David kämpft gegen Goliath, der Ex-Diakon ums Überleben

Cornelia Synek ist auch in der Not eine verlässliche Freundin für Jan Klementowski. Foto: fch

Oberursel (fch). „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt, ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn die ganze Welt zusammenfällt.“ So verkündet es das gleichnamige Lied der „Comedian Harmonists“. Der Wahrheitsgehalt in diesen Zeilen offenbart sich all jenen, die in eine Krise geraten. So wie Jan Klementowski. Er ist bei seinem früheren Arbeitgeber, der katholischen Kirche, vertreten durch das Bistum Limburg und dessen Bischof Georg Bätzing, in Ungnade gefallen. Sein Vergehen? Ihm kam das Leben „dazwischen“.

Auf einer Reise nach Polen war der am 31. Oktober 1958 geborene „katholische Protestant“, wie er sich selbst bezeichnet, seiner ersten großen Liebe wieder begegnet. Seine Ehe war da schon gescheitert. Mit 29 Jahren war er am 11. März 1988 als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Geboren und aufgewachsen ist er in der westpolnischen Stadt Grudziadz (Graudenz). Nach dem Abitur studierte er an der Katholischen Universität Lublin, „der einzigen im Ostblock“, Theologie.

Als Jan Klementowski die Scheidung beantragt hatte, entfachte seine ehemalige Frau einen Rosenkrieg. Sie zeigte beim damaligen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst „einen Sündenfall“ an. „Seit nunmehr zweieinhalb Jahren hat mein Mann ein Verhältnis mit einer Frau in Polen. Warum darf er weiterhin am Altar stehen, das Evangelium verkünden, die Kommunion austeilen, wo er doch in schwerer Sünde lebt …?“ wollte die betrogene Ehefrau und zweifache Mutter vom „sehr geehrten Herrn Bischof“ wissen. Damit begann der berufliche Fall des erfahrenen und bei den Gläubigen beliebten Diakons an der St.-Hedwig-Kirche in Oberursel.

Der soziale Absturz war tief. Katholische Diakone dürfen verheiratet ihren Dienst in der Gemeinde versehen. Sie sind als Assistenten eines Pfarrers tätig, halten Wortgottesdienste, dürfen taufen und beerdigen. Als seelsorgerische Ansprechpartner sind sie in der Jugendarbeit und in Altenheimen tätig. Sein Wunsch als geschiedener Seelsorger ohne Weihe für seine Kirche in der Verwaltung, als Caritas-Sozialarbeiter, als Obdachlosen-Seelsorger oder in einer anderen Aufgabe tätig sein zu können, hat sich bisher nicht erfüllt.

„In einem Gespräch mit Bischof Bätzing am 7. Mai 2019 sagte er mir, er würde mir helfen, eine Stelle bei der Caritas zu bekommen. Der zuständige Sachbearbeiter lehnte mich aber mit der Begründung ab, dass ich kein Sozialdiplom habe.“ Heute ist der studierte Theologe Hartz-IV-Empfänger, bessert sein bescheidenes Einkommen als Trauerredner auf. „Leute, die aus der Kirche ausgetreten sind, finden oft niemanden, der sie würdig beerdigt.“ Versuche, als Religionslehrer eine Stelle zu finden, sind mit dem Hinweis auf ein Pädagogikstudium ebenfalls gescheitert.

„Nicht mehr als Pfarrer arbeiten zu können, ist für mich eine Tragödie“, sagt der Diplom-Theologe. Wer ihn kennt, weiß, dass dies nicht bloß ein Lippenbekenntnis ist. Einen Weg zurück in die Kirche scheint es für ihn nicht zu geben. Aber dennoch kämpft der geschiedene Seelsorger mit dem Bistum Limburg und Bischof Bätzing um Anerkennung und eine Aufgabe, denn „ich kann den Menschen noch etwas geben. Aber das wird überhaupt nicht gesehen, und das tut mir weh. Deshalb kämpfe ich so.“ Auch seine Schreiben an den Vatikan und drei Briefe an Papst Franziskus brachten bisher keinen Erfolg. Der Bischof informierte ihn entgegen seiner ersten Zusage später, dass er einen aus dem Klerus ausgeschiedenen Mann bei sich nicht gebrauchen könne. Er solle sich selbst eine Stelle, am besten außerhalb des Bistums, suchen.

Bei der Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber geht es Klementowski nicht um Schuldzuweisung. „Viele Beispiele zeigen, dass ein Bischof barmherzig handeln kann, wenn er will.“ Bei einer Entscheidung über eine Rückkehr in den Schoß der Kirche spiele auch die Einstellung des Generalvikars eine Rolle, „doch dieser habe ihn nie gemocht“, sagt er. Jetzt will er die Öffentlichkeit darüber informieren, wie Bischöfe sich intern verhalten und handeln.

„Die römisch-katholische Kirche praktiziert ein Arbeitsrecht, das nicht mehr zeitgerecht ist“, sagt die seit zwei Jahren verrentete evangelische Pfarrerin der Heilig-Geist-Gemeinde, Cornelia Synek. Bedauerlich sei das Verhalten der Amtsträger auch, weil in einer Kirche Liebe und Nächstenliebe verkündet wird. „Jan Klementowski sucht das barmherzige Gesicht seiner Kirche und sieht nur das der Macht“, sagt Synek, die auch in der Not eine verlässliche Freundin für ihren katholischen Kollegen ist. Sie hatte mit ihm in seiner Zeit als als Diakon ökumenisch sehr gut kooperiert, ihm, nachdem er in Ungnade gefallen war, eine Halbtagsstelle im Kirchenladen ihrer Gemeinde und einen auf drei Jahre befristeten Projektvertrag im Sozialbereich ihrer Gemeinde vermittelt. Außerdem unterstützt sie den 63-Jährigen weiterhin seelisch und moralisch in seinem Kampf gegen eine übermächtige Kirche. „Meine Fähigkeiten, mein Wissen und meine seelsorgerische Kompetenz interessieren die römisch-katholische Kirche nicht“, sagt Jan Klementowski. „Ich kämpfe ums Überleben.“



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