„Einnahmen nur durch Steuererhöhungen zu erzielen“

Oberursel (ach). Die Stadtverordnetenversammlung hat in ihrer letzten Sitzung des Jahres am Donnerstag, 15. Dezember den Haushalt 2023 der Stadt mit einer Ertragssumme von 133,9 Millionen Euro und Aufwendungen in Höhe von 139,4 Millionen Euro beschlossen. Das Defizit von rund 5,5 Millionen Euro soll durch die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von bisher 750 auf 947 Prozent gedeckt werden. Zustande kamen die Beschlüsse mit den Stimmen der Fraktionen von CDU (12 Stimmen), Grünen (11) und der nach der Abspaltung von der FDP erst wenige Tage vor der Sitzung gegründeten Unabhängigen Liste Oberursel (ULO; 3). Abgelehnt haben sowohl den Haushalt auch die Erhöhung der Grundsteuer B die Fraktionen von SPD (7), OBG (6), AfD (2) und Linke (2) sowie die beiden Stadtverordneten der Klimaliste Oberursel und der FDP.

CDU-Fraktionschefin Susanne Kügel eröffnete den Reigen der neun Redner. Selten sei eine Entscheidung so leidenschaftlich und kontrovers diskutiert worden wie die Erhöhung des Grundsteuersatzes, stellte sie fest und räumte ein, dass sich zunächst keine Partei vorstellen konnte, zuzustimmen. Doch es sei der einzige Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt, der von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden kann. Die Alternative wäre ein Nothaushalt, unter dem nur unaufschiebbare Zahlungen geleistet werden können, aber keinerlei freiwillige Leistungen möglich sind. Das sei keine Option. Kügel erinnerte daran dass 53,7 Millionen Euro als Kreis- und Schulumlage an den Hochtaunuskreis abgeführt werden müssen und das Land Hessen die Kommunen in der Finanzierung der Kinderbetreuung zunehmend allein lasse. 20,4 Millionen Euro Kosten entfallen auf die Betreuung unter Dreijähriger, Kitas und Horte. „Die Stadt muss da faire Lösungen einfordern.“ Außer dem 35 Millionen Euro teuren Gefahrenabwehrzentrum (GAZ) für den Katastrophen- und Zivilschutz in Oberursel werde das Rathaus 2023 ein zentrales Thema sein, und zur Stadthalle, die ein sechsstelliges Defizit aufweist, müssten weitreichende Entscheidungen gefällt werden. Der SPD warf sie aufgrund ihrer ablehnenden Haltung „Undank gegenüber ihrer Bürgermeisterin“ vor, die den Haushalt mit dem Magistrat eingebracht hat, vor.

Elenor Pospiech antwortete direkt und warnte vor dem „Schreckgespenst Aufsicht“. Die Aufsichtsbehörde habe Interesse daran, dass es weitergeht in der Stadt. „Warum sollte sie einen Haushalt ohne Ausgleich durch die erhöhte Grundsteuer nicht genehmigen. Frühere Haushalte waren schon schlechter aufgestellt“, stellte sie fest. Sparsamkeit sei oberstes Gebot beim GAZ und beim Neubau des Rathauses, den Abriss der Stadthalle und den Verkauf des Grundstücks an Investoren lehne die SPD ab. Es dürfe keinen Ausverkauf des Tafelsilbers geben Zu Pospiechs Ausführungen stellte Stadtkämmerer Jens Uhlig klar, dass der Haushalt ohne Grundsteuererhöhung nicht genehmigungsfähig sei, da die Stadt den Nachweis für einen mittelfristigen Ausgleich durch Rücklagen nicht erbringen kann. Als Lösung blieben dann nur noch massivere Steuererhöhungen 2024 und 2025.

„Wir werden Verantwortung zeigen und den Haushalt ablehnen“, teilte OBG-Fraktionschef Andreas Bernhardt mit und machte CDU, SPD und Grüne für die verfahrene Situation gleichermaßen verantwortlich: Sie „fahren den Karren seit Jahren gegen die Wand. Statt ständig praktizierter Ausnahmen von der Wiederbesetzungssperre für Verwaltungsstellen wünsche sich die OBG ein Einsparziel von zehn Prozent. Stattdessen solle die Kernverwaltung laut Stellenbesetzungsplan um sieben Stellen weiterwachsen. Die Bauaufsicht solle komplett an den Kreis abgegeben werden, wo sie ohnehin zusätzlich von der Stadt mitfinanziert werde. In der Ablehnung des Haushalts sehe die OBG eine „Chance zu einer besseren Haushaltsentwicklung, die die Bürger weniger belastet“. Dass die Grundsteuererhöhung „das Allerletzte, was die Menschen jetzt brauchen“, sei, zeige „das außergewöhnliche Engagement von Marc Hehner“.

Aktiv Maßnahmen für Gewerbeansiedlungen zu ergreifen mit einer Vision, wie Oberursel sich aufstellen will, forderte Michael Planer, Fraktionschef der neuen ULO, ein. Statt Kripo, Fitnessstudio und einen großen Verband an besten Bürostandorten anzusiedeln, solle die Stadt Unternehmen im Blick haben, die geeignet sind, das Gewerbesteuereinkommen der Stadt zu erhöhen. Es gehe darum, eine vorläufige Haushaltsführung zu vermeiden, um das gesellschaftliche Leben zu erhalten. Deshalb müsse grundsätzlich alles auf den Prüfstand mit dem Anspruch, 2024 weitere Sparpotentiale zu nutzen.

„Sparen tut weh“

Für die AfD brachte Paul-Erich Beuter zur Senkung der Kinderbetreuungskosten eine Privatisierung der Kindergärten ins Gespräch. Der Fraktionsvorsitzende der Linke, Ingmar Schlegel wollte der Schülerbetreuung an der IGS höheren Stellenwert eingeräumt wissen. Und Dr. Claudia von Eisenhart Rothe (Klimaliste) sieht massives Einsparpotential in der Streichung aller klimaschädlichen Projekte insbesondere was die künftige Baupolitik betrifft.

Aus dem „Zweier-“ ein neues „Dreier-Bündnis“ mit komfortabler Mehrheit gemacht zu haben, attestierte die fraktionslos gewordene FDP-Stadtverordnete Katja Adler mit bitterem Unterton ihren ehemaligen Fraktionskollegen, die nun die ULO bilden. Wer nach den Substanzverlusten der vergangenen Jahre zur Haushaltskonsolidierung externe Berater brauche, „hat entweder schlechte Botschaften zu verkünden oder keinen Plan“, sagte sie. Sparen tue weh, weil es mit Verzicht verbunden sei. Es sei die Erkenntnis, dass man sich nicht alles leisten kann. Die Grundsteuererhöhung sei nicht „alternativlos“, sondern mit ihr werde das Problem nicht angegangen. „Liberale können rechnen“, sagte sie und bedauerte in Richtung ULO, dass sich Menschen von ihrer sozial-liberalen Haltung entfernen.

Ein „Team Hoffnung“ und ein „Team Verantwortung“ machte der Redner der Grünen, Wolfgang Schmitt, als Letzter in der Runde in der Stadtverordnetenversammlung aus. „Der Kompromiss ist die große Kunst der Demokratie, und unsere Pflicht ist es, einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden.“ Er bedauerte, dass die SPD außer dem Bild einer „zahnlosen Kommunalaufsicht“ wenig dazu beigetragen habe. Wie die Kooperationspartnerin Kügel von der CDU sieht er 2023 die Prioritäten beim Rathaus und der Stadthalle. Zur finanziellen Basis der Stadt erklärte er, auf mehr Gewerbesteuer durch die Ansiedlung potenter Unternehmen sei nur begrenzt zu hoffen, da diese die Nähe zu Hochschul-standorten suchten. Und Start-ups erwirtschafteten in der Regel erst nach Jahren gewerbesteuerrelevante Gewinne. „Wesentliche Einnahmen können in Oberursel nur durch Steuererhöhungen erzielt werden.“



X