Alle trällern mit der Königin der Nacht

Brunhilde von Krudewitz (Bettina Hackenspiel), Carmen Kühnhals (Kerstin Kuschnik) und Martha Pfahl (Martina Schmerr) (v.l.) sind als Ensemble „Konduettina“ in Aktion, hier beim Trinklied aus Verdis La Traviata. Foto: bg

Oberursel (bg). Kein Handkäs, nein Opernkäs mit Musik. Was für ein Klamauk, brandaktuelle Themen und klassische Opernmusik kunstvoll arrangiert, durch den Kakao gezogen und stimmlich auf hohem Niveau präsentiert. Damit touren drei Operndiven seit prähysterischen Zeiten mit ihrem „Mobilen-Opern-Einsatz-Kommando“ (MOEK) durch die Lande.

Witzig, spritzig, einzig, aber nicht artig. Mit ihrem fünften Programm „Opernkäs mit Musik“ traten die drei Grazien jetzt im Rahmen des Orscheler Sommers im großen Schulgelände der Erich-Kästner-Schule auf. Ein stimmungsvoller Veranstaltungsort, den der Kunstgriff gekonnt bespielt. Ob Filmabende, Rockkonzerte oder Opernparodie – hier geht alles. Nach langer Pause hat das schräge Trio endlich wieder einen Auftritt und präsentiert ein Best-off aus seinen Programmen. „Also, die sind schrecklich nervös, die sind lange nicht mehr aufgetreten“, erklärt Kunstgriffvorsitzender Dirk Müller-Kästner dem versammelten Publikum, dem schon bald mächtig eingeheizt wird. Durch die drei Musikerinnen, die im fantasievollen, bonbonfarben Chiffonoutfit die Bühne betreten.

Die Kostüme sind aber nur ein billiger Abklatsch aus früheren, besseren Zeiten. Im hochsubventionierten Opernhaus trugen sie einst edle, maßgeschneiderte Kostüme aus Samt und Seide. Durch heftige Einsparmaßnahmen, angetrieben durch „McGrinsy“ und seine Evaluierung, fielen sie aus allen Wolken des Opernolymps und schlugen unsanft auf in der tiefsten Provinz, als abgewickelte Humanressourcen. Hessen, die noch nie ein Opernhaus von innen gesehen haben Mozart, Bizet, Verdi, Wagner, Weber und Offenbach näherzubringen, das ist jetzt das täglich Brot des musikalischen Trios. Sie trauern dem Glanz der früheren Zeiten immer noch nach, protestieren urkomisch gegen Billigklamotten und Pappe und landen potzblitz mit Papa, Papa - Papageno, dem Vogelhändler aus der Zauberflöte. Sopran Carmen Kühnhals flötet in den höchsten Tönen gemeinsam mit Brunhilde von Krudewitz, Tonlage Mezzo-Sopran. Begleitet am Piano von Martha Pfahl. Ihr Markenzeichen: „Extrembabbling“. Und das Ganze im breitesten Hessisch. Bei ihr hört sich der Schmerz des Othello dann so an: Horschtema, verarsche kann ich mich selba“. Das Kunstformat Oper wird von ihnen lustvoll in niederste Triebe zerlegt.

Sehr relaxed bei einem Gläschen, gefüllt mit Wein, Wasser oder Bier, verfolgt das Publikum amüsiert das Geschehen auf der Bühne und landet auf einmal mittendrin. Beim Freischütz tritt ja bekanntlich ein stimmgewaltiger Jägerchor in Aktion. Den Part darf das Publikum übernehmen, „Wo sie grad so da sind“, stellt die Moderatorin dazu fest. Und schon geht sie los, die wilde Jagd mit Halali – politisch korrekt ganz vegan – auf Blaubeeren und Co. Ein herrlicher Spaß, angerührt durch das infernalische Trio, das dem Zuhörer auch weiter keine Ruhe lässt. „Herr Roman“, so die Frage an den netten Herren im Publikum, „was möchten sie denn hören?“ „Aida? Nein, das geht net!“ Ganz demokratisch entscheidet die Moderatorin sich für das „Trinklied“ aus La Travita, das Carmen Kühnhals im Duett mit Brunhilde von Krudewitz spielerisch hackevoll auf die Schippe nimmt. „Duett ist, wenn zwei Fraue gleichzeitisch singe und keine tut’s störn“, schiebt Martha Pfahls als Erläuterung nach, die babbelt wie ihr der Schnabbel gewachsen ist.

Zu Hochformat läuft das Publikum beim Auftritt der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte auf. Carmen Kühnhals schmettert die bekannte Arie „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“, mit einem Fleischwolf in der Hand, durch den sie den unsäglichen Sarrastro drehen will. Auf das Kommando von Brunhilde von Krudewitz machen alle begeistert mit und rufen mitten in die höchsten Koloraturen „Hölle, Hölle, weh, Autsch“. Die herausfordernde Mozart-Arie schlägt am Ende auf in den bekannten Wolfgang Petry Song „Warum schickst Du mich in die Hölle“. Das outgesourcte und von Armut bedrohte Musiktrio staunt nicht schlecht: „Wer rechnet denn mit sowas in Oberursel“. Von den Koloraturen ging es dann nahtlos weiter in einen „Plerr-Jodler“ über, so eng können E- und U-Musik beieinander liegen, ein herrlicher Spaß.

Nachhilfe gibt es an diesem lauschigen Abend aber nicht nur in Sachen Oper, sondern auch zum Thema Sex. Denn: „Obacht, worum geht’s denn bei der Oper, richtisch: um Sex. Oper ist die permanente Vertonung des Austauschs von Körperflüssigkeite“, erfährt das staunende Publikum von der Frau am Piano.

Nach dem unglaublich schrägen Parcoursritt durch die Opernwelt mit stark hessischer Einfärbung endet der vergnügliche Abend musikalisch in Sachsenhausen. Mit der Kulthymne auf die Frau Rauscher, verabschiedet sich das Trio Carmen Kühnhals – Kerstin Kuschnik, Brunhilde von Krudewitz – Bettina Hackenspiel und Martha Pfahl – Martina Schmerr und wird vom begeisterten Publikum mit rauschendem Applaus verabschiedet.

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