Wichtiger als der Erfolg ist Thristan der Spaß am Fechten

Vollen Einsatz zeigt Thristan am Wochenende bei den Deutschen U17-Meisterschaften in Leverkusen, hier gegen Philipp Böhmer vom FC Krefeld. Foto: sth

Oberursel (sth). Der verstohlene Blick in die Sporthalle des Königsteiner Taunusgymnasiums lässt den Besucher erst mal etwas ratlos zurück. Die im Übungsraum ausgelegten Leitungen muten an wie Kabelsalat und werfen die Frage auf, ob diesem hier nicht eher zu technischer Aufrüstung verholfen werden soll, anstatt dass er den Fechtern der Sportgemeinschaft (SG) Blau-Weiß Schneidhain Platz zum Trainieren bietet. Die sich in einer Ecke der Halle tummelnden, ganz in Weiß gekleideten Kinder und Jugendlichen verschaffen Aufklärung: Hier sind keine Handwerker, sondern tatsächlich die Schützlinge der 2008 gegründeten Schneidhainer Fechtabteilung zugange.

Das technische Equipment gehört zum Fechten wie der Stollenschuh zum Fußball. Durch ein Körperkabel sind die Sportler mit der elektrischen Trefferanzeige verbunden. So können im Wettkampf erzielte Punkte korrekt gewertet werden. Deshalb ist vor der gut einstündigen Trainingseinheit der fortgeschrittenen Schneidhainer Fechter erstmal aufbauen angesagt. „Das nervt manchmal, gehört aber dazu“, sagt Thristan Trieschmann. Der 17-jährige Schüler aus Stierstadt ficht seit dem Kindesalter. In seiner Altersklasse gehört er zu den besten Degenfechtern der Region, in der hessischen Rangliste steht er aktuell auf Rang drei.

Angefangen hatte alles mit der Begeisterung für Schwerter. Ein typisches Jungs-Hobby, Thristan war damals vier. Als auf dem heimischen Fernseher die olympischen Fechtkämpfe liefen, wusste er, dass er selbst auf der Planche, wie die Fechtbahn umgangssprachlich genannt wird, stehen möchte. Einen Verein zu finden sei in diesem jungen Alter gar nicht so leicht gewesen, Thristan landete beim Frankfurter TV (FTV). Dort focht er anfangs noch Florett, inzwischen ist er zum Degen gewechselt. „Das hat mir besser gefallen, weil der ganze Körper Angriffsfläche ist.“ Anders als beim Florett und dem Säbel, wo das nur für bestimmte Körperbereiche gilt. „Es ist ein sehr schneller und vielseitiger Sport, in jedem Gefecht gibt es andere Situationen“, begründet Thristan seine Begeisterung für das Fechten. Zudem gefällt ihm, nicht von anderen abhängig zu sein. Einzig die hohen Kosten für die Ausrüstung seien ein Nachteil.

Gutes Klima und Medaillen

Eine Fußverletzung in der Zeit beim FTV zwang den Oberurseler zu einer längeren Pause. Als die Rückkehr auf die Planche anstand, entdeckte er die Fechtabteilung in Königstein. Die Anfahrt aus Stierstadt ist deutlich kürzer als in die Bankenmetropole, zudem kannte Thristan den Schneidhainer Trainer Jan Zwak. Seit einigen Jahren trainiert er nun unter dem ehemaligen polnischen Nationalcoach, „der Wechsel hat sich gelohnt“, sagt er. Im Verein herrsche ein gutes Klima, die gemeinsamen Fahrten zu Wettbewerben seien schöne Erlebnisse. Auch, weil die Sportler von Blau-Weiß regelmäßig Medaillen mit nach Hause bringen. „Wir sind in einigen Altersklassen die Besten in Hessen“, sagt Zwak stolz.

Erfolge, die alles andere als selbstverständlich sind, denn die Trainingsmöglichkeiten des Vereins sind stark begrenzt. Zweimal wöchentlich kommen die fortgeschrittenen Fechter aus Schneidhain in der Sporthalle des Taunusgymnasiums für je anderthalb Stunden zusammen, wobei die verfügbare Hallenkapazität freitags noch deutlich kleiner ist als an den Montagen. Zwak findet das „lächerlich“. Er beklagt, dass die Möglichkeiten an anderen Orten deutlich größer seien – und befürchtet, dass sich Jugendliche aus dem Umkreis deshalb nach anderen Vereinen umsehen könnten. Gerade mit zunehmendem Alter werde es immer schwieriger, bei den Konkurrenten noch intensiver und professioneller trainiert. Zwak und die beiden jungen C-Trainer Nicolas Maute und Marcel Fischer bedauern, dass sie ihren Schützlingen das in dieser Form nicht bieten können. Sie hoffen, bald mehr Trainingszeit zur Verfügung zu haben. Angesichts der beschränkten Möglichkeiten leiste man bei Blau-Weiß „200 Prozent“, sagt Zwak.

Platz 34 bei den Deutschen U17

Dem 68-Jährigen ist es zu verdanken, dass sich das Degenfechten im Hochtaunuskreis überhaupt etablieren konnte. Vor elf Jahren zeichnete er für die Gründung der Schneidhainer Fechtabteilung verantwortlich. Damals begann er mit zehn Kindern, inzwischen gehören über 70 Mitglieder dem Verein an. „Man profitiert sehr von seiner Erfahrung“, sagt auch Thristan, der bei den hessischen Meisterschaften Ende März Neunter wurde und mit der Mannschaft Bronze gewann. Vor zwei Wochen war er mit Teamkollege Yorck Müller-Gebel bei den Deutschen U17-Meisterschaften in Leverkusen, erzielte dort bei insgesamt 98 Startern einen guten 34. Platz im Einzel, im Teamwettbewerb wurde es Platz zehn. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Abschneiden, das hätte ich nicht erwartet“, freute er sich hinterher über seine Leistung. Im landesweiten Vergleich sieht er sich im gehobenen Mittelfeld, „gegen Gegner von Olympiastützpunkten hätte ich aber keine Chance“, sagt er. Womit wieder die bescheidenen Trainingsmöglichkeiten seines Vereins zum Thema werden.

Thristan hat ohnehin entschieden, dass Fechten zwar „ein schönes Hobby ist, als Beruf wäre das für mich aber nicht machbar und heute auch gar nicht mehr vorstellbar“. Überlegungen, den Weg in Richtung Profilaufbahn einzuschlagen und auf ein Internat zu wechseln, hat er schon vor Jahren verworfen. Auch aufgrund der geringen Verdienstmöglichkeiten. „Der Ehrgeiz ist auf jeden Fall da, ich möchte immer so gut wie möglich abschneiden.“ Im Vordergrund aber steht der Spaß am Sport. Auf der Hessenrangliste weit oben platziert zu sein, ist für Thristan nicht mehr als ein „schöner Nebenaspekt“. Wichtiger ist ihm, dass neben dem Fechten auch Schule und Freizeit nicht zu kurz kommen. Er besucht die zehnte Klasse eines internationalen Gymnasiums in Schwalbach, in zwei Jahren steht das Abitur an.

Fechten möchte er weiterhin. Auch einen C-Trainerschein hat er gemacht, seitdem unterstützt er Zwak und Fischer beim Trainieren des Schnupperkurses. An manchen Tagen steht er zusätzlich für Einzellektionen auf der Planche, dann geht es um individuelle Schwachstellen. „Ich möchte mich auf verschiedene Situationen noch besser einstellen können, um selbstbewusster in die Gefechte zu gehen.“ Auch die Beinarbeit könne er noch verbessern. Und wenn es – anders als in Leverkusen – mal nicht klappt mit dem gesteckten Ziel? „Ich bin nicht deprimiert, wenn ich einen schlechten Tag erwische und es nicht so gut läuft.“ Am wichtigsten ist ihm schließlich der Spaß am Fechten.

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