägen, sondern auch die ganze Welt.“ Und die Ewigkeit kennt keine Zeitnot.

Pfarrer Hans-Joachim Hackel wird am 4. Juni in den Ruhestand verabschiedet. Foto: privat



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