Hochtaunus (js). Die normative Kraft des Faktischen, wie es so schön heißt, hat am Ende alles schnell zurechtgerückt. Heftige Proteste wie etwa in Falkenstein hier, vorauseilende Beschlüsse wie rund um Anspach dort, ein letztes Entschlüpfen in die Selbständigkeit wie am Beispiel Steinbach demonstriert. Die „Gebietsreform“ der 1970er-Jahre, die sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt, einhergehend mit der Neukonstruktion eines „Hochtaunuskreises“, hat längst nicht alle Gemeinden und Kommunen zwischen Steinbach und Grävenwiesbach, Weilmünster und Seulberg glücklich gemacht. Noch heute werde das Thema „konträr diskutiert“, merkte Weilrods Ex-Bürgermeister Hartmut Haibach am Rande des „12. Geschichtstags für Taunus und Main“ im Bad Homburger Landratsamt an, die Methode „Vogel friss oder stirb“ sei vielerorts nicht gut angekommen. Die „per mufti“ verordnete Schaffung neuer Grenzen und Zuständigkeiten, die nicht aus heiterem Himmel kam. Angedacht wurde sie schon lange vor dem Vollzug.
War die nur dezente kleine Feier in politischen Kreisen am Abend des Übergangs in die neue Zeit im „Café Eisvogel“ zu Neu-Anspach ein Zeichen für die Unzufriedenheit? „Ich will kein Hochtaunusgefühl“, dieser Satz soll auch gefallen sein, ausgesprochen von Werner Herr, der als erster Landrat in die Geschichte des neuen Hochtaunuskreises eingeht. Eine kurze Ansprache nur hielt Herr im Kreis von „Alt-, Ex-, Neu- und sonstigen Bürgermeistern“, so Kreisarchivar Peter Maresch, der bei der gut besuchten Tagung zum Thema Gebietsreform die politischen Debatten und Entscheidungswege nachzeichnete. Zum Abschied vom Kreis Usingen gab es eine Medaille aus Gold für scheidende Kreistagsabgeordnete, Rudolf Thierbach wurde als letzter Landrat des Kreises geehrt.
Keine tanzenden Löwen
Der Endpunkt der Geschichte mit dem Erlass zum neuen Kreiswappen ist auch so eine Anekdote, die Bände spricht. Da gab es einen Entwurf, wo der rot-weiße Obertaunus-Löwe und der gelbe Usingen-Löwe Rücken an Rücken mit ausgestreckter Zunge aus dem Wappen gucken, in einer anderen Version scheinen die beiden fröhlich miteinander zu tanzen. Am Ende einigte man sich auf die Symbiose, die noch heute offiziell ist, der rot-weiße Löwe vorne mit dem gelben Hinterteil des Usinger Artgenossen. Da fiel damals sogar das böse Wort, Usingen sei mit Blick auf die Gesamtstruktur von Bad Homburg „annektiert“ worden. Die Zielvorgabe von höherer Ebene jedenfalls war erreicht, aus 39 Landkreisen mit mehr als 2000 Gemeinden in Hessen waren 20 Landkreise mit ungefähr 500 Kommunen geworden.
Gefeilscht wurde auch um die einzelnen Kommunen. Im ersten Landesentwurf zur Kreisreform von 1971 war noch vom „Taunuskreis“ die Rede, Glashütten war in dieser Version nicht drin, dafür Kalbach. Die finale Karte aus dem Februar 1972 bezog schließlich an der neuen Westgrenze Glashütten, Schloßborn und Oberems mit ein, um Hasselbach wurde bis zuletzt gestritten, Kalbach fiel raus und nach Frankfurt. Ein „ganz kühner Vorschlag“, so Historiker Maresch, war da bereits vom Tisch, die Idee von der riesigen „Regionalstadt Frankfurt“ inklusive drumherum die Bezirke Obertaunus, Maintaunus, Friedberg, Offenbach und Hanau, auch „Möller-Plan“ genannt nach dessen Erfinder, dem damaligen Frankfurter Oberbürgermeister Walter Möller und seinen SPD-Gefolgsleuten.
Vor einer seriösen Bewertung zum Erfolg der Reform von 1972 scheuen sich manche Historiker noch heute, einigen konnte man sich aber wohl darauf, dass die „Grundlagen des urbanen Lebens geschaffen wurden“, wie auch Kritiker Hartmut Haibach konstatiert. In der Kategorie „kreativer Protest“ sind plakative Bekundungen wie die Ausrufung des „Freistaats Obernhain“ und die Halbmast-Beflaggung auf Burg Falkenstein bei der Bekanntgabe des „Urteils“ abgeheftet. Falkenstein hatte damals sogar Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, die Klage wurde aber schon im Oktober 1972 abgewehrt. Heute fühlen sich die Falkensteiner mit Königstein ganz wohl, die Bewohner der heutigen Oberurseler Ortsteile Stierstadt und Weißkirchen sind froh über die Entscheidungen von 1972, schließlich hat die Gebietsreform hier positiv gewirkt. Denn ernsthaft verfolgte Pläne, entlang der Bahntrasse nach Frankfurt ein zweites Schwalbach aus dem Boden zu stampfen, wurde damit verhindert.