Stadt und Kunstgriff planen Filme und Kultur im Autokino

Die Bleiche hat sich als Filmstandort beim Orscheler Sommer bereits seit Jahren bestens bewährt. Statt der Trecker könnten Autos dorthin kommen, in denen die Zuschauer ihre coronagerechten Sitzplätze einfach mitbringen. Foto: Streicher

Oberursel (fch). Ein Hoffnungsschimmer erhellt das coronabedingte, kulturelle Dunkel in Oberursel. Bürgermeister Hans-Georg Brum arbeitet derzeit gemeinsam mit Udo Keidel-George, Geschäftsführer des Kultur- und Sportfördervereins Oberursel (KSfO), und Dirk Müller-Kästner, Vorsitzender des 1985 gegründeten Vereins Kunstgriff, an einem Konzept für ein Autokino.

Die einst so beliebten Freiluftkinos erleben während der Corona-Krise einen neuen Boom. Kein Wunder, denn im Autokino lassen sich Hygiene- und Abstandsvorschriften leicht einhalten. Die Stadt Oberursel möchte das Unterhaltungsangebot für Cineasten und Kulturliebhaber gemeinsam mit dem Kunstgriff als Partner in der Brunnenstadt realisieren. Zwar dämpft das Stadtoberhaupt allzu hohe Erwartungen mit dem Hinweis: „Wir können noch keine Ergebnisse verkünden“, doch die Gespräche mit Kunstgriff, Behörden und Fachleuten laufen.

Ausgelotet wird derzeit, ob und unter welchen Bedingungen das Vorhaben umgesetzt werden kann. Geht es nach dem Bürgermeister, dann würde das Orscheler Autokino auf einer Teilfläche der Bleiche stattfinden. „Dort ist für 60 bis 70 Fahrzeuge Platz“, sagt der Bürgermeister. Dies sei die ideale Größe für eine von Kommune und Verein ausgerichtete Veranstaltung. Dort findet jährlich bereits das vom Landwirtschaftlichen Förderverein Oberursel (LFO) und Kunstgriff im Rahmen des Orscheler Sommers veranstaltete Treckerkino statt. Ebenfalls im Gespräch ist die KHD-Wiese. Doch diese Fläche ist kein städtisches Eigentum, sei zudem zu groß und müsste daher kommerziell betrieben werden.

Sponsoren willkommen

Sollten alle Gespräche mit dem Land Hessen, Behörden wie Gesundheitsamt und Bauaufsicht – „es gibt viele strikte Auflagen, die erfüllt werden müssen“ – sowie Firmen und Fachleuten erfolgreich verlaufen, dann könnte das Autokino in Oberursel im Juli und August starten. Der Bürgermeister möchte vier Wochen lang an drei bis vier Abenden pro Woche interessante Filme auf einer möglichst großen Leinwand zeigen. Da der Verleih für eine große Leinwand teuer ist, sind Sponsoren zur Unterstützung willkommen.

Gespräche mit Fachleuten müssen auch zu technischen Details wie der Tonübertragung geführt werden. „Die Tonspur des Films kann über eine UKW-/FM-Frequenz, die bei der Bundesnetzagentur beantragt werden muss, in Stereo direkt ins Autoradio übertragen werden. Vorteile dieser Technik sind, dass es keine Ruhestörung gibt und jeder Zuschauer sich die Lautstärke in seinem Fahrzeug individuell einstellen kann“, betont der Bürgermeister. Geklärt werden müssen auch Fragen etwa zur Online-Ticketvergabe, zu Einlasskontrollen, zum Catering und zu sanitären Einrichtungen.

Sommerferien mit Live-Programm

Kunstgriff-Vorsitzender Dirk Müller-Kästner favorisiert als Veranstaltungszeitraum die hessischen Sommerferien. Die dauern vom 6. Juli bis zum 14. August. Zudem wünscht er sich freien Eintritt wie beim nicht-kommerziellen Sommer-Kulturprogramm „Orscheler Sommer“ üblich. Mit Kinoveranstaltungen haben die Kunstgriff-Mitglieder Erfahrung. Vor zehn Jahren riefen sie im Rahmen des Orscheler Sommers einen Kurzfilmwettbewerb ins Leben und veranstalteten Open-Air-Kinos. „Wir sind dabei, auszuloten, was wir machen dürfen und machen können.

Falls möglich, möchten wir nicht nur Filme zeigen, sondern ein auf Oberursel zugeschnittenes Kulturprogramm“, erklärt der Kunstgriff-Vorsitzende. Ihm schwebt neben den Filmvorführungen ein Live-Programm mit Kabarett, Lesungen, Poetry-Slam und Konzerten vor. „Die Künstler könnten auf einer kleinen Bühne in einem Studio oder direkt vor der Leinwand auftreten. Der Auftritt wird dann live auf die Leinwand übertragen.“ Falls Catering genehmigt wird, würde Dirk Müller-Kästner örtliche Gastronomen gern mit einem Lieferdienst einbinden. Falls nicht, müssten sich die Kino- und Kulturveranstaltungsbesucher ihre Getränke und Speisen selbst mitbringen.

Sollten die Behörden trotz Corona-Krise grünes Licht für das Autokino mit oder ohne zusätzlichem Kulturprogramm geben, dann bekämen die Bürger ein weiteres Stück Normalität zurück. „Da fast alle Veranstaltungen abgesagt werden mussten, wäre es schön, wenn wir mit dem Autokino in diesem Sommer doch noch Unterhaltung in die Stadt bringen könnten“, hofft der Bürgermeister, der früher selbst für das kommunale Kino zuständig war. Im Gegensatz zu Kinos ist der Betrieb von Autokinos grundsätzlich nicht verboten. Der Mindestabstand ist auf den großen Parkplätzen gegeben, und die Zuschauer sitzen auf den vorgesehenen Stellplätzen in ihren Autos.

Das weltweit erste Autokino eröffnete am 6. Juni 1933 Richard Hollingshead Jr. In Camden New Jersey (USA). Das erste Autokino Europas eröffnete am 2. September 1957 in Castelfusano bei Rom, das erste deutsche Autokino 1960 in Gravenbruch und das erste in der DDR war 1977 das Autokino Zempow bei Wittstock/Dosse in Brandenburg. Ihre Blüte erlebten die Autokinos in den 1950er und 1960er Jahren.



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