Oberursel (js). Im Volksmund heißt er immer noch Bauhof, auch wenn er längst Wertstoffhof geworden ist. Die Oberurseler mögen und schätzen ihn sehr. Selbst bringen, was auch immer nicht mehr gebraucht wird, kurzes Schwätzchen halten mit dem Personal und anderen Besuchern, vor allem am Samstag ist der Bauhof ein Ort der Begegnung von Gleichgesinnten. Dafür nimmt der Oberurseler gerne auch Wartezeit in Kauf, in der Hochsaison zwischen März und Oktober reiht sich oft eine Warteschlange entlang der Oberurseler Straße auf. Und jetzt, nach mehreren Wochen Bauhof-Entzug mitten im Frühling, da hatten sie mit einem regelrechten Ansturm gerechnet. Und BSO-Betriebsleiter Michael Maag auf das Abholungsangebot des städtischen Eigenbetriebs Bau & Service verwiesen. „Auf dem Wertstoffhof müssen Sie mit erheblichen Wartezeiten von über einer Stunde rechnen“, so Maag vor der Wiedereröffnung am Montag.
Die zehn Gebote
Montagvormittag, 7.20 Uhr, in 25 Minuten soll das große Rolltor zur Seite geschoben werden, auf dem jetzt noch steht, dass der Wertstoffhof „bis auf Weiteres“ geschlossen bleibt. Ein Dutzend Autos steht in Warteposition, ordentlich aufgereiht bis runter zum Kreisel an der Ludwig-Erhard-Straße. Nur diese Anfahrt ist erlaubt, die Abfahrt in die Gegenrichtung. „Ich war ne Stunde vorher hier“, verrät der erste Mann in der Reihe. „Besser als hinterher drei Stunden zu warten.“ Jakob Schäfer, beim BSO für Grünes und Bäume zuständig, ist gelassen, „wir hätten mit mehr Andrang gerechnet“, sagt sein Kollege beim letzten Verrücken von Hinweisschildern und Absperrungen. Ein weiteres halbes Dutzend Kollegen in Warnwesten und mit Mundschutz sind unterwegs zu ihren Positionen auf dem Hofgelände. Der Start soll perfekt laufen.
Zehn Gebote müssen die Anlieferer von Grünabfall beachten. Das steht in der Präambel fett unterstrichen: Der Wertstoffhof wird ausschließlich für die Entsorgung von Grünabfall geöffnet, die Plätze, auf denen sonst etwa die Container für Elektroschrott und Baustellenabfälle stehen, sind verwaist. Pünktlich um 7.45 Uhr, von Montag bis Freitag, am heiligen Samstag erst ab 9 Uhr, beginnt die Schicht. Und das für „maximal zwei Wochen“, so die Vorgabe der Stadt, aber nur dann, wenn der Zwei-Schicht-Betrieb in der Abfallwirtschaft, auf der Kläranlage, der Verkehrssicherung und dem Bestattungswesen mit dem vorhandenen Personal aufrechterhalten werden kann. So steht es in Regel Nummer zehn. Wichtiger für die Nutzer sind die neun Gebote davor, denn „Regelverstöße führen zum sofortigen Verweis vom Hof“, sagt die achte Regel.
Höchstens vier Fahrzeuge werden gleichzeitig auf den Hof gelassen, jeweils zwei sind in Zone A für maximal einen Kubikmeter Grün und B für mehr als einen Kubikmeter erlaubt. Damit stets der vorgesehene Zwei-Meter-Abstand möglich ist. Ist eine Zone belegt, bleibt die Schranke geschlossen, maximal zehn Minuten stehen für das Entladen des Grünabfalls zur Verfügung. Und zwar nur mit Masken oder Mundschutz, die Regel gilt auch für das gesamte Personal und den privaten Sicherheitsdienst, der vor der Einfahrt Ladung und Personalausweise kontrolliert. Damit soll „Mülltourismus“ vorgebeugt werden, wie es heißt. Ein Kontrolleur zwischen den Zonen überwacht Abstand und Aufenthaltsdauer und fordert schon nach fünf Minuten streng in Wort und Blick zum Verlassen des Geländes auf, wenn der letzte Sack ausgeleert ist. Mehr als ein Gruß zur Nachbarin und ein freundlicher Wunsch, doch bitte gesund zu bleiben, ist nicht drin.
Der Mann in Auto Nummer zwölf in der Warteschlange hat bis zum Öffnen des Rolltors längst ausgerechnet, dass die Stunde länger im Bett die richtige Entscheidung war. Als Teil der dritten Schicht steht er nach nicht einmal zwanzig Minuten vor dem Container für Grünabfall auf der Rampe. Um halb elf ist gar die direkte Einfahrt möglich. „Besser wie sonst“, freut sich die Frau auf der anderen Seite der Rampe. „Damit hätte ich nie gerechnet.“