Der Umgang mit der Medikamentensucht

Oberursel (nel). Immer häufiger kommt es dazu, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche, Medikamente missbrauchen und letztendlich eine Abhängigkeit entwickeln. Meist geht es hierbei um Opioide oder Benzodiazepine („Benzos“), also Schmerz- und Beruhigungsmittel, von denen die Menschen nicht mehr loskommen. Vor allem während der Pandemie wurden sie auch Jugendlichen immer häufiger verschrieben. Und wer kein Rezept hat, geht dann eben auf die Straße oder zum Dealer im Netz.

Die Integrierte Gesamtschule Stierstadt (IGS) setzt sich aktiv für das Wohl der zahlreichen Schüler ein und veranstaltete deswegen vor Kurzem einen öffentlichen Vortrag zum Thema „Benzos, Tilidin & Co. – warum immer mehr Kinder und Jugendliche Medikamente missbrauchen”. In der Aula der Grundschule Stierstadt präsentierten das Präventionsteam der IGS und die Jugendberatung und Suchthilfe Bad Homburg in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Bund und der Grundschule Stierstadt umfassende Informationen über die Ursachen, die Risiken und den Umgang mit Medikamentenmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen. Eingeladen waren alle Eltern und Interessierten, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und dazulernen wollten. Das Angebot richtete sich jedoch auch explizit an aktuell oder ehemalig betroffene Personen, die in ihrem Umfeld medikamentenabhängige Menschen haben. Neben wichtigen Informationen zum Thema wurde auch auf mögliche Wege zur weiterführenden Hilfe hingewiesen. Da es an dem Tag so heftig schneite, konnten jedoch viele, die sich im Vorhinein angemeldet hatten, leider nicht zum Vortrag erscheinen.

Linda Uhl vom Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe Bad Homburg hielt den Vortrag. Zunächst lieferte sie ein paar grundlegende Fakten, so beispielsweise die Tatsache, dass vier bis fünf Prozent der häufig verschriebenen Medikamente ein Suchtpotenzial besitzen, darunter viele Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel. Die Medikamentenabhängigkeit entstehe schleichend uänd bleibe oft im Verborgenen. Kurzfristig verschriebene Medikamente, denen eine psychische oder physische Erkrankung vorausgeht, werden dann als dauerhafter Teil der Therapie verwendet. In Deutschland wird die Anzahl medikamentenabhängiger Menschen auf mindestens zwei Millionen geschätzt, die Dunkelziffer liege wahrscheinlich deutlich höher. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen, zudem steigt die Prävalenz einer Abhängigkeit im Alter. Gängige Medikamente, wie Hustensaft und Nasenspray, werden bevorzugt von Jugendlichen verwendet und können ebenso eine Abhängigkeit erzeugen, die zu einem übermäßigen Konsum des Medikaments führt. Folgen einer Überdosis der enthaltenen Stoffe Dextromethorphan oder Codein können Unruhe, Halluzinationen, Muskelkrämpfe und epileptische Krampfanfälle sein.

Auch geht Uhl auf die Verherrlichung des Themas in der Rapkultur ein. So romanisiert beispielsweise der Text von Bonez MC und Gzuz im Lied „Wolke 7” den Konsum mit folgenden Lyrics: „Komm, wir sippen Codein und rauchen Weed, denn das ist meine Medizin – Und könnt‘ mich immer neu verlieben – In meine kleine Wolke sieben“. Aber auch Money Boy verherrlicht Medikamentenmissbrauch in dem Song „Codeine mit Sprite”. Viele Jugendliche, die die Musik dieser Rapper verfolgen, lassen sich möglicherweise durch die lockenden Texte beeinflussen und haben den Drang die andere Seite der Wirkung der Medikamente auszuprobieren.

Weitere Stoffe, die oft von Jugendlichen konsumiert werden, sind Tilidin, das in Kombination mit Alkohol so stark zu flacher Atmung führt, dass es durch Atemlähmung zum Tode kommen kann, und sogenannte „Benzos” Benzodiazepine, die eine angstlindernde und beruhigende Wirkung haben. Es kann sich rasch eine Abhängigkeit entwickeln, die eine sehr unbedachte Lebenshaltung zur Folge haben kann.

Zuletzt wird auf das immer populärer werdende Lachgas eingegangen, das immer häufiger von Jugendlichen inhaliert wird und zu einem kurz andauernden starken, narkoseähnlichen Zustand führt. Bei dem Konsum von Lachgas droht Lebensgefahr durch Atemlähmung, epileptische Anfälle und Herzrhythmusstörungen. Auch steigt das Schlaganfallrisiko neben der Gefahr für Stürze und Bewusstlosigkeit.

Sollte jemand im Umfeld, so zum Beispiel ein Kind, ein Jugendlicher oder ein Elternteil von einer Medikamentenabhängigkeit betroffen sein oder eine Vermutung bestehen, gibt es Wege zur weiterführenden Hilfe. So können sich Betroffene an eine Suchtberatungsstelle, wie beispielsweise die Jugendberatung- und hilfe in Bad Homburg, wenden. Das Angebot reicht von Krisenintervention über informationsorientierte Beratung bis hin zu Beratung und Vermittlung in weiterführende Hilfen. Es richtet sich an Betroffene, Angehörige und Kontaktpersonen. Auch die mobile Jugendberatung gibt es, die Jugendliche in ihrer Lebenswelt – beispielsweise an Schulen – besucht.



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