18 Jahre hat Dorette Seibert die Auferstehungskirche geprägt

Die Auferstehungskirche ist für Pfarrerin Dorette Seibert zum „Wohnzimmer der Gemeinde“ geworden, nachdem sie am Gotteshaus zunächst vorbei gelaufen war. Foto: Biedermann

Oberursel (HB). Am Pfingstmontag steht sie zum letzten Male auf der Kanzel der Auferstehungskirche. Sie predigt über einen Text im neuen Testament, der die Szene beschreibt, als Petrus vom auferstandenen Heiland den Schlüssel zum Himmelreich empfängt. Dabei wird sie an ihre Lebenswirklichkeit erinnert, in der sie den eigenen Schlüssel immer wieder suchen muss, aber zum Glück auch immer wieder findet. Ganz gewiss kommt ihr bei diesem Abschied in den Sinn, was sie vor nunmehr 18 Jahren bei der ersten Begegnung mit ihrem Arbeitsplatz erlebt hat.

Damals nahm sie das unscheinbare Gotteshaus, das sich mit einem winzigen Dachreiter bescheiden muss, zunächst gar nicht wahr. „Ich bin daran vorbei gegangen.“ Gleichwohl hat sie die Ebertstraße 11, die einzige Oberurseler Kirche ohne Turm, als „Wohnzimmer der Gemeinde“ längst liebgewonnen. Das frühere Jugendheim sei „hell und luftig“, mit beweglichen Stühlen ausgestattet – 240 an der Zahl – lässt sich das Gotteshaus ganz schnell umfunktionieren.

Hier hat Pfarrerin Dr. Dorette Seibert (53) viel gelacht, getanzt und geredet. Hier wurden Filme gezeigt und 100 Jahre Frauenwahlrecht gewürdigt. Im Zeichen des Kreuzes an der Stirnwand war sie bald zwei Jahrzehnte Pfarrerin mit Leib und Seele. Es gibt deshalb kaum jemanden in der Gemeinde, der kein Verständnis für ihren Wechsel ins Dekanat Vogelsberg hat, nach Alsfeld, von dort zuständig für 88 Gemeinden, 55 000 evangelische Christen und 55 Kollegen. Sie will allen ein guter Hirte sein. Sie wird auch in dieser Funktion „den Menschen nicht sagen, was sie tun sollen. Orientierung ja, Vorschriften nein“.

Jetzte kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück. Das Dekanatsbüro liegt in der Nachbarschaft des 1000-Seelen-Dorfs Wallenrod, in dem ihr Elternhaus steht. Es gab eine Zeit, da wollte sie Förster werden, und deshalb wird verständlich, dass sie den Schulwald im Maasgrund als ihren liebsten Ort in der Stadt bezeichnet. Doch nachhaltig geprägt hat sie das Gemeindeleben, an dem sie im Posaunenchor, an der Orgel und als Helferin im Kindergottesdienst mitwirkte.

Die Oma, der Gemeindepfarrer und der Religionslehrer haben sie allesamt darin bestärkt, Theologie zu studieren. Nach dem Examen in Heidelberg schrieb sie ihre Doktorarbeit über Friedrich Schleiermacher und die Herrnhuter Glaubensgemeinschaft, befasste sich mit der Frage, „wie Frömmigkeit und intellektuelle Redlichkeit zusammenpassen“. Nach dem Vikariat dauerte es wegen eines Einstellungsstopps zwei Jahre, ehe sie von der Landeskirche die Stelle in Oberursel angeboten bekam. Die Zeit hat sie in der Personalabteilung der Degussa in Frankfurt überbrückt.

In der Auferstehungsgemeinde werden Musik und Chorgesang hochgehalten. Eine gute Plattform für eine Pfarrerin, die auch Akkordeon und Klavier spielt. Dorette Seibert hat gemeinsam mit den Erzieherinnen im kirchlichen Kindergarten „Arche Noah“ einen musikalischen Schwerpunkt entwickelt. Kantorin Gunilla Pfeiffer musiziert zwar überwiegend in der Christuskirche, steht aber auch für die Auferstehungsgemeinde zur Verfügung. Dorette Seibert hat zwei junge Organisten in die Gemeinde geholt, Kinder- und Jugendchöre, überdies einen Gospelchor mit aus der Taufe gehoben. Das hätte sie ohne die Unterstützung des Kirchenvorstands nicht geschafft. Mit Freude und Stolz erfüllt sie die einzige größere Baumaßnahme ihrer Amtszeit, mit der ein direkter Zugang vom Kindergarten zur Kirche geschaffen wurde. Es wuchs zusammen, was zusammen gehört.

In der Ebertstraße hat sie von Anfang an Toleranz gepredigt. Die Kirchentür für Junge und Alte, Schwarze und Weiße, für Jedermann geöffnet, damit die Botschaft von der Auferstehung, die Kraft und Hoffnung zur Bewältigung der Alltagsprobleme geben soll, weithin gehört wird.

Die Pfarrerin war immer zu einem persönlichen Gespräch bereit. Sie hat dabei viel über Krankheit und Einsamkeit erfahren, Trost gespendet und manchmal einfach nur zugehört. Sie habe versucht „den Menschen eine neue Perspektive auf ihr Leben zu eröffnen“. In Erinnerung werden die Familiengottesdienste bleiben, die musikalischen ebenso, und die „Wohltätigkeitsessen“, bei denen bis zu 100 Teilnehmer mehr als 1000 Euro für die Flüchtlingshilfe oder das Frauenhaus gespendet haben.

Drei Jahre war Dorette Seibert Stellvertreterin von Dekan Michael Tönges-Braungart. Der Kollege weiß um die Qualitäten der Seelsorgerin. Bei der Verabschiedung vor der Dekanatssynode bescheinigte er ihr „Humor, Engagement und Zugewandtheit“. Das sind Eigenschaften, die sie auch im neuen Amt gut gebrauchen kann. „Ich mache mich auf den Weg. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge.“ Ihre Stelle wird umgehend ausgeschrieben.



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