Das große Rätsel um die kleine Platte in der Camp-King-Allee

Der Stein des Anstoßes: Die mysteriöse Betonplatte mit dem unkenntlich gemachten Hakenkreuz neben dem verblassten Schild in der Camp-King-Allee. Foto: gt

Oberursel (gt). Es fing mit einem Besuch im Camp King an. Die aufmerksame Zeugin, die anonym bleiben möchte, stand an dem Zebrastreifen in der Camp-King-Allee und schaute nach unten. Sie traute ihren Augen nicht, als sie erkannte was auf dem Boden zu sehen war. In Beton gegossen war die Abbildung eines Wehrmachtsoffiziers samt Hakenkreuz über der Brusttasche zu sehen.

Entsetzt nahm sie zunächst Kontakt zum Oberurseler Forum auf Facebook auf, dessen Admin-Team nach eigener Besichtigung Anfang September beim Pressebüro der Stadt nachfragte. Nachdem vom Ordnungsamt bestätigt worden war, dass eine direkte Meldung bei der Polizei nicht notwendig sei, wurde auch die untere Denkmalschutzbehörde eingeschaltet und der Kontakt zu Menschen gesucht, die vor etwas über 20 Jahren in die Neuentwicklung von Camp King involviert waren, denn die Betonplatte liegt direkt vor dem Eingang zu einer der alten Baracken der Amerikaner.

Zu dieser Gruppe gehörte auch der Künstler Thomas Kilpper. Er hatte Ende der 90er-Jahre das Kunstwerk „Don‘t Look Back“ in den Boden der alten Basketballhalle der US-Armee geschnitzt. Das Kunstwerk wurde dank Spendengelder nach der Finissage in 120 Platten zerlegt. Davon wurden Negativformen aus Silikon gegossen,die dann mit Feinbeton gefüllt wurden. Die 120 Betonplatten – jede wiegt 600 Kilogramm – wurden anschließend als „Streetballfeld“ vor dem Kinderhaus im Jean-Sauer-Weg ausgelegt und im September 2002 der Öffentlichkeit übergeben. Die originalen Holzplatten sind heute im Besitz des Landesmuseums in Wiesbaden.

Die Betonplatte in der Camp-King-Allee ähnelte den Betonplatten am Kinderhaus in einigen Merkmalen. So hatte auch sie Streifen die von altem Parkett stammen könnten. Eine zusätzliche Platte? Oder gar eine Kopie?

Beim Kinderhaus liegt tatsächlich eine fast identische Bodenplatte – in der zweiten Reihe von oben ist es die sechste Platte von links. Dort wäre auch ein Hakenkreuz theoretisch erlaubt, da es sich um ein Kunstwerk mit Erläuterung handelt. Auf der besagten Bodenplatte ist Reinhard Gehlen zu sehen, Chef der Abteilung „Fremde Heere Ost“ und Vater der der „Organisation Gehlen“, aus der der Bundesnachrichtendienst hervorging. Auf dieser Platte ist das Hakenkreuz nur ansatzweise zu erkennen, die Verbindungen in der Mitte fehlen. Thomas Kilpper hat der Stadt geantwortet, er habe nichts von der Bodenplatte in der Camp-King-Allee gewusst und gehe davon aus, dass es sich um eine unautorisierte Kopie handelt.Auch die Hausverwaltung des Objekts wurde angeschrieben und aufgefordert das Hakenkreuz unkenntlich zu machen. Dies ist auch Anfang Oktober geschehen. Doch als etwa zur gleichen Zeit die Büsche daneben geschnitten wurden, kam ein kleines Schild zum Vorschein, auf dem nichts mehr außer dem Wort „Kulturförderverein“ und eine Telefonnummer im Rathaus zu lesen war. Ein Bewohner aus dem Haus bestätigte, dass die Betonplatte schon länger vor dem Haus gelegen hat und den ehemaligen Eingang zum Camp King markieren soll. An dieser Stelle war früher der Eingang für die amerikanischen Streitkräfte.

Da der Nachfolger des Kulturfördervereins heute der Kultur- und Sportförderverein (KSfO) ist und die Telefonnummer auf dem Schild heute zum Büro von KSfO-Geschäftsführer Udo Keidel-George führt, hat er ebenfalls Kontakt zu Thomas Kilpper und zur Hausverwaltung aufgenommen. Sein Vorgänger, der die Rufnummer früher hatte, ist mittlerweile gestorben. Man kann ihn nicht mehr fragen, was es mit der Betonplatte auf sich hat. Klar ist, dass sie weg soll. Dies soll durch den BSO in den nächsten Tagen geschehen.

Kilpper, der heute in Berlin wohnt, hat vor einigen Tagen in einem Telefongespräch betont, dass diese Kopie mit ihm nicht abgesprochen war und er kein Einfluss auf die Darstellung hatte. Er finde es nicht gut, dass die Platte nur als Ausschnitt des Gesamtwerks dort liegt. Enttäuschend finde er, dass nicht klar ist, wer damals in der Lage war, eine weitere Kopie zu erstellen. Denn diese Platte habe sicherlich auch Geld gekostet, und das Schild dazu muss jemand organisiert haben. Ob sie vielleicht ein erster Versuch war, der später verworfen wurde, kann Kilpper nicht mehr sagen. Er habe allerdings damals vereinbart, dass die Silikonformen zum Recycling kommen sollen. Somit hätten sie zerstört werden müssen, um weitere Kopien zu vermeiden. Von der Kopie erfuhr er erst, als er die E-Mail vom Ordnungsamt bekam. Was soll nun den alten Eingang zum Camp-King-Areal markieren, wenn die Betonplatte entfernt ist? Darüber muss die Stadt sich noch Gedanken machen.



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