„Dialog und Einsicht“ mit dem Ziel: Biken und leben lassen

Kontrolle mit Kennerblick: Eric Kremer von der Polizei Usingen (im hellblauen Hemd) inspiziert mit Kollegen eine ganz besondere Sonderanfertigung von Ducati. Die Stimmung ist gelassen, Maschine und Papiere stimmen überein, alles in Ordnung. Foto: js

Hochtaunus (js). Freiwillige Selbstkontrolle am Sandplacken. Am heiligen Sonntag, dem Feiertag für viele Motorradfahrer, an dem sie zu Hunderten ausschwärmen auf die Straßen rund um den Großen Feldberg. Auf dem Sandplacken warten Polizei und Lobbyisten auf die Biker, kontrollieren Papiere und technische Details der Maschinen, wollen ins Gespräch kommen mit den Königen der Landstraße. „Kaffee statt Knöllchen“, lautet die Devise. Organisierte Biker und Polizei werben für Rücksicht und sozialverträglichen Fahrstil.

„Biker sind im Taunus willkommen.“ Es ist ein wichtiger Satz, den Oliver Link da ausspricht, der Leiter des regionalen Verkehrsdienstes der Polizeidirektion Hochtaunus. Er soll die Richtung vorgeben. Der Taunus und das Feldberggebiet, sie sind ein Lieblingsgebiet schwer motorisierter Biker, vor allem an Wochenenden in den warmen Monaten. Dann machen Zweiräder mit viel PS und enorm viel Kraft in den Maschinen manchmal bis zu einem Drittel aller Fahrzeuge auf den Straßen im Hochtaunuskreis aus. „Das hat Tradition“, sagt Link, „und das soll auch so bleiben“. Nur die Raser und Unvernünftigen, diejenigen, die den Spaß übertreiben, die wollen sie hier nicht haben.

Damit es so bleiben kann, suchen Polizei und im Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM) organisierte Biker verstärkt den Schulterschluss. Kooperation statt Konfrontation, unter dem Leitgedanken „Dialog, Einsicht, Verhaltensänderung“ stand die jüngste Aktion am Sonntag an einem der Hot-Spots der Region. Eigenverantwortung sollte vermittelt werden, der Slogan lautet „Du hast es in der Hand“. Der Platz am Sandplacken, an dem zur „Polizei-Kontrolle“ gebeten wird, liegt direkt an der „Kanonenstraße“, nur ein paar Kehren oberhalb der berühmten und berüchtigten „Applauskurve“ auf halber Höhe zwischen Hohemark und Sandplacken.

Das Verhalten vieler Biker speziell im Bereich dieser Kurve hat viel zum schlechten Image der Szene beigetragen. Riskante und aggressive Fahrmanöver, Lärmspiele mit manipulierten Schalldämpfern, Raserei bei verabredeten Rennen auf öffentlicher Straße. „Der Großteil benimmt sich regelkonform“, beschwichtigt der Sprecher des Polizeipräsidiums Westhessen, Ingo Paul. Verstärkte Kontrollen, vor allem seit der zweimaligen temporären Schließung der Zufahrt zum Großen Feldberg für Biker im Mai und September, haben die Wogen geglättet.

Mit geübtem Blick betrachtet Eric Kremer von der Polizeistation Usingen die gerade vorgefahrene Ducati, eine ganz besondere Sonderanfertigung. Eine Maschine, bei der Motorradfahrerherzen in Wallung geraten. Ein Kunstwerk des Motorradbaus, das Technik, Kraft und Eleganz auf höchstem Niveau vereint und auch beim Kaufpreis in der allerhöchsten Liga verortet ist. Eric Kremer ist selbst Motorradfahrer und liebt sein Hobby, er weiß, wo er hinschauen muss. Alles in Ordnung, alles perfekt, Maschine und Papiere stimmen überein. Keine Beanstandungen, „Gute Fahrt“.

Es sind nur wenige, die den Ruf der „Branche“ extrem beschädigen, darin sind sich Polizei, BVDM und Behörden einig. Ein „paar Verrückte“, die den anderen den Spaß verderben. Sind die Helme an den Treffpunkten der Biker abgesetzt, stecken darunter viele graumelierte Köpfe, die das wahnsinnige Rennalter hinter sich gelassen haben. Meist Männer, die zu ihrem Vergnügen und ein bisschen Adrenalinausstoß die Taunuskurven durchfahren und ungern zu „potenziellen Organspendern“ werden, wie die „Kurvenkratzer“ und Geschwindigkeitsjunkies mit ihren aufgemotzten Maschinen in der Szene auch genannt werden.

Jene Spielverderber sollen bei den Kontrollen rausgefischt werden, bei Verstößen werden nicht korrekt getunte Maschinen schnell aus dem Verkehr gezogen. Das wirkt, auch am Sonntag beim Großeinsatz auf dem Sandplacken bleibt die Stimmung entspannt, es gibt kaum Beanstandungen an den meist absoluten High-Tech-Motorrädern. „Wir unterstützen das“, sagt BVDM-Pressesprecher Rainald Mohr aus Bad Homburg, auch ein Genussfahrer und Kämpfer für die Rechte und Freiheiten der Biker. „Wir wollen, dass sich alle an die Spielregeln halten und sozialverträglich fahren.“ Das Polizeipräsidium Westhessen hat die Zahl der Kontrollen seit der hitzigen Debatte im vergangenen Sommer von 20 auf 80 erhöht, verstärkt auch parallel in kleinen Gruppen in der Fläche, um die Warnmechanismen vor solchen Kontrollen in der „vernetzten Community“ (Ingo Paul) verpuffen zu lassen.

Anwohner sind dankbar

Wenn ein Anwohner den Erfolg der Maßnahmen attestiert, dann dürfte dies ihre Wirksamkeit seriös bestätigen. Der Oberurseler Götz Rinn, einer der Beschwerdeführer, obwohl selbst Biker, tut dies. Die Anwohner seien „dankbar für den Polizeieinsatz“, die Zahl der Lärmbeschwerden gehe massiv zurück, „nur noch wenige Vollpfosten sind unterwegs“, so Rinn. Dazu nicken auch Oliver Link und Peter Riegel, Leiter der Straßenverkehrsbehörde im Hochtaunuskreis. Die Unfallzahlen seien auch im Corona-Sommer mit wesentlich mehr aktiven Motorrad- und Fahrradsportlern nicht gestiegen, „sie sind nicht erschreckend hoch“, so Link. Er gehörte schon im vergangenen Sommer zu den Verfechtern, dass „eine generelle Sperrung der höchsten Taunusgipfel keine Option ist“. Jetzt liegen alle Zahlen vor, von Lärmmessungen und über Ausweichverkehre, von Unfallereignissen und Geschwindigkeitskontrollen, „diskutiert wird weiter ergebnisoffen“. Hörte sich am Sonntag auf dem Sandplacken nicht so an, als gäbe es ernsthafte Forderungen, Straßensperrungen für Biker durchzusetzen. Eher wie ein Plädoyer für Vernunft und Verantwortung.

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