Schülerfirmen stärken den Nachhaltigkeitsgedanken

Bei „Chill on Tire“ wird gut zusammengearbeitet (v. l.): Wiktoria (Produktion), Omid (Vorstand), Antonia (Produktion), Ben (Verwaltung), Marie (Finanzen), Taycan (Marketing), Elias (Vorstand), Lisa (Finanzen), auf dem Hocker sitzt Larissa (Produktion). Foto: Godenschwege

Oberursel (ow). Mit 16 Jahren Unternehmensvorstand oder Marketing-Chefin sein oder in der Buchhaltung, Verwaltung oder Produktion der eigenen Firma arbeiten? Das ist möglich in den Junior-Firmen an der Feldbergschule, die seit neun Jahren von den Abschlussklassen der Zweijährigen Berufsfachschule gegründet werden. Von der Ideenfindung und Planung am Schuljahresanfang über die Produktion und den Vertrieb während der kommenden Monate, der Aktionärsversammlung und Firmenauflösung im Mai, werden alle Schritte wie in einer echten Unternehmung nachvollzogen.

In diesem Jahr steht der Recycling-Gedanke im Vordergrund. Die 22 Schüler der Klasse 11BW1 der Zweijährigen Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung (BW) suchten zusammen mit ihren Lehrerinnen Angela Höll und Birgit Klein eine Idee, die sich mit wenig Kapital, aber guten Erfolgsaussichten realisieren lässt und dabei noch Spaß macht. Die Schüler sammelten im Bekanntenkreis gebrauchte T-Shirts, die sie umfärbten. Schulsozialpädagogin Isabelle Immel unterstützt das Team nach Kräften, die Vorstände Emilia (17 Jahre) und Moritz (16 Jahre) zeichnen für die Gesamtorganisation verantwortlich. Bereits 50 Einzelstücke in Pastellfarben sind entstanden und werden von „NewForYou“ für fünf Euro auf Anfrage per E-Mail verkauft.

Die Nachbarklasse 11BW2 hat sich unter der Leitung der Lehrkräfte Sylvia Gutting und Michaela Krebs an die Herstellung eines Möbelstücks gewagt, eines „Poufs“. Das ist ein kleiner, flacher, dekorativer Hocker mit bequemer Polsterung. Er besteht aus einem gebrauchten und gereinigten Autoreifen. Die Klasse konnte einen Materialsponsor aus der freien Wirtschaft gewinnen. Seitlich werden Löcher für die Sitzbespannung und das Polstermaterial gebohrt. Zum Schluss kommt die gehäkelte Ummantelung aus 100 Prozent recycelten Textilresten der T-Shirt-Industrie um den Hocker, der farblich nach Wunsch gefertigt wird und für 50 Euro bei der Firma „Chill on Tire“ erworben werden kann.

Die Geschäftsidee und der Firmenname müssen vom Träger der Schülerfirmenprogramme, dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Junior) genehmigt werden. Jeder Schüler bewirbt sich um eine Stelle und muss ein Assessment-Center vor der Stellenbesetzung durchlaufen. Doch der Team-Gedanke steht im Vordergrund. Auch bei der Ideenfindung für das Produkt oder der Namensgebung der Firma. In Corona-Zeiten gestaltet sich der Verkauf der Ware allerdings etwas schwieriger als sonst, da wichtige Verkaufstermine weggefallen sind wie der Weihnachtsmarkt oder der Tag der offenen Tür. Auch die Produktion muss sich an die Abstandsregeln halten, und so kommt es, dass jeweils zwei Gruppen im Wechsel tätig sind. Die Häkelarbeiten an den Poufs entstehen im Homeoffice. Weil es hier auf Vorkenntnisse und geschickte Hände ankam, waren anfangs nur drei Häklerinnen damit beschäftigt. Dank interner Fortbildungen konnte das Team um eine weitere Fachkraft aus der Klasse erweitert werden. Alle Mitarbeiter erhalten ein kleines Gehalt. Außerdem verkaufen die Firmengründer Anteilsscheine an ihren Unternehmen und zahlen am Ende eine Dividende aus.

Lehrerin Sylvia Gutting ist begeistert von dem Programm und schon seit der ersten Firmengründung an der Feldbergschule mit dabei: „Juniorunternehmen ermöglichen es uns, betriebliche Praxis in die Schule zu holen. Es werden keine Vorgänge simuliert, sondern sie finden in begrenztem Rahmen real statt. Die unterschiedlichen Themen des Unterrichts werden hier mit Praxis verknüpft: Buchführung, Monatsabschluss, Überweisung von Sozialabgaben, Beantwortung von Anfragen, Erstellung von Rechnungen, Entwurf von Formularen, Planung und Durchführung von Marketingmaßnahmen, Schreiben und Beantworten von E-Mails …“ Die Schüler lernten dabei nicht nur die Fachpraxis, auch die gefragten „Soft-Skills“ würden gefördert. Gutting fährt fort: „Selbstständigkeit, Eigeninitiative, Teamfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein werden geschult – beste Voraussetzungen, um später im Berufsleben zu bestehen.“

Dass die Arbeit Freude macht und eine angenehme Abwechslung zum Schulalltag ist, bestätigen die Schüler: „Mir macht es echt Spaß an den Reifen zu arbeiten, und ich kann sehr viel für die spätere Arbeitswelt mitnehmen“, freut sich C.O.T.-Produktionsmitarbeiter Fehmi (16 Jahre). Wer Produkte gerne bestellen möchte, kann sich bis Mai per E-Mail an newforyou11Bw1[at]gmail[dot]com oder chillontires[at]web[dot]de wenden.

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