Der Lustpark im Niederwald

Auch heute noch muss der Eingang zur „Rossel“ im Waldpark entdeckt werden, wie Harald Kandler bei der Exkursion mit den Oberstedtern im Mai 2019 bewies. Foto: Lober-Sies

Oberursel (ow). Der Geschichts- und Kulturkreis Oberstedten eröffnete seinen diesjährigen Veranstaltungsreigen mit einem Lichtbildervortrag des Bad Homburger Schlossarchivars Harald Kandler über den im 18. Jahrhundert entstandenen Waldpark des Grafen Johann Friedrich von Ostein im Niederwald. „Ein Freund der Natur, der Jagd und des Waldes“ untertitelte Kandler seinen facettenreichen Vortrag über den Grafen und dessen Zauberwald-Projekt, mit dem der Oberstedter Geschichtsverein seine vorjährige Exkursion in den Park im Rheingau abrundete.

Auf das Waldplateau oberhalb von Rüdesheim lockt den Eingeweihten nicht nur die allseits bekannte „Germania“ aus der Kaiserreichszeit, sondern auch ein jahrhundertealter Wald, der ab 1764 vom Grafen von Ostein in einen sog. „Waldpark“ verwandelt wurde. Dieses seltene Gartendenkmal kam 2010 in die Zuständigkeit der Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten und wurde im Rahmen eines Unesco-Welterbe-Programms revitalisiert. Darin stoßen die Besucher auf verschiedene Parkbauten bzw. deren Überreste und können beeindruckende Ausblicke auf das Rheintal genießen. Der Osteinsche Park ist kein typischer Landschaftspark, wie er damals beim europäischen Adel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Rückzugsort in Mode kam, sondern ein Wald-Lustpark, ähnlich wie der „Große Tannenwald“ des Landgrafen Friedrich V. Ludwig von Hessen-Homburg (1748-1820), der seit einigen Jahren ebenfalls aus dem Dornröschenschlaf erweckt wird, führte Kandler aus.

Im Kaiserreich sei bekanntlich das Niederwalddenkmal mitten in den Osteinschen Park „hineingeklotzt“ worden (1877 Grundsteinlegung, 1882 Einweihung). Es erinnere an den deutsch-französischen Krieg von 1870/71, sei aber keineswegs so kriegerisch, wie seine Gegner annähmen, erläuterte Kandler. Denn die Germania schaue mit gesenktem Schwert nach Osten und biete dem Deutschen Reich die Krone an. Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ seine Spuren im Niederwald, erfuhren die Besucher. Heftige Bombardements ab 1942, die der zweigleisigen Hindenburgbrücke bei Rüdesheim galten, zerstörten im November 1944 den Rundtempel (2006 mit Fördermitteln wiedererrichtet) und beschädigten sogar die Germania. Zudem vermutet der Kampfmittelräumdienst immer noch Blindgänger in den gesperrten Teilen des Waldparks. Am Ende erhielt Kandler viel Applaus für seinen facettenreichen und informativen Vortrag.



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