Ein außergewöhnliches Musikprojekt

Viel Applaus gab es am Schluss für eine gelungene Aufführung von „Mareike spinnt“ in der Stadthalle. In der Mitte Dirigent Holger Pusinelli. Foto: bg

Oberursel (bg). Was für ein Gewusel, in der Stadthalle summt und brummt es wie in einem Bienenschwarm. Dabei geht es an diesem Nachmittag beim Konzert der Musikschule Oberursel gar nicht um die fleißigen Honigbienen, sondern um Spinnen. Das Haus ist voll, im großen Saal sind alle ganz aufgeregt. Eltern, Geschwister und Großeltern winken den kleinen Sängern zu, die schon auf der Bühne stehen und ihrem großen Auftritt entgegenfiebern. Vor der Bühne stehen ein kleiner Tisch, ein gemütlicher Sessel und ein Stuhl. Rechts und links an den Wänden flimmern schwarz-weiße Kleckse, daneben hängen tiefrote Bahnen, der Bühnenhintergrund ist dunkelblau. Die Musiker der Kammerphilharmonie Rhein-Main haben ihre Plätze eingenommen; Dresscode schwarz, aber alle tragen irgendwo einen Spinnenaufkleber. Holger Pusinelli, Leiter der Musikschule, ebenfalls ganz in schwarz, dazu mit hervorstechender roter Fliege, begrüßt alle Gäste.

An dem außergewöhnlichen Musikprojekt beteiligen sich fünf Oberurseler Grundschulen mit ihren Chören. Bei den zwei Aufführungen von „Mareike spinnt“ sind insgesamt sind über 300 Zweitklässler zwischen sieben und acht Jahren beteiligt. Im ersten Konzert sind es Schüler der Grundschule am Urselbach und der Gesamtschule Mitte, danach sind die Burgwiesenschule Bommerheim, die Gesamtschulen Stierstadt und Am Eichwäldchen dran. Die herausfordernden Aufführungen konnten nur durch die tatkräftige Mithilfe der Grundschullehrerinnen gestemmt werden. Seit Februar wird an allen Schulen das Stück geprobt und einstudiert, erläutert der Leiter der Musikschule vorab. Dann wird es schlagartig mucksmäuschen still. Holger Pusinelli hebt den Dirigentenstab, das Orchester setzt ein, mit Pauken aber ohne Trompeten, die Schauspieler erscheinen auf der Bühne. Mareike versteckt sich hinter einem Vorhang. Sie hat Angst, Angst vor einer grässlichen Spinne. Das Monstertier lauert hinter ihrem Bett und will sie auffressen. Verzweifelt rennt sie zum Papa, der gemütlich im Sessel sitzt und liest. „Du musst sie mit dem Schlappen totmachen“, verlangt sie. „Das geht gar nicht“, sagt der Papa, Spinnen sind sehr nützlich“. Er schlägt vor, sich dem Tier mal wissenschaftlich zu nähern. Die beiden diskutieren heftig miteinander und als Mareike fast hysterisch wird und komische Anschuldigungen ausstößt, sagt der Papa ganz empört: „Mareike, du spinnst“. Daraufhin beschäftigt sie sich ernsthaft mit dem Thema Spinnen und wird am Ende ihren Papa ganz schön überraschen.

Der vielstimmige Kinderchor auf der Bühne wird sorgfältig und hoch konzentriert von Holger Pusinelli durch die Aufführung dirigiert. Er begleitet die Handlung musikalisch mit Songs wie „Ich habe Angst“. Da der Papa die Ängste sehr Tochter erst mal abtut, singen sie von ihren guten Vorsätzen: „Wenn ich einmal erwachsen bin, werde ich nie…“ Oder beschreiben beim „Spinnen-Forscher-Wissenschaftslied“ das Aussehen der Spinnen mit den großen Augen und vielen Beinen. Für jedes Lied wurde auch eine passende Choreografie einstudiert, unterstützt von den Lehrerinnen, die mit auf der Bühne stehen und alle Gesten vorführen. So wird das Stück nicht nur zum wunderbaren Hörerlebnis, sondern auch ein Augenschmaus. Die Musik besteht neben den Liedern aus Leitmotiven, die für die Figuren oder Stimmungen charakteristisch sind. Komponiert wurde das musikalische Lehrstück über den Umgang mit Angst von Philipp Matthias Kaufmann und Michael Hendricks. Zum 25jährigen Jubiläum der Musikschule wurde es bereits im Jahr 2013, auch damals unter der Leitung von Holger Pusinelli aufgeführt.

Am Ende ist der ganz Saal aus dem Häuschen. Für alle Akteure gibt es tosenden Applaus und lautstarke Beifallskundgebungen. Natürlich für Kai-Uwe Berdick als Papa und Thao Nguyen als Mareike. Aber erst recht für die unglaubliche, disziplinierte und inspirierende Leistung der kleinen Sängerinnen und Sänger, die von der Kammerphilharmonie Rhein-Main mit Konzertmeisterin Hagit Halaf an der Spitze, ganz einfühlsam und hervorragend begleitet wurden; genauso wie für Holger Pusinelli, der bei dieser herausfordernden Aufführung alles stets souverän im Griff hatte und das großartige Engagement der Lehrinnen.



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