Vom Hessentag bleibt ein starker Schub für die Stadt

Der Bahnhof mit Blick auf die Gleise, das Gebäude fein saniert, mit Personenunterführung zur S-Bahn und nach Bommersheim. Foto: js

Oberursel (js). Am Ende der großen Sause muss immer einer die Zeche zahlen. Das war von Anfang an klar, als Oberursel sich um die Ausrichtung des Hessentags 2011 bemühte und viereinhalb Jahre zuvor den Zuschlag bekam. Als sich die Stadt zum großen Finale der Party mit ungefähr 1,4 Millionen Gästen rüstete, war noch nicht klar, wie sich die Zahl unter dem dicken roten Strich am Ende anfühlen würde. „Wir wissen, dass wir am Ende die Rechnung zahlen müssen, aber die Stadt wird davon profitieren.“ Dieser Satz von Bürgermeister Hans-Georg Brum, der anfangs ob der Finanzlage der Stadt eher zu den Skeptikern in Sachen Hessentag-Bewerbung gehörte, stammt aus dem Januar 2007, Oberursel hatte gerade den Zuschlag bekommen.

Schon damals war Brum optimistisch, dass die Stadt ihre Chancen nutzen würde, die der Hessentag bietet. Der eigens eingestellte „Hessentagsbeauftragte“ Eduard Wolczak prophezeite einen „starken Schub für die Stadtentwicklung“. Deutlich verbesserte Infrastruktur vor allem im Verkehr, Stadtentwicklung in vielerlei Hinsicht, ein Schub für das „Jahrhundertprojekt Bahnhofsumgestaltung“. Anschließend hat man sich so hochgehangelt bei den Zahlen, am Ende musste Brum ein insgesamt „zahlungswirksames Defizit“ von 4,5 Millionen Euro einräumen. Maximal 3,5 Millionen Euro war die Vorgabe, als die Verträge geschlossen wurden, an etwa die Hälfte davon hatte man anfangs geglaubt. „Es war für uns ein Mega-Ereignis“, sagt Brum heute und steht zur Vision von damals. Der Hessentag habe Oberursel „enorm vorangebracht“, auch wenn das Zehn-Tage-Fest eine Rekordjagd mit großen finanziellen Folgen war.

Zehn Tage Party für 4,5 Millionen Euro? Ein teurer Spaß, wohl wahr. Aber es wäre zu eng gedacht, hier sei das Geld der Bürger verschleudert worden. Natürlich hat die Stadt gewonnen, weil viele Infrastrukturprojekte verwirklicht wurden, auf die sie sonst noch Jahre hätte warten müssen. Die Gegenrechnung des Bürgermeisters ist schlüssig. Die finanziellen Verluste wurden durch nachhaltige positive Effekte mehr als ausgeglichen. Brum: „Davon wird unsere Stadt noch lange profitieren.“ Der Bahnhof, ja klar, die neuen U-Bahn-Haltestellen, auch gut, das Taunus-Informationszentrum (TIZ) und eine neu gepflasterte Nord-Süd-Achse, der Adenauerallee-Park, der Lesegarten mit Liegewiese im Rushmoor-Park … Alles schön für die Stadt, aber auch da hat sie einige Millionen zugezahlt, außerhalb der Hessentagskosten. Aber das waren der Gedanke und die Rechnung. Wir investieren, dafür bekommen wir ordentliche Zuschüsse und Fördermittel, ohne das Land im Hintergrund würden wir das nicht schaffen.

Nun ja, das Projekt neues Hallenbad stolperte noch ein paar Jährchen vor sich hin und hat auch danach aufgrund von Baufehlern noch ein paar Millionen extra gekostet, obwohl der Teil für die geplante Sauna noch immer leer steht und das alte Freibad noch immer nicht saniert ist, weil die Kassen leer sind. Und aus dem geplanten Kongress-Hotel auf dem Gelände der „Villa Gans“ wurde auch erst Jahre später ein „Dorint“. Und wer erinnert sich noch daran, dass ein Jahr nach den Hessen-Tagen sogar die Hälfte der Brunnenanlagen in der selbst ernannten Stadt der Brunnen abgeschaltet wurde, um 25 000 Euro im hoch verschuldeten Haushalt einzusparen. Nun sollten die Brunnen schweigen, im Jahr nach dem Jahrhundert-Ereignis Hessentag war Oberursel wieder zurück in der Realität.

Die Stadt hat profitiert. Punkt. Rund zwölf Millionen Euro Landesfördermittel aus Wiesbaden seien geflossen, wurde schon vor der Eröffnung kolportiert. Auf der Prioritätenliste rückt eine Hessentag-Stadt weit nach oben. Die Nord-Süd-Achse mit Radstreifen vom Taunusrand in die Innenstadt ist rechtzeitig fertig geworden, das TIZ wirbt nachhaltig in die und für die Region. Fast 100 Millionen Euro fließen in Schulneubauten, auf dem Gelände der Landesausstellung wird danach ein 12,5 Hektar großes Gewerbegebiet entwickelt, in dem heute Porsche, Audi, Mercedes und andere prosperierende Unternehmen ihren Sitz haben. Die Menschen bekommen einen Stadtpark, der sich am Westrand vom Bahnhof bis zum Schulwald zieht, neue Plätze und, das hoffen die Planer und Macher vor allem, ein neues, nachhaltig wirkendes Image.

Das absolute Vorzeigeprojekt, der Bahnhof samt Umfeld, wurde zwar nicht rechtzeitig komplett fertig, die optisch hübsch verhüllte Großbaustelle mit dem Nachher-Bild wurde aber nur als Schönheitsfehler gewertet. Die verkehrstechnische Minimallösung ohne Tunnel unter dem Vorplatz wurde es zwar, aber mit Personen- und Radunterführung in den Süden der Stadt, die seit 100 Jahren durch Bahngleise zerrissen war. Sie dient den Einheimischen und den Dauerpendlern und manch einem Gast natürlich auch, mindestens 95 Prozent der auswärtigen Besucher des Hessentags kommen ohnehin nie wieder in die Stadt. Da kann der Bürgermeister noch so viel von Nachhaltigkeit und vom Imagegewinn erzählen, der Hessentag ist ein Mega-Event für die Spaßgesellschaft geworden und keine touristische Werbeveranstaltung, die Wiederholungstäter anzieht.

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