Oberursel (ow). Für seine dritte Grenzwanderung hatte sich der Geschichts- und Kulturkreis Oberstedten eine zehn Kilometer lange, anspruchsvolle Etappe vorgenommen. Vom Forellengut aus ging es über den Goldgrubenfelsen und die Viermärkerschneise zum Viermärkergrenzstein, von dort aus über den Kolbenberg zum Dreimärkerstein am Limes, danach auf der Elisabethenschneise in die Homburger Gemarkung mit einem Abstecher zum Quellgebiet des „Kalten Wassers“, das ab Forellengut „Dornbach“ heißt. In der Nähe des Bachlaufs führte die Tour zurück zum Forellengut.
An interessanten Punkten gaben Horst Eufinger und Andreas Mengel Erläuterungen, und am Viermärkergrenzstein erfolgte das traditionelle Grenzgang-Ritual. Nach über vier Stunden kam die Gruppe erschöpft, aber um viele Erkenntnisse reicher, wieder am Forellengut an, wo man gerne einkehrte. Doch von Anfang an: Zunächst trafen die Grenzgänger auf den Metzgerpfad, der auch schon in der Römerzeit genutzt wurde. Im 19. Jahrhundert gelangten über diesen Weg viele Menschen aus dem Usinger Land Woche für Woche zur Arbeit, etwa zur Spinnerei Hohemark. Nach einem ersten Anstieg wurde der Eingang zur Goldgrube von 1722 erreicht. Insgesamt gab es drei Schächte zu der enttäuschend unergiebigen Grube. Hier hätten in seiner Kindheit Oberstedter Kinder die Grube gegen Homburger Gleichaltrige „verteidigt“, wusste Horst Eufinger zu berichten.
Beim weiteren steilen Anstieg über den Goldgrubenfelsen, ehemals „Hangelstein“, auf Homburger Gemarkung stieß die Gruppe auf einen Obelisken aus Sandstein, einen der beiden „Adelheidsteine“, die Landgräfin Elisabeth von Hessen-Homburg 1825 an ihrem Lieblingsplatz für ihre Freundin Adelheid setzen ließ. Ganz in der Nähe konnten die Oberstedter von einem kleinen Aussichtsplateau unterhalb des Grenzwalls des keltischen Oppidums, in dem in der Latènezeit bis zu 10 000 Menschen lebten, einen wunderbaren Fernblick ins Rhein-Main-Gebiet genießen. Von hier aus ging es über die Viermärkerschneise immer steiler hoch bis zum Viermärkerstein. Links vom Viermärkerweg bis über die Kanonenstraße hinaus erstreckt sich die Oberstedter Gemarkung, während der Weg selbst und die Gebiete rechts davon schon zu Bad Homburg gehören.
Beim Viermärkergrenzstein wurde – wie auch bei den Grenzgängen von 2022 und 2023 – das Ritual des „Uffdotzens“ (Auf-den-Stein-Setzen) mit „Schelle“ (Ohrfeige) vollzogen. Mit diesem rituellen Akt bekräftigten die Märker einst bei regelmäßigen Grenzgängen die Gemarkungsgrenzen. Diesmal musste Vorstandsmitglied Markus Schmidt die Prozedur „erleiden“.
Die Hohe Mark war eine mittelalterliche Waldgenossenschaft. 1334 erstmals erwähnt, bestand sie bis 1813. Ab dem 16. Jahrhundert, so Eufinger, wurden die vorherigen Markierungen mittels „Lochbäumen“ durch Grenzsteine ersetzt. Der Viermärkerstein aus Basalt von 1829 war der bedeutendste Grenzstein der Hohe Mark. Dort stießen vier Markgrenzen zusammen, wie die Initialen am Stein ausweisen: die der Landgrafschaft Hessen-Homburg mit Domänenwald (LH DW), des Großherzogtums Hessen-Darmstadt mit Nieder-eschbacher Wald (GH NE), des Kurfürstentums Hessen-Kassel (KH 28) und der Freien Reichsstadt Frankfurt (F). An diesem Stein fand nach dem steilen Aufstieg die verdiente Rast statt.
Danach ging es noch weiter hoch zum 690 Meter hohen Kolbenberg, der zur Oberstedter Gemarkung gehört, einem ebenfalls geschichtsträchtigen Ort. Zwischen Feldberg und Rosskopf nutzte dort bis 2007 die US Air Force den 1962 errichteten Fernmeldemast zu militärischen Zwecken. Die Richtfunksignale hatten eine große Reichweite bis zur Wasserkuppe und zum Donnersberg. Wie Horst Eufinger berichtete, befand sich hier auch zeitweise eine Bodenradarstation für ferngesteuerte Marschflugkörper. Als die Terrorgefahr in Deutschland anstieg, wurde eine fünf Meter hohe Mauer um die Anlage errichtet. Bis dahin wohnten bis zu 150 Soldaten in Baracken auf dem Gelände. Aus Platzgründen wich man später ins Camp King aus. 1993 verließ der letzte Mitarbeiter der US Air Force die Anlage, die fortan von der Rhein-Main-Airbase ferngesteuert wurde. Seit 2007 wird sie von einem Mobilfunkanbieter genutzt.
Kurz darauf traf die Gruppe auf einen weiteren Grenzstein, den „Dreimärker“ am Limes. Dort stießen 1829 die Wälder von Schmitten im Herzogtum Nassau (HN), von Praunheim im Kurfürstentum Hessen-Kassel (KH) und Nieder-Eschbach im Großherzogtum Hessen-Darmstadt (GH NE) zusammen. Heute treffen hier die Gemarkungen von Schmitten, Oberstedten und Bad Homburg aufeinander.
Bei Kilometer 7,4 erreichte die Grenzwanderung über die Elisabethenschneise das Quellgebiet des „Kalten Wassers“, das sich auf Homburger Gemarkung befindet. Erst am Forellengut kommt das „Kalte Wasser“ in die Oberstedter Gemarkung, wird dann zum „Dornbach” und verläuft in Höhe der Fischers Mühle bis zum Furtweg kurz noch einmal auf Homburger Gemarkung. Das mache die Starkregen-Maßnahmen, die der Ortsbeirat fordert, so schwierig, weil es nur mit Bad Homburg gemeinsam geht, wussten Teilnehmer zu berichten.
Beim langen, aber bequemen Abstieg entlang des Bachlaufs überquerte die Gruppe auch die „Landgrafenbrücke“ über das „Kalte Wasser“, die 1828 von Elisabeth und Friedrich VI. von Hessen-Homburg angelegt wurde. Zur Erinnerung an den verstorbenen Friedrich V. musste die Brücke nach Elisabeths Anweisung genau dessen Lebensalter abbilden. Sie ist deshalb 71 Fuß und elf Zoll lang.
Wieder am Forellengut angelangt, war nun allen Teilnehmern des dritten Grenzgangs klar, dass Oberstedten in weiten Teilen seiner Gemarkung strenggenommen ein hoch gelegener Luftkurort ist, dessen Bachläufe in der Höhe allerdings „fremdem“ Gebiet angehören. Horst Eufinger und Andreas Mengel konnten sich jedenfalls über eine sehr zufriedene Wandergruppe freuen.