Am Karfreitag 1945 endet der Schrecken in Oberursel

Um die Opfer, derer durch das Mahnmal am Alten Friedhof gedacht wird, geht es auch in dem Buch von Helmut Hujer. Foto: bg

Oberursel (bg). Helmut Huyer hat ein Buch über „Das Kriegsende im Taunus – Zum Kampfgeschehen im Zweiten Weltkrieg im Gebiet des heutigen Hochtaunuskreises“ geschrieben. Dafür hat er viele Quellen studiert, sich akribisch in Aufzeichnungen von Zeitzeugen eingearbeitet, und er stützt sich gerade bei den militärischen Geschehnissen auf das 2018 von Roland Krebs herausgegebene Buch „Letzte Schlacht im Taunus“.

Der Lokalhistoriker wurde noch während des Kriegs im Januar 1945 in Josefsthal im Sudentenland geboren. 1946 wurde seine Familie aus der Heimat vertrieben und landete über Umwege 1952 in Oberursel. Dort erhielt sie in der gerade neuerbauten Moselstraße eine Wohnung. Sein Berufsleben verbrachte der gelernte Maschinenbau-Ingenieur in der Motorenfabrik Oberursel (MO). Die MO, später Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD), jetzt Rolls Royce Deutschland, hat ihn auch im Ruhestand nicht losgelassen. Schon immer hat er sich für Geschichte interessiert. Er war Initiator bei der Gründung des Vereins „Geschichtskreis Motorenfabrik“ im Jahr 2010, beteiligt an der Beschaffung etlicher Großobjekte für das schon 2002 eröffnete Werksmuseum der MO, dessen Gestaltung und Betrieb der Verein trägt. Er hat zahlreiche Beiträge in den Jahrbüchern des Hochtaunuskreises verfasst und 2017 das Buch „125 Motorenfabrik Oberursel 1892 bis 2017“ herausgegeben. Es umfasst 869 Seiten im DIN A4-Format.

Im Corona-Jahr 2020 legt er jetzt ein schmales, 96 Seiten umfassendes Buch vor, das reich bebildert über die Schrecken des Zweiten Weltkriegs im Taunus informiert. Über den fünf Jahre dauernden Bombenkrieg und die Zerstörung der Städte, die Luftverteidigung, den Vormarsch der Amerikaner, die Schrecken verbreitenden Tiefflieger, Soldaten, die in letzten Abwehrkämpfen noch verheizt wurden, Zivilisten, die zwischen die Fronten gerieten und ihr Leben verloren, erbitterten Kämpfen im Taunusgebiet und die Stunde Null – den Beginn einer neuen Zeit. Damals wurde durch neue politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen die Grundlage geschaffen für eine Ära in Frieden und Freiheit seit nunmehr 75 Jahren.

Klinik Hohe Mark in der Weltpresse

Es gibt nur noch wenige Menschen, die über das Kriegsende vor 75 Jahren und seine Schrecken aus eigenem Erleben berichten können. In den letzten Märzwochen des Jahres 1945 wurde der heutige Hochtaunuskreis von amerikanischen Einheiten besetzt. Dabei kam es an einigen Orten zu erbitterten Kämpfen, an vielen anderen dagegen fiel kein einziger Schuss. In Oberursel konnten die Menschen am 30. März 1945 – es war der Karfreitag – aufatmen. Amerikanische Panzertruppen rückten von Königstein kommend in die Taunusstadt ein und stießen auf keinerlei Widerstand.

Einen Tag zuvor gab es ein Ereignis, das Oberursel in die Schlagzeilen der Weltpresse brachte. In der Klinik Hohe Mark waren 58 alliierte Gefangene untergebracht. Es handelte sich um kranke und verletzte alliierte Flieger aus dem bereits aufgegebenen Dulag Oberursel (Luftwaffen-Vernehmungstelle). Durch einen deutschen Gefangenen hatte ein amerikanischer Kommandeur von den gefangenen Fliegern erfahren. Er schickte sogleich zwei Züge seiner Truppe auf den 17 Kilometer langen Weg durch das erst teilweise besetzte Gebiet. Mit im Konvoi befand sich ein Fotograf des US-Magazins „Life“. Er dokumentierte die Befreiung der Gefangenen und die kampflose Übernahme der Klinik. In seiner Ausgabe vom 16. April 1945 berichtete das Life-Magazin ausführlich über diese als kühn bezeichnete Befreiungsmission.

Ganz anders stellte sich die Lage für einige Dörfer im Hintertaunus dar, die teilweise heftig umkämpft waren. Besonders betroffen waren Rod an der Weil und Merzhausen, das am meisten zerstörte Dorf in Hessen. Helmut Huyer weiß zu berichten: „Im Dorf waren 14 Häuser und 36 Scheunen völlig zerstört. Auf den Trümmern ihrer Häuser errichteten die obdachlos gewordenen Bewohner zunächst Holzbaracken als erste Bleibe. Nach dem Krieg brauchte Merzhausen wegen dieser schweren Zerstörungen keine Flüchtlinge oder Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten aufnehmen“.

Auch in Schmitten und Dorfweil tobten zwei Tage lang Häuserkämpfe. Die Kreisstadt Usingen hatte damals etwas über 2000 Einwohner und war ein Verkehrsknotenpunkt. Die 6. SS-Gebirgsdivision „Nord“ unter ihrem Gruppenfrüher Karl-Heinrich Brenner hatte da einen Gefechtsstand eingerichtet und plante, unter Vermeidung weiterer Kämpfe nach Osten zu ziehen, nach Gelnhausen. Dort vermutete Brenner noch eine deutsche Frontlinie. Die Beschießung von Usingen soll 19 Stunden angehalten haben, die Einwohner hätten sich in ihre Keller geflüchtet oder in die als Luftschutzräume hergerichteten Keller des Landesamts, des Rathauses. Zu den Kämpfen um die Kreisstadt liegen Schilderungen von Landrat Heinrich Schneider vor, die Helmut Huyer in seinem Band aufgreift.

An die gefallenen Soldaten und Kriegsopfer erinnern in vielen Taunusstädten auf den Friedhöfen Grabfelder. Am Volkstrauertag wird bundesweit der Toten mit Gedenkfeiern gedacht, und es werden Kränze niedergelegt. In Oberursel steht ein Mahnmal zwischen schlichten Sandsteinkreuzen im Bereich der Trauerhalle am Alten Friedhof. Auf diesem Friedhof gibt es aber auch Gräber von Fremdarbeitern, zwei davon arbeiteten in der Motorenfabrik, wie Helmut Huyer auf dem Gang über den Friedhof berichtet. „Fedor Petruk 1922-1944, Russland“ steht noch einigermaßen leserlich auf einem Grabstein, der andere ist verwittert.

Das Buch von Helmut Huyer „Kriegsende im Taunus“ umfasst 96 Seiten und ist im Eigenverlag erschienen. Es kostet zwölf Euro und ist im örtlichen Buchhandel erhältlich. Ein Euro pro verkauftem Buch geht als spende des Autors an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.



X