Überlebenskampf, Gelassenheit und Würde in Schwarz-Weiß

Dieser Moment eines Dorfidylls, von Gerhard Spangenberg auf die Sekunde fotografisch eingefangen, bringt manchen Ausstellungsbesucher zum Schmunzeln. Foto: bg

Oberursel (bg). Nach seiner Pensionierung als Berufsschullehrer an der Feldbergschule war Gerhard Spangenberg viel unterwegs, immer mit der Kamera im Anschlag. 48 beeindrucke Schwarz-Weiß-Fotografien aus dem fernen Nepal zeigt er jetzt in einer Ausstellung im Rathaus-Foyer. Mit sicherem Gespür für den einen Moment stellen seine Aufnahmen dem Betrachter eine teilweise noch sehr archaische Welt und die bittere Armut, die im Lande herrscht, vor Augen. Bilder, so das Credo des Reisefotografen, müssen durch ihre Aussagekraft eine Geschichte erzählen. Berühmte Fotokünstler erklären es so: Wozu soll ich eine Geschichte aufschreiben, wenn ich die Kamera zur Hand habe.

Seit gut 50 Jahren ist Gerhard Spangenberg begeisterter Fotograf, Mitglied im Photo-Club Bad Homburg, und fotografierte in den Anfängen natürlich noch analog. „Das war damals noch ein teures Hobby, und es wurde längst nicht so oft auf den Auslöser gedrückt“, erinnert er sich. Seit der Digitalisierung hat sich das komplett verändert. Bei seinen Reisen hat er viel von der Welt gesehen. Außer Marokko, Namibia, Mexico und Kuba hat es ihm besonders der südostasiatische Raum angetan. Er war unterwegs im Iran, in Indien, Pakistan, Thailand, Burma, Laos, Kambodscha, Indonesien, China, Tibet und immer wieder in Nepal, zum ersten Mal 2008.

Nächte zwischen Maiskolben

Touristen, die unbedingt den höchsten Gipfel der Welt besteigen wollen, sind eine wichtige Einnahmequelle für den armen Staat und die Sherpas. Bei seiner jüngsten Reise in das Land, das immer wieder durch Todesfälle bei Besteigungen des Mount Everest in die Schlagzeilen gerät, war er auf eigene Faust unterwegs. Er mietete ein Auto, einen Fahrer und einen Übersetzer. „Dadurch kam ich in direkten Kontakt mit den Menschen“, sagt er. „Das Land besteht ja nicht nur aus dem Gebirge, im Süden liegt es nur etwa 100 Meter über dem Meeresspiegel, die Hauptstadt Kathmandu liegt auf einer Höhe von 1300 Metern“. In den Dörfern – und das hat er festgehalten – leben oft nur Frauen mit Kindern und alte Männer. Viele junge Männer und Familienväter arbeiten auf Baustellen in Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten, um Geld zu verdienen.

Expeditionen auf die Gipfel des Himalayas können wetterbedingt nicht das ganze Jahr über stattfinden. Die beste Zeit für diese Expeditionen ist das Frühjahr. Viele Familien, auch die seines Übersetzers, der temporär als Sherpa unterwegs ist, bearbeiten ein Stück Land, um zu überleben. Er bot ihm einen Übernachtungsplatz auf dem Dachboden seines Hauses an. „Ich lag da zwischen den gelagerten Maiskolben“ erzählt Spangenberg schmunzelnd.

Viele seiner Momentaufnahmen erzählen berührende Geschichten aus dem Alltag der Menschen. Wasser kommt nicht aus dem Wasserhahn, sondern wird mit körperlichem Einsatz an der Pumpe geholt, Geschirr wird im glasklaren Wasser eines Baches gespült, Frauen arbeiten viel und hart, und Busfahrten sind ganz besondere Abenteuer, bei denen alle anpacken müssen, um weiterzukommen. Da ist der „Drahtseilakt von Schulkindern“, die auf dem Weg zur Schule mit einer Art Seilwinde ein Flussbett überqueren müssen. Oder der Moment, wo ein kleiner Junge ungeniert seinen „Pippi-Strahl“ laufen lässt. Rings um ihn herum sitzen ganz entspannte Dorfbewohner, im Vordergrund watscheln Enten.

Die Ausstellungseröffnung geriet zum Familientreffen ambitionierter Fotografen aus Bad Homburg und Oberursel. Dazu waren viele früheren Kollegen, die Familie, Freunde und Wegbegleiter gekommen. Alle waren gespannt, was Gerhard Spangenberg als Mitbringsel von seiner Fotosafari nach Nepal präsentierte, und das auch noch ganz unüblich in Schwarz-Weiß. „Ich kannte von ihm bisher nur seine farbigen Aufnahmen“, gestand Kollege Willi Mulfinger, der eine kleine Laudatio hielt und dabei die hochprofessionellen Aufnahmen lobte. Sie erzählen Bände von den Mühen des Alltags, mit denen die Menschen in Nepal um das Überleben ringen; andererseits strahlen sie auf den Bildern eine innere Würde, Gelassenheit und Lebensfreude aus.

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