Seit 70 Jahren: Die Musik und die Gemeinschaft pflegen

Die Musiker und Sänger geben auch zum Schluss nochmal alles und sorgen so für einen rundum gelungenen Abend bei den vielen Besuchern. Foto: bh

Oberursel (bh). Die Eurovisions-Hymne rief an diesem Samstagabend nicht nur zur Kultshow „Wetten, dass..?“ im ZDF auf. Auch in Stierstadt sollte das „Te Deum“ von Marc-Antonie Carpentier der Auftakt eines eindrucksvollen Abends sein. Insgesamt 19 Stücke spielte der Katholische Kirchenchor St. Sebastian Oberursel-Stierstadt/Steinbach während seines rund zweistündigen Gottesdiensts anlässlich seines 70-jährigen Bestehens und verzauberte damit die knapp 300 Besucher. Die Bandbreite an Musikstücken kannte dabei kaum eine Grenze. Von traditionellen „Festlichen Klängen“ (1685) über Gelobt seist du, Herr Jesu Christ“ (1854) bis hin zu moderneren Stücken wie „The peace of God (1945) wurden gleich mehrere Jahrhunderte musikalisch abgebildet. Eine gelungene Variation aus gesanglichen oder instrumentalen Solos und A-cappella-Stücken rundete die Darbietungen ab.

Und diese Vielfalt zeichnet den Chor auch sonst aus. „Neues Geistliches Lied hat den Kirchenchor noch nie geschreckt“, sagte Pfarrer Andreas Unfried. „Ich singe gerne die modernen Lieder“, ergänzte die Vorsitzende Claudia Scharnagl. Und ja, die moderne Kirchenmusik gehört zu den „Steckenpferden“ von Chorleiter Christof Sulzbach, der so – ganz bewusst – auch die jüngere Generation ansprechen möchte. Von den knapp über 90 Sängern und Musikern sind rund 25 bis 30 regelmäßig dabei. Und auch hier ist die Bandbreite groß: Während die Jüngste 23 Jahre alt ist, sind andere weit über 80 Jahre.

„Jeder ist willkommen“

Doch der Chor, der am 27. November 1953 gegründet wurde, ist viel mehr als nur gemeinsam zu musizieren. „Jeder ist bei uns im Chor willkommen. Der Mensch ist wichtig, die Stimme steht nicht unmittelbar im Mittelpunkt“, erklärte Scharnagl. Ähnlich sieht es auch Michael Sulzbach, der für 40 Jahre Mitgliedschaft geehrt wurde: „Die Musik macht aus uns eine Art Gemeinschaft und verbindet uns mit Gott. Das geht mit Worten oftmals nicht.“ Es sei einfach „befreiend vom Alltag“. So gehöre es auch zur guten Tradition, dass nach der Probe freitags noch beisammen gesessen und sich ausgetauscht werde. Außerdem findet seit 1980 einmal im Jahr – immer über das verlängerte Christi-Himmelfahrt-Wochenende – eine Chorfahrt innerhalb Deutschlands statt. Das Besondere: Die Fahrt wird nicht zum Proben genutzt, sondern um als „Gemeinschaft etwas gemeinsam zu erleben“. Dadurch sei der Chor jüngst auch gewachsen.

Diese Gemeinschaft zeigte sich auch im Gottesdienst, der mehrere Monate vom Chor vorbereitet wurde. Pfarrer i. R. Norbert Stähler, von 1994 bis 2006 für St. Sebastian zuständig, reiste extra aus dem Westerwald an, um diesen besonderen Tag mitzugestalten. In seiner Predigt, die gleichzeitig eine Art Dankesrede an den Chor war, zog er viele biblische Stellen mit Musikbezügen heran. „Gesang und Musik ziehen sich durch das ganze Alte Testament“, erzählte Stähler und fragte am Ende: „Es ist zwar nicht überliefert, dass es bei Adam und Eva Gesang gab, aber können sie sich ein Paradies ohne Gesang und Musik vorstellen?“ Eine singende Gemeinde sei „immer ganz wichtig“, und dies fördere der Kirchenchor, der seit mehreren Jahren auch immer instrumental begeleitet wird, in seiner langjährigen Tradition. So ist es eine Selbstverständlichkeit die Familiengottesdienste oder die Kinderkrippenfeier an Heiligabend mitzugestalten. Insgesamt kommt der Chor so auf sieben bis acht Auftritte pro Jahr. „Unsere Arbeit ist wichtig für die Gemeinde“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Rolf Seeger: „Wenn wir Musik machen, kommen schon ein paar mehr Menschen in die Kirche.“

Außer der Gemeinschaft ist auch Kontinuität ein wohl passender Begriff. Denn in der langen Geschichte gab es erst drei richtige Chorleiter, der mittlerweile auch von der Kirche bezahlt wird: Sagenhafte 40 Jahre stand Rainer Obst dem Chor vor, ehe 2006 Christof Sulzbach das Zepter übernahm. „Die Geschichte des Chors ist untrennbar mit Rainer Obst und Christof Sulzbach verbunden“, erklärte Jürgen Gachet, Vorsitzender des Ortsausschusses in seiner Dankesrede, ehe der Chor mit „Time to Say Goodbye“, „Oh Happy Day“ und „Blues“ aus dem Musical „Hair“ noch drei schwungvolle Lieder zum Abschluss spielte.

Trotz dieser langen Geschichte ist der Chor immer auf der Suche nach neuen Gesichtern. Informationen gibt es im Internet unter www.chor-musik-stsebastian.de.



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