Gedenken an den 9. November 1938

Im Gedenken vereint (v. l.): Laurids Green, Antje Runge, Angelika Rieber, Annette Andernacht, Tibi Aldema, Karola Kara. Foto: Mulfinger

Oberursel (ow). Das Novemberpogrom 1938 war ein tiefer Einschnitt in der Geschichte Deutschlands. Überall brannten Synagogen, jüdische Geschäfte wurden zerstört, so auch das Bekleidungsgeschäft von Siegfried Unger in der Unteren Hainstraße in Oberursel. Männer wurden verhaftet und nach Buchenwald oder Dachau verschleppt, zur Aufgabe ihrer Geschäfte gezwungen.

Im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung der Initiative Opferdenkmal am 9. November in Café Windrose stand ein Vortrag der Oberurseler Historikerin Angelika Rieber mit dem Titel „… war mein Betrieb ein Trümmerhaufen. Rieber zeigte in ihrem Vortrag den Prozess der systematischen „Arisierung“ jüdischen Eigentums, die weit mehr umfasste als die Aufgabe von Firmen und Geschäften. Vom schrittweisen Ausschluss aus öffentlichen Berufen, Schulen und Universtäten, vom Boykott jüdischer Geschäfte zur erzwungenen Aufgabe der Betriebe bis hin zum Entzug jeglicher Lebensgrundlagen nach dem Novemberpogrom – die „Arisierung“ spielte sich vor aller Augen ab. Kommunen, Finanzämter, Banken und andere Institutionen waren in diese Ausplünderung eingebunden. Kunden, Kollegen, Klassenkameraden und Nachbarn oder Käufer bei Versteigerungen wurden Zeugen dieses legalisierten Raubs.

Am 1. April 1933 erreichte die systematische Kampagne des NS-Staates gegen jüdische Geschäftsinhaber einen ersten Höhepunkt. SA-Posten wurden vor jüdischen Geschäften aufgestellt, um nichtjüdische Kunden am Betreten zu hindern, so auch vor dem Haushaltswarengeschäft von Recha Mannheimer in der Unteren Hainstraße. Die Geschäftsfrau entschloss sich 1935, ihr Geschäft zu verkaufen und Oberursel zu verlassen.

Firmeninhaber wie Ignatz Berger, Walter Nassauer und Sally Goldmann wurden zur Aufgabe ihrer Geschäfte gezwungen. Diese Beraubung wurde durch systematische Hetzkampagnen in der „gleichgeschalteten“ Presse begleitet. Trauriger Höhepunkt des legalisierten Raubs war der Einzug des Vermögens der Menschen, die deportiert und ermordet wurden. Auch wer sein Leben hatte retten können, erreichte das Ausland meist völlig verarmt und litt nicht nur unter dem Verlust materieller Werte, sondern auch unter den erlebten Erniedrigungen und unter der Ermordung von Angehörigen. Durch die Recherchen von Angelika Rieber erhalten die Opfer einen Namen und ein Gesicht, und sie ermöglichen es auch, deren allzu oft vergessene Lebensleistungen wieder ins Bewusstsein zu rücken.

Musikalisch begleitet wurde der Vortrag von Laurids B Green.

Jeder Besucher der Gedenkveranstaltung stellte am Denkmal für die Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus eine Kerze ab. Es war ein bewegtes und würdiges Gedenken.

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