Anabel I. und Julius I. regieren Orschel

So sehen Sieger aus: Antje Runge muss den Tollitäten weichen. Page Marc, Prinz Julius I., Prinzessin Anabel I., Hofmarschall Benjamin Müller und Page Lara (v. l.) haben den Stadtschlüssel erobert, den die Prinzessin als schicken Anhänger um den Hals trägt. Foto: Stadt Oberursel

Von Beppo Bachfischer

Oberursel. Die Voraussetzungen sind nicht gut für eine närrische Machtübernahme zum Endspurt der fünften Jahreszeit. Corona wütet nach wie vor mit vierstelligen Inzidenzwerten, mit angezogener Handbremse zu feiern, macht nur bedingt Spaß, und ein Prinz, der ohne Volk regieren und „Helau“ ins Leere rufen müsste, ist nicht in Sicht. Oder doch? Die Kleinen aus Bommersheim machen den Großen vor, wie’s geht. Das Kinderprinzenpaar Anabel I. und Julius I. blies zum Sturm, und eine kleine, aber feine Gefolgschaft verhalf ihm zum Erfolg.

Zusammen mit ihren Pagen Lara und Marc sowie dem Hofmarschall und stellvertretenden Vorsitzenden des Bommersheimer Carneval Vereins (BCV), Benjamin Müller, steuerten sie das Rathaus an und hofften, die Verteidiger mit einer List zu überrumpeln. Sie planten den Zugriff auf den Rathausschlüssel mit einem Überraschungssturm zu erobern. Denn in normalen Zeiten wird das Machtzentrum am Samstag vor Weiberfastnacht um 11.11 Uhr gestürmt, während der Pandemie wurden zu dieser Zeit im großen Rathaussaal die Vorbereitungen getroffen für das Impfteam der Hochtaunus-Kliniken, das jeden Samstag von 16 bis 19 Uhr dort die gewünschten Impfdosen verabreicht. „Was tun?“ überlegten Anabel I. und Julius I. und hatten die geniale Idee, sich den Schlüssel schon am Freitagnachmittag zu holen.

„Wir und unsere treuen Recken lassen uns so nicht erschrecken, nein, wir stürmen diesen Saal, was du machst ist uns egal!“ riefen sie Bürgermeisterin Antje Runge zu. Damit hatte die Rathauschefin nun wirklich nicht gerechnet und beriet mit ihren Unterstützern, Stadtverordnetenvorsteher Lothar Köhler und den Magistratsmitgliedern Jörg Steden, Doris Wübbenhorst, Jutta Niesel-Heinrichs und Ursula Klier, was zu tun sei. Doch da setzten die kleinen Tollitäten schon wieder an: „Gegen unsere Übermacht hast du kei’ Chance an Fassenacht! Rück’ den Schlüssel endlich raus, mach’ dich fort aus deinem Haus. Und nimm den Magistrat gleich mit, sonst bekommst du einen Tritt. Den Besen packst du auch gleich ein, denn wir regieren hier zu zwei’n!“

Antje Runge versuchte, Zeit zu gewinnen: „Ich weiß gar nedd was ihr hier wollt, am besten, ihr geht jetzt ham, und wenn ihr grollt, ihr könnt nedd bleiben, nedd hier, nedd heut, ich hab’ zu tun, ihr liebe Leut’. Ich sag es laut und auch recht keck, so einfach bekommt ihr mich nedd weg, und ruf ich euch zu, seid auf der Hut, denn neue Bese, die kehre gut!“

Davon ließ sich das Kinderprinzenpaar mit seinem Gefolge nun wirklich nicht beeindrucken. Weil diesmal keine Unterstützer mit einer Kanone dabei waren, mussten Anabel I. und Julius I. verbal schweres Geschütz auffahren. Es entwickelte sich ein bissiges Rededuell, das die Verteidiger vom Rathaus nicht gewinnen konnten. Bürgermeisterin und Magistrat ergaben sich schließlich dem Kinderprinzenpaar und händigten als sichtbares Zeichen der Eroberung den Rathausschlüssel sowie mit Schokolade gefüllte Schatztruhen an das Kinderprinzenpaar aus.

„Na gut, ich sehe es ja ei’, ihr seid echt hartnäckig, ihr zwei, das sollt’ belohnt wer’n, keine Frage, dann feiert halt eure tollen Tage“, meinte die Bürgermeisterin und fuhr fort: „Den Stadtschlüssel bekommt ihr gleich, doch leider werdet ihr nedd reich, die Stadtkasse ist nämlich leer, da findet ihr kein’ Euro mehr.“ Das konnte das Kinderprinzenpaar nicht erschrecken, denn die Kiste mit Schokolade und der Stadtschlüssel reichten den beiden vollauf. Runge verabschiedete sich: „So räume ich ohne Rabatz mein’ Bürgermeisterinnen-Platz, wünsche Euch Spaß, Freud’ und Glück, am Aschermittwoch bin ich zurück!“

Nun regieren Anabel I. und Julius I. für die restlichen „tollen Tage“ die Oberurseler Narren. Natürlich folgte als erste Amtshandlung die Ordensübergabe mit allen weiteren Beteiligten: dem Vorsitzenden des Narrenrats, Harry Hecker, der Vorsitzenden des Club Geselligkeit Humor Weißkirchen, Birgit Zum-broich, dem Vorsitzenden des Karnevalvereins „Frohsinn“, Ulfert Hahn, dem Vorsitzenden des Carneval Vereins Stierstadt, Steffen Kremer, und der Vorsitzenden des Karnevalvereins „The Ravens“, Corinna Becker, sowie der Brunnenkönigin Verena I. mit Brunnenmeister Andreas und dem Vorsitzenden des Vereinsrings, Ludwig Reuscher.

Die fünfte Jahreszeit hat in Oberursel eine lange Tradition, aber auch im Karneval fallen pandemiebedingt viele Veranstaltungen aus, sodass die hiesigen Narren eine Alternative gefunden haben. „Wir wollten gemeinsam mit dem Narrenrat die Tradition des Rathaussturms bewahren. Denn selbstverständlich gibt es Karneval auch in diesem Jahr, nur anders. Wir können nicht groß feiern, aber unsere Vereine haben viel Arbeit in die Kampagne gesteckt, und das Kinderprinzenpaar repräsentiert mit vollem Elan, um die Oberurseler in kreativen Formaten unseren Alltag ein Stück weit vergessen zu lassen. Daher habe ich heute das Rathaus als Bürgermeisterin tapfer gegen einen kleinen Narrensturm verteidigt“, freut sich Antje Runge mit einem Augenzwinkern.

Mit der Plakat- und Banneraktion unter dem Motto „Maske auf – es ist Fastnacht“ machen die Stadt und die Karnevalvereine in der Innenstadt und an den Ortseingängen auf den Karneval aufmerksam, und gemeinsam ist man sich einig: „Wir passen uns im Karneval coronabedingt an und lassen uns Freude und Spaß nicht nehmen. Darauf ein dreifaches Orschel Helau!“



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