Modernes Wohnen zwischen S- und U-Bahn

Gemeinsam für die Zukunft im Gleisdreieck: Den frischen Mörtel verteilen (v. l.) Karin Schunda, Projektleiterin Melanie Pürkner, Alexander Kalouidis und Alina Pauls vom Architektenteam, Bürgermeisterin Antje Runge und Wilma-Geschäftsführer Peter Wittel über der Zeitkapsel im Grundstein. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Als „Orscheler Gleisdreieck“ ist das Gelände zwischen den U- und S-Bahn-Gleisen westlich des Bahnhofs in den örtlichen Politik- und Stadtplaner-Jargon eingegangen. Das klang den Bauherren und Vermarktern der dort entstehenden Wohnungen in sechs Baublöcken nicht modern und stylisch genug. Seit der Grundsteinlegung für das Wohnprojekt am vergangenen Freitag wird nur noch vom „artem Stadtquartier Oberursel“ geredet. In der Hochglanz-Werbebroschüre sieht man die vorbeirauschenden S- und U-Bahnen nicht. Die Wilma Immobilien Gruppe Rhein Main investiert nach eigenen Angaben 37,1 Millionen Euro in das Projekt, die Fertigstellung ist für Herbst 2024 vorgesehen.

Bei der Grundsteinlegung unter warmer Herbstsonne mit einem Himmel in Valencia-Blau über dem schmalen Baufeld war die Vorfreude auf die Zukunft im Gleisdreieck groß. Bürgermeisterin Antje Runge erhob das Gelände gar zum „städtebaulichen Filetstück“ und sprach vom „Brückenschlag zu Bommersheim“. Der neue Wilma-Geschäftsführer Peter Wittel, der gestand, erstmals auf der Oberurseler Baustelle zu sein, fand die Umgebung „lauschig“ und hörte schon die „Vögel zwitschern“ in den Bäumen zwischen den Punkthäusern, vorbeifahrende S- und U-Bahnen nannte er „punktuelle Ereignisse“. Ex-Bürgermeister Hans-Georg Brum und Ex-Stadtplanungschef Arnold Richter, die beide als geladene Gäste anwesend waren, hörten viel Lob für die lange und mühsame Vorarbeit bis zum ersten Spatenstich, sie beide hätten „Geschichte geschrieben“.

Das wollen nun andere, Karin Schunda etwa, die Geschäftsführerin des Architekturbüros „monogruen“. Sie sagte: „Wir sind Oberurseler. Wir lieben Oberursel.“ Mit den anderen wichtigen Akteuren buddelte sie eine Zeitkapsel in den Grundstein ein, der später in „Haus 2“ eingebaut werden soll. Gefüllt mit aktuellen Tageszeitungen, Geldstücken und einem Architektenplan des Stadtquartiers, damit auch künftige Generationen die Versprechungen von heute überprüfen können. Etwa den Passus im vorhabenbezogenen Bebauungsplan, dass mindestens 15 mietpreisgebundene Wohnungen entstehen müssen. Über 15 Jahre darf darin der Mietpreis die Grenze von 9,40 Euro pro Quadratmeter nicht übersteigen. Diese Wohnungen dürften etwas günstiger angeboten werden, bei den anderen Eigentumswohnungen wird der Kaufpreis nicht weit entfernt vor der 7000-Euro-Marke pro Quadratmeter liegen.

Man mag es kaum glauben, aber im einstigen Gleisdreieck, das eigentlich ein sichelförmiges, spitz zulaufendes Grundstück ist, soll ein Ensemble aus sechs Gebäuden in einer Reihe entstehen, das mit „städtebaulicher Leichtigkeit und Offenheit“ daherkommt, „elegant und funktional“, wie es schon bei der ersten Vorstellung annonciert wurde, mit „klarer Formensprache und zeitgemäßem ansprechenden Design“. Eine echte Herausforderung für Planer und Architekten, gilt es doch, einen kaum 25 Meter breiten Streifen mit weniger als 6000 Quadratmeter Fläche zwischen den Gleisen zu bebauen, wobei auf den Längsseiten noch Raum für einen „Rad-Highway“ (Wittel) und einen Fußweg abgeknappst werden muss.

Die Bilder in der Broschüre und auf großformatigen Werbeplakaten am Bauzaun aber zeigen, wie es gehen soll. Insgesamt geht es um 67 Wohnungen mit einem bis vier Zimmern auf einer Wohnfläche zwischen 42 und 154 Quadratmetern im Penthouse hoch über den Schienen. Fünf Häuser haben je drei Vollgeschosse plus Staffelgeschoss, an der Spitze des Areals entsteht ein Punkthaus mit sieben Etagen plus Staffelgeschoss, korrespondierend mit einem ähnlichen Gebäude auf der anderen Seite der S-Bahn. Knapp 20 Meter nach der Einfahrt auf das Grundstück geht es für Autofahrer in die Tiefgarage, der Rest ist autofreie Zone mit grünen Innenhöfen und „Quartiersplatz“ zwischen den Häusern. Für die Bewohner sollen 30 Fahrrad-Abstellplätze eingerichtet werden. Nach Angabe der Wilma-Geschäftsführung ist bereits die Hälfte der Wohnungen verkauft.

Das alte, unter Denkmalschutz stehende Bahnwärterhäuschen in der Adenauerallee, direkt am Bahnübergang zwischen U- und S-Bahn, wird bleiben, als Verbindungsglied zwischen Vergangenheit und Zukunft. Als Kulturdenkmal steht es unter besonderem Schutz. Wenn seine Zeit als Büro für die Bauleitung vorbei ist, würde der Verein Windrose mit seiner internationalen Kinderbetreuung gerne wieder dort einziehen. Wilma-Geschäftsführer Peter Wittel will das unterstützen, er räumte dem Wunsch am Freitag gute Chancen auf Erfüllung ein.

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