Offene Dreierbeziehung im Rathaus?

Wichtiger Knackpunkt in den Koalitionsvorgesprächen: die Anbindung der Nassauer Straße an die Weingärtenumgehung – hier der Blick von der Fußgängerbrücke auf die geplante Einmündung am „Gleisdreieck“. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Die klaren Wahlsieger vom 14. März, die Christdemokraten und die Grünen, streben zu mehr Gemeinsamkeit. Ganz fallen lassen will die Union die SPD-Partnerin der vergangenen fünf Jahre aber nicht, aus dem Duo könnte in einer offenen Dreierbeziehung auch ein Trio werden, um Stabilität in die Oberurseler Kommunalpolitik zu bringen. Auf jeden Fall bahnen sich neue Strukturen in der parlamentarischen Arbeit an.

„CDU und Grüne streben politische Zusammenarbeit für Oberursel an.“ Die Überschrift zu einem gemeinsamen Statement der jeweiligen Parteispitzen nach intensiven Sondierungsgesprächen deutet in Richtung Koalition, lässt aber gleichzeitig viele Fragen offen, wohin der Weg schließlich gehen soll. Man habe „bewusst nicht von Koalition gesprochen“, so der wiedergewählte CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Uhlig auf Nachfrage, Ziel sei eine „deutlich offenere Zusammenarbeit in Zukunft“. Die wichtigste Botschaft: CDU und Grüne sind sich bei den Vorgesprächen grundsätzlich einig geworden und wollen in den kommenden Wochen über die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments am 29. April hinaus über Eckpunkte einer engen Zusammenarbeit in der neuen Wahlperiode verhandeln. Und dabei einen gemeinsamen Weg als Führungsduo in der Stadt ansteuern. Als Koalition irgendwie, aber mit offenen Türen.

„Wir wollen eine neue Form der politischen Zusammenarbeit und Kultur pflegen, für alle und mit allen demokratischen Kräften in der Stadt.“ So formuliert es Christina Herr, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, die bei der Wahl am 14. März mit 23,9 Prozent der Wählerstimmen ein Traumergebnis eingefahren haben. Die CDU bleibt mit knappem Vorsprung Führungskraft, die SPD ist auf 15,7 Prozent abgerutscht. Die alte Koalition aus CDU und SPD hat damit ausgedient, Schwarz-Grün hätte mit 23 Sitzen im Stadtparlament eine ebenso hauchdünne Mehrheit wie zuvor CDU und SPD, wünscht aber „stabile und verlässliche Verhältnisse in schwierigen Zeiten“, um den Herausforderungen der Zukunft, wie es heißt, mit „konstruktiver Zusammenarbeit“ begegnen zu können. Genannt werden etwa die Themen Bewältigung der Corona-Krise mit Blick auf die städtischen Finanzen, der dringende Handlungsbedarf beim Thema Klimaschutz, der geplante Bau des neuen Gefahrenabwehrzentrums, Sanierung des Rathauses. „Bei allen Themen gibt es Kompromisse“, so Jens Uhlig, das Streitthema Anbindung der Nassauer Straße an die Weingärtenumgehung und damit Umgestaltung des gesamten Bereichs zwischen Bahnhof und Drei Hasen schließt er dabei nicht aus.

Nun wollen CDU und Grüne also intensiv über konkrete Ziele für die kommenden Jahre reden, die ersten Pflöcke einschlagen, und nach einer Einigung in den „wesentlichen Sachfragen“, so Herr und Uhlig, soll „unverzüglich das Gespräch mit der künftigen Bürgermeisterin“ von der SPD gesucht werden. Der Weg zu einer offenen Dreierbeziehung scheint vorgezeichnet. „Antje Runge hat eine Mehrheit in der Bürgermeisterwahl erhalten, unsere Fraktionen repräsentieren eine Mehrheit der neu gewählten Stadtverordneten. Wir freuen uns auf eine intensive, konstruktive Zusammenarbeit mit ihr“, so Uhlig. Von einer festen Dreier-Koalition ist gleichwohl nicht die Rede. Es sei eine „schwierige Konstellation für alle“, aber es gebe eine „gemeinsame Idee“. Uhlig bekennt: „Mal gucken, wo uns der Weg hinführt, es ist einen Versuch wert.“ Auch die anderen Fraktionen sollen eingebunden werden, es gebe Gemeinsamkeiten und Schnittmengen mit allen bisherigen Gesprächspartnern.

Gezeigt habe sich aber vor allem, dass CDU und Grüne gute Chancen sehen, inhaltliche Gemeinsamkeiten in gemeinsame Politik umzusetzen und in strittigen Bereichen Kompromisse zu finden. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren als verlässliche und berechenbare politische Akteure erlebt“, heißt es politisch korrekt in der nun verbreiteten Stellungnahme, die am Wochenende schnell die Runde auch außerhalb der Parteien machte. Das könnte man dann auch auf der höheren Verwaltungsebene unter Beweis stellen. Die CDU kann nach dem Scheitern ihres Bürgermeister-Kandidaten Carsten Trumpp ein Trostpflaster erhalten und bekäme Gelegenheit, den schon lange diskutierten dritten hauptamtlichen Stadtrat zu stellen, der nach dem Abgang von Thorsten Schorr (CDU) in die Kreisverwaltung nicht mehr besetzt wurde. Die SPD bleibt mit Antje Runge an vorderster Front im Spiel, die Grünen haben ihren Ersten Stadtrat Christof Fink.

Mitspielen im Regierungsreigen würden auch FDP und OBG gerne, sie konnten allerdings bei den Sondierungsgesprächen nur begrenzt punkten. „Wir sind nicht das Zünglein an der Waage“, sagte der neue FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Planer nur Stunden vor der Koalitionsankündigung von Schwarz-Grün. „Wenn aber andere Unterstützung brauchen, sind wir bereit.“ Dass es Gemeinsamkeiten und Schnittmengen auch mit OBG, FDP, Linken und Klimaliste gebe, hatte auch Christina Herr für die Grünen betont. „Gute Sondierungsgespräche, keine Koalitionsgespräche“, bilanzierte leicht enttäuscht Andreas Bernhardt. Der Bürgermeister-Kandidat der OBG hat den Fraktionsvorsitz vom langjährigem Leitwolf Georg Braun übernommen und deutete Gesprächsbereitschaft bei allen Themen an, für die OBG aber habe bei der Koalitionsfrage „kein Boot im Hafen angelegt“.

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